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Gewissheit, dass das Ende dieser Reise nahe bevorstand. Der Dämmerung folgte Dunkelheit, ein kühler Wind kam auf und von der Sonne, die hinterm Horizont versank, sah man nur den oberen roten Rand und feurige Streifen am Himmel.

      Mächtige Sanddünen erhoben sich vor mir und zu beiden Seiten meines Schlittens, der vom Wind in die Höhe gehoben und über sie hinweg geschleudert wurde. Ich musste mich am Steuer festhalten, legte mich auf den Bauch und verkrallte mich in die Vorderkufen, um nicht vom Sitz geworfen zu werden. Die bisher kaum bewegte Sandfläche war ein tobendes Meer mit wild bewegten Wellenbergen und -tälern. Dabei nahm das Sandgestöber ständig zu und raubte mir bald jegliche klare Sicht. Meine Augen, mein Mund und meine Ohren waren voll Sand. Schließlich überflutete mich eine mächtige Woge von oben auf mich herabstürzend und mich unter sich begrabend, so dass ich nichts mehr sehen und nur noch fühlen konnte, wie der Sand in meine Poren eindrang. Ich wurde hochgehoben, verlor den Boden unter mir, hielt aber den Schlitten mit meinen Armen und Beinen fest. Ja, ich klammerte mich an ihn, als sei er ein Teil von mir selbst geworden, den aufzugeben mein eigenes Ende bedeuten könnte.

      Was war geschehen? Was geschah mit mir? Ich öffnete die Augen und – konnte alles wieder sehen. Ich sah – mit seltener Klarheit – etwas, das außergewöhnlicher war als alles, was bisher vor meinen Augen Gestalt angenommen hatte. Ich hielt es zuerst für einen Baum mit sich nach oben verjüngenden Ästen und Zweigen, dessen vom Mondlicht übergossene Silhouette in den Himmel ragte, erkannte dann aber beim Näherkommen, dass es sich um einen Turm handelte, eine Konstruktion aus Metall, auf deren breitem Fundament Stahlträger mit seitlichen Verstrebungen in die Höhe führten. Die Spitze des Turms war nicht zu sehen und verschwand, wenn es sie überhaupt gab, in den dunklen Nebeln der Unwirklichkeit. Zwischen den senkrechten Trägern und den sie verbindenden, sich überkreuzenden Metallstreben befanden sich quadratische Plattformen, auf denen sich kleine schwarze Lebewesen hin und her bewegten, die von weitem große Ähnlichkeit mit Insekten besaßen. Manche dieser Insekten krochen oder kletterten auch die langen Treppen hinauf und herunter, die die Plattformen miteinander verbanden und es so möglich machten, den Turm bis in seine schwindelnden Höhen zu ersteigen. Während ich langsam näherkam, merkte ich, dass mein Schlitten auf einer Schiene entlangglitt und wie von einem Magneten unaufhaltsam an den Turm herangezogen wurde. Jetzt – aus der Entfernung von nur wenigen Metern – erkannte ich, dass die Insekten in Wirklichkeit Männer in khakifarbenen Uniformen wie mein toter Gefährte waren. Sie trugen Eimer und andere Gerätschaften auf den Plattformen oder zwischen ihnen hin und her oder betätigten Schalthebel, um irgendein mir ganz und gar verborgenes Getriebe in Gang zu halten. Im vollen Mondlicht erschienen mir diese Männer und ihr Tun sehr deutlich, aber auch seltsam und geisterhaft.

      Der Turm zu Babel, schoss es mir durch den Kopf, aber ich wies diese Assoziation als Zeichen einer sogar in meinen Träumen wuchernden Halbbildung und blödsinniger Anmaßung sogleich erschrocken wieder zurück.

      Nein, dieser Turm war nicht... er war zu Ende gebaut worden, wenn auch seine Spitze in der Unendlichkeit verschwand. Sein Dasein hatte einen Sinn; er erfüllte einen Zweck, eine Funktion, dessen war ich sicher, zumindest den oder die, dass ich das Ende meiner Reise erreicht hatte, das vielleicht auch von Anfang an ihr geplantes Ziel gewesen war. Während mein Schlitten sich in langsamer Fahrt einer der mittleren Plattformen näherte und die Männer, die dort am Rande standen, mir zuwinkten, wurde mein Blick nach oben gelenkt und las in riesigen Leuchtbuchstaben:

      WÜSTENRESERVAT – ZENTRALSTATION...

      Zugleich bemerkte ich, dass neben, unter und über mir scharenweise Schlittenfahrer auf Schienen in die Plattformen einfuhren und von den Männern in den khakifarbenen Uniformen in Empfang genommen wurden. Und als ich aufstand und mir gerade die Beine vertreten wollte, stand sie mir gegenüber, die ich solange gesucht und vermisst hatte – Andrea. Sie lachte und winkte mir zu, war aber wenige Sekunden später in der Menge der von allen Seiten nachdrängenden Schlittenfahrer wieder verschwunden. Ich rief und rief vergebens. Doch dann verstummte ich jäh. Neben und über mir und über uns allen brach ein riesiger Sandstrahl hervor, eine Sandfontäne, deren Gischt auch den Turm überschüttete und Sand auf die Wüste regnen ließ. Ich selbst geriet in den Sog dieses Gebläses, das aus dem Innersten der Wüste kam und wurde als Sandkorn Teil der gewaltigen Fontäne, die mich in den Himmel schleuderte und dann wieder auf die Erde fallen ließ.

      Dort liege ich, ein winziges Sandkorn in der Wüste. Würmer wälzen sich an mir vorbei und Schlitten gleiten über mich hinweg...

      5

      Als Andrea und ich einige Tage später unseren Spaziergang um den Aasee wiederholten, blieb ich, nachdem wir an der Mensa vorbeigekommen waren, stehen und zeigte auf ein Stück sandfarbener Mauer, das dort immer schon gestanden hatte. „Das grüne Tor ist nicht mehr da“, sagte ich. Andrea lachte nur und kniff mich in den Arm. Hinter uns stand ein junger Mann in dunklem Anzug, der seine Schlägermütze zog und uns lächelnd zuwinkte. Dann drehte er sich um und lief schnell die Treppe zum Aasee hinunter.

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