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Dad. Du bleibst sitzen und kühlst dein Auge, ich koche.«

      Später nach dem Essen saßen sie noch im Wohnzimmer beinander, und Pfeffer blätterte schnell durch die Schallplatten, die ­Cosmo abziehen wollte. Siouxsie Sioux, David Bowie, Club des Belugas, ­Everything but the Girl, Working Week, Parov Stelar, The Tiger ­Lillies, Billie ­Holiday, Nina Simone, kurz der Rest von Pfeffers Jugend und Mittelalter. »Ist okay«, sagte er dann. »Und von Björk … nach ›Homogenic‹ kam nichts mehr Gscheits.«

      »Ich weiß, ich hab die Streicher von ›Bachelorette‹ schon mal verwurschtelt.«

      »Echt? Nimm nur die alten Sachen, auf den neuen schreit sie nur noch rum. Ach, weißte was, nimm doch einfach alle Platten mit, und ich sag dir, welche du mir dann digitalisieren kannst, okay?«

      »Lässt sich einrichten, Dad.«

      »Sag mal, was ganz anderes. Bist du auf Dating-Portalen unterwegs?«

      »Was?« Cosmo, der eben einen Schluck Bier nehmen wollte, prustete. »Seh ich so aus, als hätte ich das nötig?«

      »Keine Ahnung. Immerhin hast du mir schon seit mindestens drei Monaten keine neue Freundin vorgestellt.«

      »Bin ich so schlimm?«

      »Na ja, also, irgendwann habe ich aufgehört, mir die Namen zu merken. Wie hieß die letzte?«

      »Das war Celine. Und einen Moment.« Cosmo starrte zur Decke und überlegte. »Das war Nummer zweiundvierzig. Alle mitgezählt, auch die schnellen Nummern. Das musst du erst mal schlagen.« ­Cosmo grinste breit und zufrieden.

      »Ach, Kind.« Pfeffer lachte laut auf, dann lächelte er nachsichtig. »Du bist goldig. Für was hältst du mich?«

      »Okay, sorry, Dad«, sagte Cosmo nun verlegen. »Das ist kein Wettkampf.«

      »Allerdings. Und ich muss dir leider sagen, dass du noch nicht einmal ansatzweise mit mir mithalten kannst, solange du noch im zweistelligen Bereich bist. Und wenn du mal im dreistelligen bist, dann darf am Anfang nicht nur eine Eins stehen, okay?«

      »Nicht dein Ernst!« Cosmo starrte seinen Vater mit offenem Mund und unverhohlener Bewunderung an.

      »Doch. Und? Ging und geht ganz schnell. Nichts, worauf ich stolz bin – wobei, doch, da bin ich eigentlich schon stolz drauf.« Beide lachten. »So, und jetzt bitte zurück zu meiner Frage mit den Dating-Seiten. Es gibt einen Grund, warum ich frage.« Er erklärte seinem Sohn in groben Zügen seinen aktuellen Fall.

      »Und jetzt?«, fragte Cosmo dann. »Glaubst du, dass die beiden ­Migrahigrüs ermordet wurden und ihren Mörder über Tinder, nee, das heißt bei euch ja Hottah, kennengelernt haben?« Cosmo kürzte Migrationshintergründler immer mit Migrahigrü ab.

      »Möglich.«

      »Und wie passt da das ermordete Mädchen ins Spiel?«

      »Sag dus mir.«

      »Sie hat die Leiche von diesem Elvis gefunden, eins und eins zusammengezählt und mit dem Armreif jemanden erpresst.«

      »Nein, sie hat sich auf das Treffen mit ihrem Mörder gefreut …«

      »Dann hat sie dem falschen Menschen vertraut. Ganz easy. So, und jetzt richten wir dir mal einen Account bei einer dieser Dating-Apps ein und locken damit den Mörder aus der Reserve. Oder finden für dich einen neuen Kerl.«

      »Zum einen wissen wir gar nicht, ob es einen Schwulenmörder gibt, zum anderen bin ich … bin ich noch nicht bereit für so was.« Jetzt belog er seinen Sohn – die vier Tage an Fasching! –, aber er hatte keine Lust auf mögliche Auseinandersetzungen über angemessene Dauer von Trauerphasen und das ganze Pipapo. Wobei es wahr war, er war längst nicht bereit für eine neue Liebe.

      »Sorry, Dad!«

      »Das will ich nicht. Also einen neuen Kerl. Und natürlich will ich auch keinen Lockvogel für einen Killer geben.«

      »Sorry, Dad. Wollte dich nicht traurig machen.« Cosmo hob seine Bierflasche und stieß mit seinem Vater an.

      26

      Becky band ihre roten Locken zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammen, nachdem sie aus dem Taxi ausgestiegen war. Die Schicht im Gsindl steckte ihr heute mehr in den Knochen als üblich. Vielleicht weil Lucky freihatte. Gemeinsam in einer Schicht war es immer lustiger. Und die Rückfahrt war billiger. Nachts um drei mit dem Taxi von der Landsberger Straße bis nach Untergiesing kostete einiges. Aber Becky war es das wert. Keinen Bock auf Fahrrad! Schnell heim in die Heia. Sie ließ sich vom Fahrer am Taxistand unter der Candidbrücke absetzen und lief die Straße hinunter in Richtung Agilolfinger­straße. Es stank nach Pisse. Als sie an dem Gebüsch vor der Sparkasse vorbeikam, wurde sie plötzlich von hinten gepackt und ins Dunkel des Eingangsbereichs der Bank gezerrt. Eine Hand versiegelte ihren Mund, eine andere hielt sie am Hals umklammert. Sie bekam kaum noch Luft.

      »Schschschsch«, machte der Mann neben ihrem linken Ohr. »Ganz ruhig, okay? Dann passiert niemandem was.«

      Becky bäumte sich auf. Er griff fester zu. Ihr blieb die Luft weg.

      »Was habe ich gesagt?«, raunte er. »Versprichst du jetzt, brav zu bleiben? Dann, nur dann passiert dir nichts.«

      Sie sog panisch Luft durch die Nase, konnte keinen klaren Gedanken fassen. Schließlich nickte sie leicht, weniger aus Zustimmung, als aus dem Drang heraus, irgendwas zu tun. Die Hand löste sich vorsichtig von ihrem Mund, jederzeit bereit, ihn wieder zu verschließen, falls sie schreien sollte. Die andere Hand am Hals lockerte sich ebenfalls. Schließlich zog er beide Hände weg. Becky schnappte nach Luft und drehte sich langsam um.

      »Du?«, entfuhr es ihr überrascht. »Du Arschloch! Was soll das?«

      Er packte sie wieder mit einer Hand bei der Gurgel und drückte so weit zu, dass sie begriff, wer Herr der Lage war.

      »Schon gut«, röchelte sie. »Was willst du?«

      »Ich finde es nicht sehr nice von dir, dass du mich an die Bullen verpfiffen hast«, sagte Mortimer Olberding leise. »Gar nicht nice.«

      »Hör mal, es geht um Mord. Und du bist doch ihr Dealer … Oder, meine Güte, hast du etwa Polly …« Sie biss sich auf die Unterlippe.

      Er lachte kurz auf. »Bestimmt nicht. Aber es ist nicht gut, wenn alle Welt weiß, welchen lukrativen Nebenerwerb ich habe, kapiert?«

      »Was soll das dann hier?« Becky machte einen Schritt zurück. Abstand gewinnen.

      »Ich möchte, dass du begreifst, dass das alles eine Nummer zu groß für dich sein könnte. Ich hätte dich … tja, meinen Jungs überlassen können – und glaub mir, ich kenne Jungs, denen würde ich kein Mädchen mal eben so überlassen – oder dafür sorgen, dass dein wunderschönes Madonnengesicht der Vergangenheit angehört oder, oder, oder.«

      Becky gewann langsam ihr Selbstvertrauen zurück. »Ach wirklich? Und wenn du das alles hättest machen können, warum laberst du mich stattdessen hier voll?«

      Mortimers Lächeln ließ sich auch in der Dunkelheit erahnen, es ließ sie schaudern. »Weil ich dir lieber einen Deal anbieten möchte. Im Gsindl wirst du als Barfrau sicher oft nach gewissen Stimulanzien gefragt, die über Alkohol hinausgehen. Ich möchte, dass du all diese Interessenten an mich verweist oder an meine Mitarbeiter, die ich dir noch zeigen werde.«

      »Was springt für mich dabei raus?«

      »Zunächst, meine Liebe, dass du dein hübsches Madonnengesicht behältst und vorerst weiter darüber bestimmst, wer dein Schmuckdöschen von innen sieht.« Er griff ihr in den Schritt. In dem Moment riss Becky ihr Knie nach oben und trat Mortimer wuchtig zwischen die Beine. Er machte »uff« und kippte nach vorne. Die eine Hand in seinem Schritt, packte er sie fest am Kragen. »Unklug«, keuchte er.

      »Ich denke nicht«, antwortete sie, sie taumelte unter seinem ­Gewicht, das an ihrem Kragen hing, blieb jedoch stehen. »Ich möchte zwanzig Prozent von deinem Umsatz, wenn ich dir die Kunden zuschiebe.«

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