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Picky Eaters. Tatje Bartig-Prang
Читать онлайн.Название Picky Eaters
Год выпуска 0
isbn 9783833874598
Автор произведения Tatje Bartig-Prang
Жанр Здоровье
Издательство Readbox publishing GmbH
BEISPIELHAFT
Warum haben Japanerinnen ein deutlich niedrigeres Risiko, an Brustkrebs zu erkranken als US-Amerikanerinnen? Gute Gene? Unwahrscheinlich, denn schon nach knapp einer Generation in den USA, hat sich die Brustkrebshäufigkeit angeglichen. Dies gilt als Hinweis dafür, dass das Risiko für bestimmte Krankheiten auch an Ernährungsgewohnheiten gekoppelt ist.
Ernährung und Gesundheit
Auch Übergewicht und andere Risikofaktoren, mahnen uns, die Ernährung im Auge zu behalten – ohne uns deshalb in eine Spirale aus Selbstgeißelung zu begeben. Als gesichert gilt, dass jeder Mensch, egal wie und wo er lebt, mit bestimmten Nährstoffen versorgt sein muss, damit er gesund bleibt. Dazu gehören unbedingt eine bestimmte Menge an Energie, die uns am Laufen hält, bestehend aus Kohlenhydraten, Eiweiß, Fetten, Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen sowie natürlich Wasser. Ob wir selbst kochen oder jemand anders und ob wir tagsüber oder nachts, warm oder kalt essen, ist erst einmal völlig egal, solange unterm Strich die Nährstoffbilanz stimmt.
Was ein Mensch also benötigt, um sich gesund zu ernähren, ist bekannt und auch nicht hochgradig umstritten. Bei den genauen Essensmengen wird es da schon schwieriger. Je nach Gewicht, Größe, Geschlecht, Lebensstil, Alter, Körperbau, Genetik, Erkrankungen und anderen Faktoren schwankt der Bedarf an Energie, Nährstoffen und Flüssigkeit enorm. Und, um die Sache noch komplizierter zu machen, schwankt dieser Bedarf nicht nur von Mensch zu Mensch, sondern auch noch von Tag zu Tag oder von Sommer zu Winter.
ORTHOREXIE
Hinter diesem Begriff vebirgt sich eine Störung, die den krankhaften Zwang beschreibt, immer nur »das Richtige« zu essen. Das Internet bietet eine unerschöpfliche Quelle oft kruder Ernährungstipps, die sogar auf den ersten Blick recht schlüssig erscheinen können, aber einer eingehenden wissenschaftlichen Betrachtungsweise nicht standhalten und oft sogar rundheraus gefährlich sind.
Unnötiges »Essen«
Wir wissen außerdem sicher, dass Fast Food und Convenience Food – also schnelles Essen und stark vorverarbeitete Nahrung – kein gutes Fundament für eine ausgewogene Ernährung bilden. Das heißt nicht, dass unsere Kinder und wir nie wieder ins Burger-Restaurant gehen dürfen oder für immer einen Bogen um Tiefkühlpizza machen müssen. Es heißt nur, dass unser Speiseplan und besonders natürlich der unserer Kinder zum allergrößten Teil aus Mahlzeiten bestehen soll, die viel für den Körper tun. Während Fast- und Convenience-Produkte durch einen hohen Anteil an Fett und Zucker meistens sehr kalorienreich sind, bieten sie dem Körper darüber hinaus oft weniger an Nährstoffen.
WAS WIR NICHT SICHER ÜBER ERNÄHRUNG WISSEN
»Menschenversuch« – klingt gruselig und ist es auch. Aus ethischen und medizinischen Gründen gibt es in der Wissenschaft sehr strenge Auflagen für Forschungsvorhaben an Menschen. So darf man zum Beispiel nicht einfach Studien durchführen, die vorhersehbare, negative Effekte haben. Die aussagekräftigsten Ergebnisse lassen sich deshalb meistens anhand sogenannter Doppelblindstudien mit sehr vielen Teilnehmern erzielen.
Kinder essen gerne auch mal Gesundes, wenn Essen und Gesundheit nicht zu oft thematisiert werden.
Wie geht Wissenschaft?
Wenn wir also im Rahmen einer solchen Untersuchung nachprüfen wollten, ab wann ein Kind mangel-, fehl- oder unterernährt ist, müssten wir zunächst viele Kinder finden, die wir nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen einteilen würden: Eine wird dann im Versuch einer ungünstigen Ernährungsweise ausgesetzt, die andere isst ausgewogen.
»BLIND« UND »DOPPELBLIND«
»Blind« heißt eine solche Studiengattung, weil die Forscher nicht wissen dürfen, zu welcher Gruppe welche Teilnehmer gehören, um nicht die Ergebnisse durch bewusste oder unbewusste Einflussnahme zu verfälschen. »Doppelblind« bedeutet, dass weder die Wissenschaftler, noch Eltern und Kinder wissen dürfen, zu welcher Gruppe sie gehören. So wird ausgeschlossen, dass sich die fehlernährten Kinder vielleicht nur deshalb schlecht fühlten, weil sie und ihre Familien das durch die Zuteilung zu Gruppe 1 schon erwarteten. Ein solcher Studienaufbau würde aus all diesen Gründen glücklicherweise von keiner Ethikkommission zugelassen werden. Aber woher wissen wir dann zum Beispiel sicher, dass Kinder durch eine zu hohe Energiezufuhr dick werden? Da gab es ja auch keine Doppelblindstudie, in der die einen Wasser und Möhrchen, die anderen Cola und Pommes frites bekommen haben: Glücklicherweise gibt es auch andere Wege, um sehr sichere wissenschaftliche Erkenntnisse zu erhalten. Zum Zusammenhang zwischen einer Gewichtszunahme und einer zu hohen Energiezufuhr gibt es so viele verschiedene große Studien, dass wir mit großer Sicherheit ausschließen können, dass allen derselbe Fehler im Studiendesign zugrunde liegt. Zusätzlich stehen uns Daten zur Verfügung, die im Feld – also in der echten Welt – überprüft wurden, etwa während Einsätzen von internationalen Hilfsorganisationen bei Hungersnöten.
Außerdem wissen wir aufgrund physikalischchemischer Gesetzmäßigkeiten, dass Energie weder spurlos verschwinden noch aus dem Nichts entstehen kann. Auch daraus können wir mit großer Gewissheit ableiten, dass zu viel Futtern dick macht.
Wenn wir allerdings spezielle Zusatzfaktoren mit einbeziehen, sieht die Sache schnell anders aus: Falls wir also die Idee überprüfen möchten, ob Fernsehen dick macht, könnten wir untergewichtige, normalgewichtige und übergewichtige Kinder nach ihrem Fernsehverhalten befragen und dann schauen, ob die Übergewichtigen mehr vor der Flimmerkiste sitzen als die anderen.
Dann haben wir ein Ergebnis, das wir aber nicht ohne Weiteres verwerten können, denn wir wissen immer noch nicht, ob wir nicht einem sogenannten Störfaktor aufgesessen sind. Eben weil wir die Kinder nicht zufällig in zwei Gruppen geteilt haben, von denen die eine ferngesehen hat und die andere draußen gespielt, können wir nicht wissen, ob in den Familien, die ihre Kinder jeden Tag vor dem Fernseher parken, gleichzeitig eher eine zu energiereiche Ernährungsweise gepflegt wird. Während dieser Störfaktor recht gut zu erkennen ist, gibt es viele andere, die sich deutlich besser verstecken.
INDUSTRIELL GESPONSERTE STUDIEN
Wenn wir uns nun wundern, dass sich einige Ernährungsempfehlungen für Kinder alle paar Jahre ändern, liegt der Grund oft darin, dass generelle Empfehlungen verlangt werden, obwohl man oft wohl ehrlicherweise sagen müsste: Macht, wie ihr denkt, so genau wissen wir es auch nicht.
Viele Empfehlungen in Deutschland sind deshalb nicht wissenschaftlich fundiert, sondern beruhen in erster Linie auf persönlicher Meinung und Erfahrungswerten. Das muss nicht unbedingt schlecht sein, allerdings werden solche Empfehlungen häufig nicht als subjektive Meinung gekennzeichnet und setzen viele Menschen, die ihnen folgen, unnötig unter Druck.
»Weiß nicht genau« macht sich besonders schlecht, wenn man staatliche Gelder für Studien einwerben möchte. Die Notwendigkeit der Geldbeschaffung für die Forschung hat noch einen Haken hinsichtlich der Verlässlichkeit von Ernährungsempfehlungen: Das In-der-Schublade-verschwinden-Lassen von Ergebnissen, mit denen Wissenschaftler ihren Geldgebern auf die Füße treten würden. Weil für eine seriöse Empfehlung immer die gesamte Studienlage mit zahlreichen möglichst hochwertigen Arbeiten ausgewertet werden sollte, kann es die Auswertung enorm verfälschen, wenn für Industriesponsoren ungünstige Ergebnisse nicht mit einbezogen werden würden. Zudem werden eher Fragestellungen beforscht, die für die Lebensmittelindustrie wirtschaftlich interessant sind. Gerade im Bereich Kinderernährung wird viel Forschung von Herstellern von Babynahrung und Kinderlebensmitteln gesponsert.
Verbote sind bei einer druckfreien Ernährung verboten.