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Auswahlband Schicksalsroman 8 Romane in einem Buch September 2018. Cedric Balmore
Читать онлайн.Название Auswahlband Schicksalsroman 8 Romane in einem Buch September 2018
Год выпуска 0
isbn 9783745205985
Автор произведения Cedric Balmore
Издательство Readbox publishing GmbH
Fred war im Haus verschwunden. Er wusste ganz genau, wo Anja und Sybille wohnten. Bevor sie sich die beiden Mädchen vorgeknöpft hatten, hatten sie sie lange Zeit beobachtet und so alles erfahren, was sie wissen wollten.
Surrend hielt der Fahrstuhl, und er stieg aus. Im Treppenhaus war es schon ein wenig dämmrig. Hart legte er den Finger auf den Klingelknopf. Er musste eine Weile warten, bis ihm die Tür geöffnet wurde. Anja wurde aschfahl, als sie sah, wer dort stand. Für eine Sekunde legte sie ihre Hände auf das Herz. In ihren Augen flackerte die Angst.
»Hat Sybille Ihnen denn nicht gesagt, dass ich heute nicht kommen kann?«
»Ich möchte mich gern selbst davon überzeugen, ob es stimmt«, sagte er zynisch. »Und damit du es gleich weißt, ich glaube dir nicht. Los, ich geb’ dir drei Minuten, und dann bist du angezogen und kommst mit! Dann will ich noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen. Los, mach schon, ich hab’ es eilig!«
»Ich kann nicht, kann nicht«, stammelte sie heiser. »Ich kann doch wirklich nicht. Ich kann doch wirklich nicht!« Flüsternd wurde es ausgesprochen.
»Los, geh’ zur Seite! Ich will mich selbst davon überzeugen«, knurrte er gefährlich.
In diesem Augenblick kam Werner aus dem Wohnzimmer.
»Hat da nicht jemand geschellt, Anja? Ich meine, ich habe die Klingel gehört.«
Mit weichen Knien drehte sich Anja nach ihrem Mann um. Sie konnte nicht sprechen, die Stimme war gefroren. Zum Sterben elend fühlte sie sich. Jetzt erst sah Werner den Mann.
»Sie wünschen?«, fragte er verbindlich.
Fred verbeugte sich ein wenig, zauberte ein Lächeln auf seine brutalen Züge und sagte gewinnend: »Entschuldigen Sie bitte die Störung! Ich habe gerade Ihre Frau gefragt, ob sie mir sagen könne, ob hier eine Familie Meyer mit Y wohne. Leider kenne ich mich in dieser Stadt nicht aus, und man gab mir diese Adresse an.«
»Ich wüsste nicht«, sagte Werner. »Aber das Haus ist so groß, und ständig kommen und gehen die Mieter. Ich kann es Ihnen wirklich nicht sagen. Du, Anja, weißt du vielleicht, ob so eine Familie hier wohnt?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Schade«, sagte Fred. »Aber da kann man halt nichts machen. Entschuldigen Sie bitte die Störung!«
»Das macht doch nichts, mein Herr. Aber fragen Sie doch mal beim Hausmeister nach. Er muss es doch bestimmt wissen.«
»Das hätte ich auch gleich getan, aber leider traf ich ihn nicht an.«
»Ja, er ist viel unterwegs.«
Noch mal ein leichtes Lächeln, eine kleine Verbeugung, und Fred wandte sich ab, aber vorher warf er noch einen durchdringenden Blick auf die Frau.
Werner schloss die Tür. Anja rannte ins Badezimmer, setzte sich auf den Toilettendeckel und stöhnte qualvoll vor sich hin. Sie musste sich erst mal wieder beruhigen. Langsam ging es über ihre Kraft. Sie war ausgelaugt und erschöpft. Konnte ein Mensch so lange unter solcher Spannung leben?
»Ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr!«
Am liebsten hätte sie es hinausgeschrien, aber sie biss sich in die Fäuste und stöhnte. Niemand war da, der ihr helfen konnte, niemand, dem sie sich anvertrauen konnte. Sie musste die Last alleine tragen.
Wie lange sie so gesessen hatte, wusste sie nicht mehr. Vor Fred würde sie sich nie schützen können, es sei denn, sie würden weit fortziehen. Irgendwohin, wo er sie nicht finden konnte. Sie musste sich vor ihm verkriechen. Weg, fort! Das war die einzige Rettung!
Langsam ging sie ins Wohnzimmer zurück. Werner saß vor dem Fernseher, eine Flasche Bier vor sich. Sie ließ sich in den Sessel gleiten und starrte das flimmernde Bild an.
»Werner, ich möchte fort!«, sagte sie langsam.
Er sah verwundert auf.
»Heute Abend? Wohin möchtest du?«
»Nein, ich möchte ganz fort, weit fort, in eine andere Stadt. Ich hasse diese Stadt. Ich kann sie nicht mehr ertragen, sie ist schrecklich. Bitte, Werner!«
»Mädchen, du hast seltsame Bitten. Bis jetzt hast du dich hier wohlgefühlt. Warum auf einmal nicht mehr?«
»Du bist immer fort, du brauchst hier nicht zu leben. Mich macht diese Stadt ganz krank und elend.«
Betroffen blickte der Mann sie an.
»Ich habe schon gemerkt, dass du seit einiger Zeit ganz anders bist. Aber Anja, so einfach ist das nicht. Ich habe mir jetzt hier eine Existenz aufgebaut. Ein Umzug kostet sehr viel Geld, und das haben wir im Augenblick nicht. Und ich müsste auch ganz von vorn beginnen. Ich dachte, du wärst glücklich hier. Ist nicht jede Stadt im Grunde genommen egal?«
Nein, wollte sie schreien, nein, denn dort gibt es keinen Peiniger, keinen Kerl wie Fred. Doch sie schwieg. Es war alles so zwecklos. Sie kam aus diesem Teufelskreis nicht mehr heraus. Nie mehr, sie würde daran zugrunde gehen.
»Du hast recht, verzeih mir, ich dachte es nur so. Ich habe nicht an dich und deine Arbeit gedacht. Entschuldige, ich bin schon wieder still!«
»Ach, Anja, ich kann dich nicht leiden sehen. Wenn du mir nur sagen würdest, was du wirklich hast! Sind das nicht alles nur Ausflüchte? Warum hast du kein Vertrauen zu mir?«
Sie sah ihn nur stumm an. Vertrauen! Wie weit lag das zurück.
»Ich glaube, ich bin schrecklich müde, das wird es wohl sein. Letzte Zeit bin ich immer müde!«
»Du solltest wirklich zum Arzt gehen. Vielleicht brütest du eine Krankheit aus und findest deshalb alles so unausstehlich.«
»Vielleicht hast du recht«, sagte sie müde.
12
Gitta war wütend, und wenn sie wütend war, kochte sie vor Zorn und schimpfte wie ein Rohrspatz. Sie hatte eigentlich gar keinen Grund, aber sie konnte sich maßlos aufregen, wenn die Kerle nur so herumstanden und sie anglotzten und sich nicht entschließen konnten. Seher gab es immer eine ganze Menge. Sie standen im sicheren Abstand von den Mädchen entfernt und grinsten sie blöde an. Sie wollten nur mal sehen, wie so eine Verworfene aussah und weiter nichts. Konnten dann in der Stammkneipe oder bei der Arbeit damit renommieren: Mensch, habe gestern eine Nutte gesehen.
Anja war es egal. Sie stand gleichgültig, an die Laterne gelehnt und sah in den nachtblauen Himmel.
»Damit gewinnst du doch nichts. Reg’ dich doch endlich ab! Sie haben doch noch ihren Spaß daran. Mach’ es so wie Lola! Die tut so, als sähe sie die Kerle gar nicht.«
»Mann, du bist gut. Meinste, ich stehe hier umsonst. Die vermiesen einem die ganze Kundschaft. Mensch, die können mich alle kreuzweise. Besonders der Dicke da drüben. Macht sich doch bald vor Aufregung in die Hosen. Möchte bloß wissen, was die davon haben. Sollen schon endlich kommen und mir ihre Möpse geben. Hab’ es verdammt nötig. Mein Loddel hat mal wieder über die Stränge gehauen und eine Stange voll Schulden am Hals hängen. Nichts wie anschaffen die ganze Nacht, und der Kerl verschludert es. Und dabei wollten wir uns eine kleine Wohnung einrichten. Hab es satt, ewig auf dem Gammelzimmer zu hocken.«
»Warum gibst du ihm überhaupt das Geld, Gitta? Könntest doch schon reich sein.«
Das Mädchen riss die Augen auf.
»Bist du so naiv, oder was ist? Wie soll man denn ohne Loddel bestehen? Und außerdem ist er schick. Die anderen beneiden mich alle um meinen Bubi. Frag’ mal die Lola! Die hat so einen windschiefen Macker, die würd’ sich alle Finger nach meinem Eddi lecken. Aber so lange ich noch das lange Geld mache, steht er auf mich. Darum brauch’ ich doch auch die Flöhe. Gleich geh’ ich ’rüber und schrei sie an!« Die Dirne