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denn sie ist Claudias allergrößte Chance - und vielleicht die einzige, die sie noch hat.“

      32

      „He, Bongo, wie war’s denn eigentlich mit Heike?“, erkundigte sich Jo Dengelmann in der Stammkneipe des Vierschrötigen.

      Der von Kopf bis Fuß Tätowierte winkte missmutig ab.

      „Erinnere mich nicht daran.“

      „Warum nicht?“ Jo grinste. „Was ist passiert? War Heike nach den vielen Schnäpsen etwa immer noch nicht schön genug?“

      Bongo zog verdrossen die Mundwinkel nach unten.

      „Die vielen Schnäpse haben mir ein blamables Dilemma beschert.“

      Jo lachte. „Sag bloß.“

      „Ja“, knurrte Bongo, „und jetzt lass uns das Thema wechseln. Ich möchte das Fiasko, das ich mit Heike erlebt habe, nicht auch noch mit dir breittreten. Da hab’ ich echt null Bock drauf.“

      „Kann ich verstehen.“ Jo griente. „Hast wohl ’nen seelischen Knacks abgekriegt.“

      „Ja, wenn du’s genau wissen willst“, blaffte Bongo.

      „Mach dir nichts draus. Das kann jedem mal passieren.“

      „Mir ist es aber noch nie passiert.“

      „Hat Heike dich ausgelacht?“

      „Das hätte sie mal versuchen sollen.“ Bongo ballte die rechte Hand zur Faust. „Ich hätte ihr ...“ Er unterbrach sich. „Verdammt, hab’ ich nicht um ’nen Themenwechsel gebeten?“

      „Schon gut“, erwiderte Jo Dengelmann beschwichtigend. „Ist ja schon gut.“

      Ein doppelter Korn brachte zwischen ihnen rasch wieder alles in Ordnung.

      „Hast du Jeanette inzwischen gefunden?“, fragte Bongo.

      Jo nickte. „Sie hat sich einen greisen Märchenprinzen angelacht.“

      „Wen?“

      „Martin Kant.“

      Bongo staunte. „Ist nicht wahr!“

      „Sie hat es mir selbst gesagt.“

      Bongo pfiff durch die Zähne.

      „Sie wird sein altes Herz wieder jung machen.“

      Jo wiegte den Kopf. „Fragt sich nur, wie lange sein Herz diese Belastung aushält. Junge Mädchen sind Gift für alte Männer - wenn diese es auch nicht wahrhaben wollen.“

      Bongo leckte sich die Lippen.

      „Kant hat mehr Zaster, als wir alle, die wir hier sind, jemals auf einem Haufen gesehen haben oder sehen werden.“

      Jo Dengelmann lächelte.

      „Wenn Jeanette es geschickt anstellt, fällt ihr in absehbarer Zeit sein gesamtes Vermögen in den Schoß.“

      Bongo stieß den Freund mit dem Ellenbogen an.

      „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass Kant sie zur Frau nimmt.“

      „Das kommt ganz darauf an, wie klug sie ihre Karten ausspielt.“

      „Kant ist zwar nicht mehr der Jüngste, aber er hat noch alle fünf Sinne beisammen.“

      „Die ihm ein Mädchen wie Jeanette ganz schön verwirren kann“, gab Jo mit erhobenem Zeigefinger zu bedenken.

      33

      Peter Werding betrat einen düsteren Hinterhof. In einer Ecke drehte sich der Wind, und Staub, welkes Laub und ein Fetzen Papier machten sein Tänzchen mit. Aus einem der offenen Fenster erschallte die letzte Scheibe von Claudia Jung, aus einem anderen ein Ohrwurm von Andy Borg. Darunter mischte sich verzweifeltes Babygeschrei und der giftige Streit eines Ehepaars. Er hielt ihr vor, dass sie nicht sparen könne. Sie hielt ihm vor, dass er alles Geld ins Wirtshaus trage. Hört sich an wie eine Ehe, die im Himmel geschlossen wurde und nun in der Hölle gelebt wird, dachte Peter. Schade.

      Er blickte sich um. Graue Mauern ragten ringsherum hoch. Über ihm befand sich ein kleines blaues Himmelsquadrat. War er hier richtig? Er rief sich ins Gedächtnis, was Claudias Großeltern gesagt hatten.

      „Da gibt es so eine ...“, hatte Ludwig Brauneder erzählt.

      „Eine, die mit Männern für Geld ... Sie wissen schon ...“, hatte Barbara Brauneder ergänzt.

      „Ohne dass die Behörden davon Kenntnis haben“, hatte ihr Mann gesagt. „Zu der fühlte sich Liane unheimlich stark hingezogen. Das war eine Zeitlang ihre allerbeste Freundin. Von der hat sie sehr viel Schlechtes gelernt.“

      „Für Schlechtigkeiten war sie ja immer sofort zu haben“, hatte Barbara Brauneder bitter erklärt. „Ich bin froh, dass ich nicht weiß, was die beiden alles angestellt haben.“

      „Wie ist der Name dieser Freundin?“, hatte Peter Werding wissen wollen.

      „Sandra Ahrendt“, hatte Ludwig Brauneder geantwortet.

      „Und wo wohnt sie?“

      „Irgendwo in Bogenhausen.“

      Und hier war er nun - in Bogenhausen. Er hatte Sandra Ahrendts Adresse im Telefonbuch gefunden, und er hoffte, sie zu Hause anzutreffen. Rasch durchmaß er den Hinterhof und betrat ein schäbiges Gebäude. Fünf abgetretene Stufen führten zu einer zerkratzten dunkelbraunen Tür hinauf, an der S. Ahrendt stand. Er läutete. Keine Reaktion. Er läutete noch einmal.

      „Ja!“ Eine unfreundliche Frauenstimme. Die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet. Peter sah das zerzauste rote Haar und das grell geschminkte Gesicht eines halbnackten Mädchens.

      „Was gibt’s?“, fragte sie.

      „Sandra Ahrendt?“

      „Ja.“

      „Kann ich ...“

      „Komm in einer halben Stunde wieder“, fiel sie ihm energisch ins Wort, „dann habe ich Zeit für dich, Kleiner. Im Moment bin ich besetzt.“

      Sie schlug ihm die Tür vor der Nase zu, und er ging eine halbe Stunde spazieren. Ziellos lief er durch Bogenhausen, während Sandra Ahrendt - wie er annahm - inzwischen ihrem illegalen Gewerbe nachging.

      Die Zeit wollte nicht vergehen. Es waren die längsten dreißig Minuten seines Lebens. Als sie endlich um waren, kehrte er zu Sandra Ahrendt zurück. Das Ehepaar hatte aufgehört, sich zu streiten. Das Baby schrie nicht mehr. Und auch die Musik schwieg.

      Peter läutete wieder an Sandra Ahrendts Tür. Diesmal war sie freundlicher. Und frisiert. Und angezogen.

      „Hallo, schöner Mann“, begrüßte sie ihn gurrend, als hätte sie sich soeben in ihn verliebt. „Komm rein! Was kann ich dir antun?“

      Peter schenkte ihr reinen Wein ein. Er sagte ihr, dass er ihre Dienste zwar in Anspruch nehmen wolle, aber nicht so, wie die Männer, die sie empfing, dies normalerweise taten. Sie verstand ihn falsch.

      „Oh“, sagte sie. „Du bist ein bisschen ‘aus der Reihe’ veranlagt. Na ja, wenn deine Wunschvorstellungen sich in erträglichen Grenzen halten, mache ich trotzdem mit. Kostet selbstverständlich extra. Ist ja klar.“

      Peter schüttelte den Kopf.

      „Ich möchte lediglich eine Auskunft von dir.“

      „Eine Auskunft? Von mir? He, was glaubst du, was ich bin? Ein Auskunftsbüro?“

      „Ich bin gerne bereit, für eine gute Antwort zu bezahlen.“ Ludwig Brauneder hatte Peter Werding ein nach oben hin offenes Spesenkonto eingerichtet. Was immer es kostete, Liane Meeles zu finden und dazu zu bringen, ihrer Schwester

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