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      „Niemand, der Boris Reitmann etwas wegnimmt, hat eine Zukunft.“

      „Denk an das Videoband!“

      „Was nützt es mir, wenn ich tot bin?“

      „Du hast einen Mann zu Tode geliebt, das ist auf dem Band ganz genau zu sehen. Die Polizei fragt sich noch immer, wie er in eines der Hamburger Hafenbecken gelangt ist.“

      Jeanette kochte vor Wut.

      „Hörst du nicht, was ich sage?“ Ihre Stimme klang laut und aggressiv. „Wenn Boris Reitmann mich umgebracht hat, brauche ich mir um die Polizei keine Sorgen mehr zu machen, denn dann kann sie mir sowieso nichts mehr anhaben.“

      „Der gute Boris wird dir kein Haar krümmen.“

      „Das kannst du mir nicht garantieren.“

      „Sieh mal, Jeanette, du willst genauso raus aus dem Dreck wie ich.“

      Sie hob den Kopf und reckte ihr Kinn vor.

      „Ich bin bereits draußen.“

      Er lachte. „Das glaubst du, aber das ist ein Irrtum. Du bist erst draußen, wenn ich dich freigebe. Und das wird erst der Fall sein, wenn du mir geholfen hast.“

      „Was befindet sich in Reitmanns Safe?“

      „Diamanten im Wert von eins Komma drei Millionen Mark.“

      „Jetzt möchte ich doch einen Drink haben.“

      Jo Dengelmann brachte ihr ein zwei Finger hoch gefülltes Glas. Er setzte sich zu ihr. Sie trank einen großen Schluck. Ihre Hand zitterte.

      Boris Reitmann so großen Schaden zuzufügen, war blanker Irrsinn. Er würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um sein Eigentum wiederzubekommen, und er würde jene, die es gewagt hatten, sich an seinem Eigentum zu vergreifen, so grausam bestrafen, dass sie sich wünschten, nie geboren worden zu sein.

      Jo legte die Hand auf ihr Knie.

      „Wer ist der Kerl, mit dem du jetzt zusammen bist?“, fragte er. Sie rutschte zur Seite, wollte von ihm nicht mehr berührt werden. „Du kannst es mir getrost sagen.“ Er lächelte. „Wenn ich will, kann ich es jederzeit herausfinden.“

      „Er heißt Martin Kant.“

      Jo wiegte beeindruckt den Kopf.

      „Hat Geld wie Heu, der Knabe. Donnerwetter, da ist dir ja ein wahrer Goldfisch ins Netz gegangen.“

      „Er ist verrückt nach mir.“

      „Weiß er von deiner Vergangenheit?“

      „Nicht alles, aber sehr viel.“

      „Und das stört ihn nicht?“

      „Er betet mich an.“ Die junge Frau konnte sich ein selbstgefälliges Lächeln nicht verkneifen.

      Jo lachte schmutzig.

      „Wahrscheinlich hat den alten Knacker noch keine Frau glücklicher gemacht.“

      „Das wird es wohl sein.“

      „Gratuliere. Du verstehst dein Handwerk.“

      „Solange Martin mich ganz für sich allein hat, kann ich von ihm haben, was ich will.“

      „Mit einem Wort, er frisst dir aus der Hand.“

      „Aber nur, solange ich ihm allein gehöre.“

      „Ich würde an deiner Stelle auf eine Heirat hinarbeiten.“

      „Wir werden sehen.“ Sie zuckte mit den Schultern. Es war noch verfrüht, an eine Heirat mit Martin Kant zu denken, aber eine schlechte Idee war das nicht. Deshalb hatte sie auch selbst schon mal daran gedacht. Aber sie musste dieses Werk mit größtmöglicher Behutsamkeit angehen, wenn es gelingen sollte, und sie durfte Martin niemals alles geben, damit er nicht das Interesse an ihr verlor.

      Sie sah Jo Dengelmann an und fragte: „Woher sind die Diamanten, die in Reitmanns Safe liegen?“

      „Er hat sie selbstverständlich unrechtmäßig erworben. In meinen Augen ist es kein Verbrechen, einen Verbrecher zu bestehlen. Ich nehme ihm bloß weg, was ihm ohnedies nicht gehört.“

      „Und wie willst du das anstellen?“

      „Er ist scharf auf dich.“

      „Auf mich?“ Sie staunte. „Woher kennt er mich?“

      „Du bist ihm in irgendeinem Lokal angenehm aufgefallen.“

      „Woher weißt du das?“

      „Er war im Gefängnis, hat einen seiner Männer besucht, hat ihm im Verlauf der Unterhaltung von dir erzählt. Er wusste sogar deinen Namen. Als sein Freund später mit mir darüber sprach, reifte in mir ein Plan: Er will dich haben. Er soll dich kriegen. Er trägt den Safeschlüssel Tag und Nacht um seinen Hals. Du schläfst ihn müde, machst einen Abdruck von dem Schlüssel, während er pennt und alles Weitere ist dann meine Sache.“

      Jeanette trank einen Schluck.

      „Klingt verdammt einfach.“

      „Es ist verdammt einfach.“

      „Angenommen, es gelingt dir, die Diamanten zu stehlen ... Wem willst du sie verkaufen? Jeder Hehler würde Reitmann sofort informieren.“

      „Jeder Hehler in Hamburg.“ Jo Dengelmann grinste pfiffig. „Deshalb werde ich die Steine auch nicht hier anbieten, sondern in Rotterdam. Ich hab’ da eine sehr gute Adresse.“

      Jeanette fragte mit trockener Kehle: „Wann müsste ich mit Reitmann ...“

      „Er hält sich zur Zeit in Florenz auf“, erklärte Jo Dengelmann.

      „Sobald er zurückkommt, läufst du ihm über den Weg. Wenn du nicht möchtest, dass ich dich bei Martin Kant anrufe, meldest du dich von nun an zweimal täglich bei mir. Alles klar?“

      „Wenn ich dir den Schlüsselabdruck bringe, kriege ich dann das Band?“

      Jo hob die Hand wie zum Schwur und antwortete grinsend: „Ehrensache.“

      27

      Dr. Härtling sah nach Claudia Meeles. Obwohl sie schlecht aussah, hatte er die Zuversicht noch nicht aufgegeben, sie retten zu können. Es gab immer wieder Wunder ... Solange diese junge Patientin noch atmete, solange ihr Herz noch schlug, solange sie nicht ihren letzten Seufzer tat und für immer die Augen schloss, würde er die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich doch noch alles für sie zum Guten wendete. Es war ihm und seinen Kollegen gelungen, das rapide Fortschreiten der Krankheit zu hemmen. Nicht zu stoppen, aber doch merklich zu verlangsamen, und das musste in ihrem Fall schon als Erfolg gewertet werden.

      Claudia war allein. Niemand war bei ihr. Sie lag mit offenen Augen da und atmete rasselnd. Wenn sie nicht bald jenes Knochenmark bekam, das sie vertrug, würde ihr Leben erlöschen wie eine niederbrennende Kerze, aber daran wollte der Chefarzt der Paracelsus-Klinik im Moment noch nicht denken.

      Während er ihren Puls fühlte, fragte er: „Wo ist denn Peter Werding heute?“

      „Er wird mich nicht mehr besuchen.“ Ihre Stimme klang so leise, dass sie kaum zu verstehen war.

      Sören Härtling sah sie überrascht an. „Warum nicht?“

      „Ich habe ihn darum gebeten.“

      „Sie haben - was getan?“ Sörens Augen weiteten sich. „Warum, um alles in der Welt ...“

      „Ich möchte nicht, dass er sieht, was mit mir passiert“, flüsterte das bleiche Mädchen. „Er ist mein Freund. Ich liebe ihn. Aber ich will ihn nicht als Sterbebegleiter.“

      „Claudia ...“

      „Machen wir

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