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Hier in der unmittelbaren Grenznähe kannte man die Sprache der anderen Flussseite.

      Der Druck in seinem Rücken verschwand endlich. Der Gendarm trat vor ihn. Er war groß und breit, aber übermäßig intelligent sah er nicht aus.

      Der Kreis um den Weißen schob sich wie eine Mauer zusammen. Die Barmädchen mussten auf Tische steigen, um Cutler sehen zu können. Neben einer gutgewachsenen Mexikanerin mit langen schwarzen Locken und großen Mandelaugen tauchte eine weißblonde Amerikanerin auf. Sie war von magerer Gestalt und hatte selbst im diffusen Licht noch erkennbare Falten im Gesicht und am Hals. Die anderen Mädchen schienen wesentlich jünger zu sein.

      Der Kreis wurde an einer Stelle auseinandergeschoben. Zuerst tauchte ein alter, weißhaariger Mann im dunklen Cordanzug auf, dann schleppten zwei jüngere Männer den Verletzten herein. Blut lief über den Arm des Mannes. Er wurde auf einen Stuhl gesetzt und festgehalten, als würde er ohne Stütze herunterfallen, was sicherlich nicht der Fall sein konnte, weil er nur eine leichte Streifschusswunde hatte.

      »Ich habe nicht angefangen«, sagte Cutler noch einmal. »Die eröffneten einfach das Feuer auf mich!«

      Sie blickten ihn alle an und schwiegen. Auch der weißhaarige Mann sagte nichts.

      »Es sind Posträuber«, setzte Cutler hinzu. »Was sie hier an Dollars ausgeben, stammt aus Raubzügen!«

      Sie reagierten auch darauf nicht. Vielleicht war es ihnen gleichgültig, woher das Geld stammte, das hierher getragen wurde.

      »Wer sind Sie?«, fragte der Alkalde schließlich. »Ein Sheriff aus Texas?«

      »Oder ein Texas Ranger?«, setzte der Gendarm hinzu.

      »Wenn Sie ein Sheriff oder ein Texas Ranger sind, dann sagen Sie es gleich. Wir werden Sie dann in die Hauptstadt überstellen und den Fall dem Außenministerium übergeben.«

      »Ich bin kein Sheriff und kein Texas Ranger.«

      »Also sind Sie ohne Auftrag hier?«, fragte der Alkalde.

      »So ist es.«

      »Ein Kopfgeldjäger!«, stieß einer der Begleiter des Verletzten hervor.

      Sie schienen gewusst zu haben, zu welcher Sorte von Besuchern Warrior und seine Begleiter gehörten. Ein Indiz mehr für die Annahme, dass ihrer Meinung nach Geld grundsätzlich nicht stank.

      Blut tropfte indessen von den Fingern des Verletzten auf den Boden. Der Mann jammerte leise vor sich hin. Bisher dachte niemand daran, ihn zu verbinden. Er wirkte ein bisschen wie zur Schau gestellt, sozusagen wie das Alibi für das Tun der Leute.

      »Die Gringos wären mindestens noch einen Tag geblieben«, sagte das weißblonde, langsam alternde Mädchen auf dem Tisch.

      »Da hättet ihr ihnen noch allerhand aus den Taschen gezogen, was?« Cutler lächelte verächtlich.

      »Du sagst es, Amigo!« Die Mundwinkel im Faltengesicht des Mädchens bogen sich nach unten. »Wir alle leben doch von den Fremden, die über den Fluss kommen und hier unbedingt was erleben wollen, bevor sie weiterreiten oder umkehren.«

      »Ich würde mich nicht einmischen, Stella!«, schimpfte das andere Mädchen. »Es ist eine Männerangelegenheit.«

      »Ich wollte ihm doch nur ein bisschen auf die Sprünge helfen. Er sieht so unwissend aus.«

      Die Mädchen kicherten, was der heiklen Sache einen komischen Aspekt verlieh, sie jedoch keineswegs weniger gefährlich machte. Wenn Stella die Lage richtig einschätzte, ging es vordringlich um verloren gegangenen Profit und viel weniger um die Schusswunde, die man ihm vorführte.

      »Wenn Sie wirklich keinen gesetzlichen Auftrag haben, müssen wir Sie natürlich nicht dem Außenministerium überstellen«, sagte der Alkalde endlich. »Dann können wir selbst beurteilen, welches Maß an Sühne angemessen wäre.«

      »Aber wir müssen uns davon überzeugen«, wandte der Gendarm ein. »Haltet ihn fest!«

      Cutler wurde an den Armen gepackt. Sie zogen ihm die Hände mit Gewalt auf den Rücken und durchsuchten ihn rasch so gründlich, dass nichts verborgen blieb. Alle seine Habseligkeiten und die zwanzig Dollars, die er bei sich trug, landeten auf einem Tisch und wurden vom Gendarm sorgsam sortiert.

      Vor allem das wenige Geld schien schuld zu sein, dass sich die Gesichter nicht aufhellten.

      »Wir könnten uns durchaus eine materielle Lösung vorstellen.« Der weißhaarige Mann hüstelte. »Allerdings ...« Er brach ab und blickte schulterzuckend auf den Tisch.

      »Einen Stern oder ein Schild der Texas Ranger besitzt er nicht«, stellte der Gendarm überflüssigerweise fest.

      »Und arm wie ’ne Kirchenmaus ist er auch noch!« Stella lachte ironisch.

      »Vielleicht hat er drüben Verwandte, die ihm unter die Arme greifen könnten«, wandte ein Mann in der Runde ein.

      Fragend blickten die Leute auf Cutler.

      »Wer sind Sie eigentlich?«, fragte Cutler den alten Mann.

      »Der Alkalde, Senor. Entschuldigen Sie, dass ich mich bisher nicht für Ihren Namen interessierte. Wir kommen darauf zurück, wenn eine Gerichtsverhandlung angesetzt werden muss.«

      Der Alkalde erschien Cutler sehr bemüht, möglichst gedrechselt zu reden, sicher, um sich aus der Masse herauszuheben.

      Ein weiterer Mann betrat die Bodega und meldete, dass er Cutlers Pferd eingefangen und draußen angebunden hatte.

      »Wir müssten ihm eigentlich noch die Stiefel ausziehen«, sinnierte der Gendarm.

      »Wozu das?« Die Stirn des Alkalden umwölkte sich.

      »Na ja, er könnte seinen Stern auch irgendwo versteckt haben, Don Estaban.«

      »Unsinn!« Der Weißhaarige wischte die Bemerkung aus der Luft. »Er sieht doch gar nicht wie einer aus, den die Leute zum Sheriff wählen oder bei den Texas Rangers annehmen würden.«

      »Entschuldigen Sie, wenn ich das sage, aber mir ist es, als würden Sie die Verhältnisse in Texas sehr schlecht kennen, Senor Escudo!« Stella funkelte mit den Augen. Die Falten in ihrem Gesicht schienen noch tiefer geworden zu sein.

      Der Alkalde blickte sie böse an und schien es für weit unter seiner Würde zu halten, darauf zu antworten.

      »Die Texas Ranger sind harte, verwegene Männer«, fuhr Stella unbeirrt fort. »Solche wie er!«

      »Bestimmen neuerdings deine Mädchen in El Cuervo?«, wandte der Alkalde sich scharf an den dicken Wirt.

      Der Mann schlug sofort klatschend mehrmals die Hände zusammen. »Dolores, Stella, Juanita, Quinta, verschwindet. Los, los, ab mit euch!«

      Die Mädchen sprangen von den Tischen.

      »Ihr lebt hier hier noch wie im Mittelalter«, schimpfte Stella. »Der Alkalde will es doch gar nicht mit einem Texas Ranger zu tun haben. Merkt ihr das nicht?«

      »Los, los, ab mit euch!« Erneut schlug der Wirt klatschend die Hände zusammen. Hierauf deutete er in Richtung von Senor Estaban Escudo eine Verbeugung an und entschuldigte sich.

      »Da drüben werden bald die Weiber die Hosen anziehen«, sagte der alte Alkade verächtlich. »Anstatt am Herd zu stehen und sich um Haushalt und Kinder zu kümmern, zerbrechen sie sich für die Männer die Köpfe. Und was kommt dabei heraus?«

      Die Mexikaner grinsten geringschätzig, was jegliche Antwort ersetzte.

      Endlich packte jemand Verbandsstoff aus und begann dem leise stöhnenden Verletzten den Arm zu verbinden.

      »Eine Verurteilung ist eine schwerwiegende Sache«, redete Escudo weiter. »Sie liefe vermutlich auf Friedensbruch hinaus und zieht eine hohe Strafe nach sich. Vielleicht wäre Ihnen eine andere Regelung sympathischer, junger Mann?«

      »Woran denken Sie?«

      »Nun, der Verletzte, der Wirt und die Besitzer jener

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