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      Freed packte Orlandos Arm. Grob stieß er den Mafioso aus dem Raum.

      „Mr. Taccani!“, schnarrte die Lautsprecherstimme. „Mr. Taccani! Stimmt etwas nicht?“

      Orlando klammerte sich am Treppengeländer fest. Freed stieß ihn vor sich her die Stufen hinunter, prügelte ihn dann durch den Gang zur hinteren Tür. Er öffnete die Hoftür und schob Orlando hindurch. Aufatmend ließ er die Tür zufallen.

      „Hören Sie, Freed, Sie können mich doch nicht so einfach entführen!“ Freed stieß ein heiseres Knurren aus, als er den Gangster mit der Schulter gegen die Hausmauer rammte. Er legte ihm einen Unterarm über die Kehle und drückte zu.

      „Ich bin kein G-man mehr, jedenfalls bin ich vorübergehend keiner, verstehst du, Augie?“

      „Was wollen Sie denn?“, jammerte der Mann, der kaltblütig mehr als einen Menschen getötet, zahlreiche verletzt und unzählige auf andere Weise gequält hatte.

      „Du weißt es genau, Augie!“

      „Ich habe keine Ahnung!“

      „Ihr habt meinen kleinen Sohn gekidnappt! Und ich schlage jeden von euch tot, wenn dem Jungen auch nur ein Haar gekrümmt wird. Mit dir fange ich an, Augie!“ Freed hob die Hand mit dem Revolver.

      „Nein, Freed, um Gottes willen, hören Sie auf! Ich habe keine Ahnung. Ich habe damit nichts zu tun, glauben Sie mir!“

      Der Kolben des Smith & Wesson schwebte drohend über Orlandos Schädel. Freed atmete schwer. Der Druck hinter seinen Augen wurde fast unerträglich.

      „Wer, Augie?“, fragte er flach.

      „Ich weiß es nicht, ich habe keine Ahnung ...“

      Freed spürte, wie der Gangster zitterte. Orlando hatte tatsächlich keine Ahnung von der Entführung, das begriff der G-man schlagartig. Nun gut, es spielte keine Rolle, er hatte schließlich nicht mit einem sofortigen Volltreffer gerechnet. Orlando bekleidete vermutlich den Rang eines Leutnants. Er befehligte eine Horde von Hitmen und Kassierern in diesem Bezirk.

      „Wer, Augie?“, wiederholte Freed. Er lauschte mit einem Ohr ins Haus hinein. Orlando musste ihn zum nächsthöheren Mann in der Hierarchie führen. Und er würde es tun, weil er Angst hatte. Er war eine mordgierige Bestie, aber er war auch ein Feigling, wenn es um seine eigene Haut ging.

      „Vielleicht der Don?“, vermutete Orlando.

      „Weißt du, wo der Don steckt? Oder kannst du mich zu ihm bringen?“

      „Nein“, antwortete Orlando mit allen Anzeichen des Entsetzens.

      „Wer ist dein Boss?“

      „Carlos Terruzzi.“

      Freed hätte beinahe losgebrüllt vor Erleichterung. Terruzzi war der zweite Mann nach dem Don. Terruzzi würde ihn zum Don bringen müssen.

      „Bring mich zu ihm!“ befahl er, dann trieb er den Gangster vor sich her über den dunklen Hof. Mit einem der Schlüssel, die er dem toten Taccani abgenommen hatte, öffnete er die eiserne Pforte in der Mauer. Sekunden später saßen er und Orlando im Plymouth. Augie Orlando hockte hinter dem Lenkrad. Aus blutunterlaufenen Augen sah er den G-man an. Freed stieß ihm den Lauf des Revolvers in die Seite.

      „Fahr los“, sagte er.

      Über den Bergen im Osten zeigte der Himmel das erste blasse Grau des beginnenden Tages.

      20

      Die zweimotorige Beechcraft Baron setzte glatt auf der Piste des Hawthorne Municipal Airport auf, nachdem der Pilot eine weite Schleife geflogen war. Roberto Tardelli hatte das Meer sehen können, das sich glatt und graublau in der Morgendämmerung ausbreitete.

      Die Maschine rollte auf das Abfertigungsgebäude des kleinen Gemeindeflugplatzes zu. Der Pilot wechselte die üblichen Informationen mit dem Tower aus, und nachdem er seinen Standplatz zugewiesen bekommen hatte, schaltete er das Funkgerät ab.

      Der Pilot drehte sich zu seinem Passagier um. „Zufrieden, Hombre?“, erkundigte er sich zweifelnd. „Wir sind in Los Angeles.“

      Roberto reckte die steifgewordenen Schultern.

      Der Pilot öffnete die Kabinentür, und Roberto stieg auf die rechte Tragfläche. Er zerrte den Koffer heraus, dann sprang er. Der Pilot warf ihm das Gepäckstück nach.

      „Sind Sie sicher, dass Sie nach LA wollen, Hombre?“, rief der Pilot.

      Roberto nickte nur. Erst nach dem Start hatte er dem Piloten das eigentliche Flugziel genannt, nachdem er bereits den Flugpreis nach Mexico entrichtet hatte – mit dem entsprechenden Risikozuschlag, den er dem Piloten jedoch überließ.

      „Danke, Amigo“, sagte er. Er schritt über das Vorfeld auf die barackenartigen Gebäude zu. Es wurde langsam hell. An der Rampe der Frachthalle standen mehrere Lastwagen, einige Kühlwagen waren auch dabei. Die Cafeteria war geöffnet. An der Theke drängten sich einige Taxifahrer, die Piloten der Frachtmaschinen und die Fahrer der Lieferwagen, deren Fahrzeuge gerade be- oder entladen wurden.

      Roberto stellte sich in die Reihe und nahm ein Tablett. Während er seinen Koffer mit dem Fuß vor sich herschob, lud er ein Glas Orangensaft, ein paar Scheiben Toast und ein Steak auf das Tablett. Es war wenig sinnvoll, sich mit knurrendem Magen in einen Kampf zu stürzen.

      Als er fertig war, suchte er eine Handvoll Kleingeld zusammen. Im Gang zur Toilette befanden sich mehrere Telefonautomaten. Zuerst wählte er Freeds Nummer. Wieder hörte er das leise Knacken, noch ehe das Rufzeichen ertönte.

      Doch auch dieses Mal meldete sich der G-man nicht. Roberto drückte die Gabel nieder, ließ sie gleich wieder hochkommen und stopfte den Apparat mit Münzen voll. Er wählte eine Nummer in Washington.

      Er bekam Colonel Myer von COUNTER CRIME sofort an den Apparat. Mit knappen Worten berichtete er, was seit dem Ausritt am vergangenen Morgen geschehen war. Colonel Myer hörte seinem jungen Agenten zu, ohne ihn zu unterbrechen.

      Erst als Roberto geendet hatte, sagte er mit leisem Vorwurf in der Stimme: „Ich habe mir schon Sorgen gemacht, Roberto. Ich habe von der Schießerei gehört. Und bei der Überprüfung der Gästeliste ist eine Person durchs Sieb gefallen.“

      Was bedeutete, dass die Mafia einen Mann auf der Green Valley Ranch hatte.

      Oder eine Frau.

      „Diese Eileen Hamilton ist nicht echt“, sagte Colonel Myer. „Die echte Miss Hamilton hält sich seit einer Woche in New York auf. Sie wurde von ihrer Firma zu einem Lehrgang geschickt.“

      Eileen Hamilton. Roberto sah wieder den nackten glatten Rücken vor sich, von dem das Wasser perlte. Die Haut war so samtig braun ... „Kann es nicht sein ...“

      „Sie befindet sich auf einer Tagung von Marketing-Experten ihres Konzerns. Man kennt sie dort. Roberto, das Girl in Arizona war unecht.“

      „War?“

      „Sie hat die Ranch unmittelbar nach Ihnen verlassen, Roberto. Vermutlich hat sie einen Peilsender unter Ihren Wagen geklebt und befindet sich jetzt ganz in Ihrer Nähe.“ Unwillkürlich sah Roberto aus dem Fenster über das Flugfeld. Die Beechcraft holperte zu den Tanksäulen. Eine alte, plump aussehende Frachtmaschine rollte über die Startbahn.

      „Ist sie nicht“, behauptete Roberto. Die Spur endete für die angebliche Eileen Hamilton zunächst einmal in Xavier, spätestens in Tucson.

      Doch dann runzelte er die Stirn. Vielleicht wusste sie schon vorher, welchen Weg er einschlagen würde. Er, Roberto Tardelli, lief an einem unsichtbaren Draht wie eine Marionette.

      „Ich sehe, Sie kommen selbst drauf“, sagte Colonel Myer. „Seien Sie vorsichtig, Roberto“, warnte er dann. „Wenn Sie meinen Rat hören wollen, verschwinden Sie sofort wieder aus LA.“

      „Nein ...“

      „Was versprechen Sie sich davon, wenn Sie

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