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laut genug geworden war, wusste ich, dass mit meinen Ohren alles in Ordnung war.

      „Na endlich“, sagte ich, als ich den ersten Streifenwagen in das Fabrikgelände einschwenken sah. „Ihre Eskorte kommt“, sagte ich zu Mirja.

      Sie lachte mir ins Gesicht. Ich hatte keine Ahnung, woher sie jetzt soviel Humor nahm.

      „Sie können sie wieder nach Hause schicken, Mr. Calder“, sagte Mirja. „Was ich brauche, ist ein Leichenwagen. Er sollte ganz schlicht sein.“

      „Ein Leichenwagen“, hüstelte ich. „Sie machen vielleicht makabre Scherze. Die beiden Kratzer werden Sie nicht umbringen.“

      „Die nicht. Aber das hier“, lächelte sie.

      Sie öffnete den Mund und zeigte eine kleine Glasphiole.

      „Ich hab’ sie für alle Fälle bei mir gehabt. Als ich dort oben dann die Aussichtslosigkeit meiner Lage erkannte, nahm ich die Kapsel in den Mund. Man sagt, dass Zyankali blitzschnell wirkt.“

      „Sind Sie wahnsinnig?", schrie ich. Ich stürzte mich in panischem Schrecken auf das Mädchen. „Geben Sie das Zeug her.“

      Ich versuchte ihr den Mund aufzudrücken, doch sie hatte schon zugebissen.

      Dann ging alles sehr schnell. Sie bäumte sich wild auf, stürzte hintenüber zu Boden, wand sich in kurzen Krämpfen, brüllte uns an, dass sie nicht bereute, was sie getan hatte, erschlaffte im nächsten Augenblick und war tot.

      Ich starrte entsetzt auf das tote Mädchen. Wieder ging ein schwarzer Nieselregen vor meinen Augen nieder. Ich hörte Schritte heranlaufen und wandte mich um.

      Es waren die Cops vom Streifenwagen. Als sie uns erreichten, wimmerten zwei weitere Polizeifahrzeuge heran.

      „Alles okay?“, fragte der dickliche Bulle, der uns als erster erreicht hatte.

      Ich blickte benommen auf das Mädchen zu meinen Füßen und nickte.

      „Alles okay.“

      Dann riss für mich der Film.

      33

      Als ich die Augen wieder aufmachte, sah ich als erstes dieses grässliche spitalweiß.

      An einem kleinen Metallgalgen hing über mir eine Infusionsflasche, die halb mit einer glasklaren Flüssigkeit gefüllt war.

      Wasser, war mein erster Gedanke. Sie lassen mir Wasser in die Venen rinnen.

      Meine Augen wanderten den bernsteinfarbenen Schlauch von der Flasche abwärts bis zu der Stelle, wo man ihn mit einem breiten Pflasterstreifen an meinen Arm geklebt hatte.

      Was sollte das alles? Gab es irgend etwas, woran ich mich nicht erinnern konnte?

      Ich schloss die Augen. Ich sah Mirja Stewart sterben, sah den bulligen Cop zu uns treten, hörte ihn fragen, ob alles okay sei. Natürlich war alles okay gewesen. Wieso aber lag ich nun hier und hatte nicht die geringste Ahnung, wie ich hierhergekommen war?

      Als ich die Augen zum zweitenmal öffnete, lächelten mich drei Gesichter an.

      „Betriebsausflug, wie?“, grinste ich.

      Susan Tucker stellte eine Brustflasche voll White Label auf das weiße Nachttischchen. Charles Lenoire legte eine Stange Zigaretten dazu, und Julia Hickson brachte mir Blumen.

      „Wie geht’s, Biff?“, fragten sie mich alle drei.

      Was sollte ich ihnen darauf antworten? Ich wusste noch gar nicht, wie’s mir ging. Ich war eben erst zu mir gekommen und hatte nie das Gefühl gehabt, hier aufwachen zu müssen.

      Da bekanntlich die Augen der Spiegel der Seele sind, erkannte Susan als erste, dass mich innerlich die Neugierde allmählich zu verzehren drohte. Sie erbarmte sich meiner.

      „Du hast ganz schön was abgekriegt, Biff“, sagte sie und wies mit der Hand nach meiner Brust.

      Plötzlich begriff ich.

      Es war auf dem Getreidesilo gewesen. Ich hatte den Chinesen angeschrien, die Waffe wegzuwerfen. Er war blitzschnell herumgezuckt. Ich hatte einen harten Schlag gegen die Rippen gespürt, und von da an hatte ich dieses unregelmäßige schwarze Flimmern vor den Augen gehabt.

      Mirja Stewart hatte mir also eine Kugel in die Brust gejagt.

      „Wir mussten dich mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus fliegen“, erzählte Susan. „Du wurdest sofort operiert. Dein Leben hing an dem berühmten seidenen Faden.“

      „Warum musst du immer übertreiben, Susan? Ich fühlte mich glänzend. Ich fühle mich auch jetzt herrlich.“

      „Wie schön für dich, Biff.“

      „Ich könnte Bäume ausreißen.“

      „Irrtum, Biff. Du könntest nicht mal einen Grashalm knicken“, lächelte Susan Tucker. Ihr Lächeln gefiel mir nicht. Es wirkte, als würde sie der Prahlerei eines dummen Jungen keinen Glauben schenken.

      Also musste ich es ihr beweisen.

      Ich wollte mich ruckartig erheben. Da brach in mir die Hölle los. Hundert Teufel tanzten unter meinen Rippen, zwickten mich mit glühenden Zangen und stachen mich mit glühenden Lanzen. Kalter Schweiß brach aus meinen Poren, ließ mich vor Kälte die Zähne aufeinander schlagen und kraftlos in die Polster zurücksacken.

      „Du solltest in Zukunft mehr auf mich hören, Biff“, sagte Susan mit demselben Lächeln. „Wir Frauen sind im allgemeinen klüger als ihr Bäume Ausreißer.“

      Meine Hand tastete nach der Klingel. Drei Sekunden später erschien die weiße Haube einer Schwester.

      „Schwester“, sagte ich ächzend, „die Herrschaften möchten gehen. Und versiegeln Sie die Tür hinter ihnen. Ich will hier drinnen niemanden mehr sehen. Ich komme 'raus, sobald ich gesund bin, klar?“

      ENDE

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