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sich Lene ausführlich mit Stumms Schwester Ulrike unterhalten. „Durch Alexanders Tod war viel in der Stummschen Planung durcheinandergeraten. Alexander hätte von seinem Vater Elmar die Hälfte des Stummschen Vermögens erben sollen. Die andere Hälfte geht an mich. Aber Liane damals und Meike jetzt haben keine Lust, die Leitung der Stumm & Söhne KG zu übernehmen. Aber eben das ist die größte Sorge meines Vaters: Wer hält das Unternehmen nach seinem Tod zusammen?“

      „Sie haben kein Interesse?“

      „Nein. Vom Geschäft und der Feinmechanik verstehe ich auch nichts. Ich kann Geld stil- und würdevoll ausgeben, aber nicht verdienen.“

      „Aber die Hälfte von Stumm & Söhne gehört doch Ihnen – oder?“

      „Ja. Das ist bereits testamentarisch geregelt. An ihrem 33. Geburtstag erhält die Tochter von Liane Grote und Alexander Stumm meine Hälfte des Stummschen Vermögens.“

      Lene hatte sich über die eigenartige Formulierung gewundert, sie notiert und das Blatt in der Akte abgelegt. Der Zettel musste noch in der Mordakte „Alexander Stumm“ abgeheftet sein.

      „Und wer führt nun die Firma weiter?“ So ein ähnliches Problem hatten sie mit dem Unternehmen ihres Vaters gehabt, das der Sohn und Bruder erfolgreich weiterführte und seine Schwester am Gewinn beteiligte.

      Ulrike Stumm war etwas rot geworden und hatte gekichert: „An der Lösung arbeiten wir noch.“

      „Wie meinen Sie das?“

      „Mein Bruder hatte einen erfolgreichen Schulfreund, Markus Demel, der die Geschäftsführung übernehmen könnte. Tüchtig ist er, er hat nur einen Fehler.“

      Lene sah Rike Stumm groß an.

      „Markus stammt aus kleinen Verhältnissen und hat sich hochgearbeitet. Nach dem Abitur hat er sich sehr um mich bemüht; wer weiß, was daraus geworden wäre, wenn mein Vater nicht eingegriffen hätte: ‚So ein Hungerleider und Erbschleicher kommt mir nicht in meine Familie.‘ Mein Vater verachtet Markus immer noch, und Liane und ich arbeiten ausdauernd daran, seine Meinung in diesem Punkt zu ändern.“

      Auch das hatte sich Lene ausführlich notiert. Zwar schien es auf der Hand zu liegen, dass Meikes Entführer den Lösegeldüberbringer aus welchen Gründen auch immer erschossen hatte, aber nach Lenes Erfahrung war eine anscheinend logische oder konsequente Erklärung nicht immer die richtige.

      Jahre später, als Großvater Elmar Stumm seine Meinung geändert und Markus Demel die Geschäftsführung von Stumm & Söhne übernommen hatte, war Markus Demel in die Villa der inzwischen verstorbenen Ulrike Stumm gezogen. Lene hatte sich mit Ulrike Stumm sehr gut verstanden und war einmal zu einem Sommerfest in ihre Villa am Kappenberg eingeladen worden. Das war mehr als eine protzige Villa, das war schon ein modernes Anwesen, für das eine Putzhilfe und eine Köchin nicht ausreichten, dafür brauchte man wie zu Kaisers Zeiten Personal, das unter dem Dach wohnte. Allein der Garten beschäftigte eine halbe Kompanie Gärtner und zum wöchentlichen Reinigen des Swimmingpools rückte eine Firma aus Guntersburg an. Lene hatte sich nie ein Haus gewünscht, sie wusste aus ihrem Elternhaus, wie viel Geld und Zeit man dafür aufwenden musste. Das Geld hätte vielleicht keine Rolle gespielt, aber die Zeit fehlte, seit sie von der Schutz- zur Kriminalpolizei gewechselt war. Leise vor sich hin pfeifend marschierte sie an der Villa vorbei und erkannte im letzten Moment die Besucherin, die eifrig klingelte. Ob der Mann, der ihr schließlich öffnete, Markus Demel war? Sie küssten sich heiß und ausdauernd: Eine Miteigentümerin der Firma besuchte offenbar nicht nur den Geschäftsführer; Lene grinste und ging weiter. Als sie im R – 11 anfing, hieß die Erste Hauptkommissarin Caroline Heynen, und Caro strapazierte einen Lieblingsspruch: „Bei dem ersten Blick kann jeder irren, deswegen schaut eine gute Ermittlerin immer zweimal hin.“ Mit einem anderen Spruch nervte sie ihr Team regelrecht: „Was du heute kannst besorgen, verschiebe nicht auf morgen.“

      Aber nicht mehr heute.

      Am nächsten Morgen ergänzte Lene die Akte um alles, was sie gestern erfahren hatte, und dachte wieder an Caro Heynen: „Auch der beste Ermittler bleibt nicht von Krankheiten oder Unfällen verschont: Warum sollen die Kollegen dann wieder bei Null anfangen?“

      Sie schnappte sich Mia und verschwieg ihr, dass ihre Hauptaufgabe darin bestehen würde, auf ihre Chefin zu warten. „Wir müssen in die Parkallee 29 zu Uwe Sobiok.“ Mia fuhr gerne Auto und fuhr auch gut.

      Fünftes Kapitel

      Parkallee 29 war zu einer Zeit erbaut worden, als man sich in Tellheim noch Grundstücke leisten konnte. Der Marmor in der Halle war echt, der Aufzug groß genug für zehn Personen, Uwe Sobiok stand in der offenen Wohnungstür und kraulte seinen prächtigen, schwarzen Vollbart: „Sagen Sie nichts, Sie sind die Hauptkommissarin Marlene Schelm und kommen wegen der nun doch lebendigen Meike Stumm.“

      „Ja. Woher wissen Sie das, Herr Sobiok?“

      „Anneliese Schlüter hat mich angerufen.“

      „Sie haben also Meike Stumm gekannt?“

      „Natürlich. Sie hat sich rührend um meine Anni gekümmert und das Tier jeden Tag bewegt, und dafür gesorgt, dass während ihrer Ferien einer vom Schlüterhof das gegen Bezahlung erledigt.“

      „Herr Sobiok, Sie haben Meike Stumm angeboten, sich an Sie zu wenden, wenn sie mal Sorgen oder Nöte hätte. Hat Meike Sie deswegen an dem Tag angerufen, als sie entführt wurde?“

      Sobiok lachte leise. „Frau Schelm, ich will ihnen alle meine Geheimnisse verraten, aber das würde – wenn der Morgenblick noch rechnen kann – jetzt vierzehn Jahre zurückliegen. Da kann ich nur ehrlich sagen, ich weiß es nicht mehr.“

      „Schade; ich hätte aber noch zwei weitere Fragen an Sie. Kennen Sie die Personen auf diesen beiden Phantombildern?“

      Sobiok schrak sichtlich zusammen und zerrte an seinem gepflegten Vollbart. „Das ist doch mein Bruder Malte – oder?“

      „Möglich, wir kennen den Namen und die Anschrift des jungen Mannes nicht, würden aber gerne mit ihm sprechen.

      „Er wohnt in Wedel, Lorenzstraße 48.“

      „Erkennen Sie auch die Frau?“

      Er stöhnte auf: „Sylvia. Eine schreckliche Jugendtorheit, Frau Kommissar.“

      „Wissen Sie, wo ich sie heute finde?“

      „Nein, tut mir leid, wir haben uns schon vor Jahren getrennt und wohin sie dann gezogen ist, weiß ich nicht.“

      „Verraten Sie mir noch Ihren Namen?“

      „Sylvia Köhler.“

      „Diese Sylvia kennt Ihren Bruder Malte?“

      „Natürlich. Es tut mir leid, Frau Schelm, aber ich muss jetzt unbedingt fort.“

      Lene war verblüfft, dass er es plötzlich so eilig hatte, ließ sich aber nichts anmerken.

      „Sie sind mich schon los, Herr Sobiok. Vielen Dank für Ihre Hilfe.“

      Von Sobioks Wohnungstür lief sie eine Treppe hoch und telefonierte oben mit Mia.“

      „Mia, da kommt gleich ein Mann mit einem wunderschönen dunklen Vollbart aus dem Haus gelaufen. Wenn er mit seinem Auto losfährt – hinterher. Nicht eingreifen, ich brauche nur das Kennzeichen und die Adressen, bei denen er anhält. Alles klar?“

      „Geht in Ordnung, Chefin.“

      Eine Viertelstunde später verließ Lene das Haus Parkallee 29 und bummelte zum Rendel-Park. Es war sonnig und warm, sie setzte sich auf eine schattige Bank und notierte ihr Gespräch mit Uwe Sobiok. So ein gepflegter, dunkler Vollbart war doch was Schönes, besonders für einen Polizisten, der den Bartträger verfolgen sollte.

      Eine halbe Stunde später rief Mia an. „Chefin, er hat seinen Wagen in der Auerstraße geparkt und ist in das Bürohaus Nummer 22 gegangen. Vorher war er immer nur für Minuten in der Löbelstraße 55 und der Karanderstraße 24.“

      „Sehr

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