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und in seinen Augen zurmindest fragwürdigen Hauptzwecks des Projektes, der Faszination, die im Allgemeinen von dieser Arbeit ausging, nicht entziehen können. Es war etwas Großes, Bedeutsames an dem er mitarbeitete; etwas, das einen besessen machen konnte und dem irgendwo auch etwas Gefährliches, Abgründiges innewohnte. Das erste Opfer gab es bereits zu beklagen: Es hieß Jesper Greene und war statt zum Übermenschen zu einer Pflanze geworden. Es schien wie ein überaus zynischer Witz, den sich die Plasmawesen ausgedacht hatten, um alle, die auf der Morrow-Insel arbeiteten der Lächerlichkeit preiszugeben. Armer Greene! Aber war er nicht ohnehin auf dem besten Weg in den Wahnsinn gewesen?

      Laß deine kläglichen Versuche, dich zu rechtfertigen und zu entschuldigen! wies Larus sich selbst zurecht. Es git keinerlei Anlaß, deinen Anteil an Greenes Untergang zu relativieren!

      ***

      Diese tägliche Ausfahrt des Patienten empfand Larus als sehr deprimierend. Er fragte sich, wie es Dr. Lemieux und all den anderen (aber vor allen Dingen Malejew) gelang, so zu tun, als hätten sie mit dem Schicksal Greenes nichts zu tun, ja, als hätte er nie auf ihrem Operationstisch gelegen und als hätten sie ihn nie als ihr Versuchskaninchen benutzt. Er konnte nicht verstehen, weshalb sie so wenig menschliche Regung zeigten (und wieder kam ihm dabei in besonderem Maße Malejew in den Sinn).

      Larus sah deutlich Malejews kahlgeschorenen Schädel vor seinem geistigen Auge; um den Mund spielte ein zynisches Grinsen und auf dem Arm trug er seinen hirnlosen Pudel. Vom Anfang ihrer Bekanntschaft an, als Larus hierher nach Morrow auf Asimov gekommen war, um die wisseschaftliche Leitung des Projekts zu übernehmen, war sein Verhältnis zum Bevollmächtigten des Cartani-Konzerns gleichermaßen von Furcht und Unbehagen auf der einen und Interesse auf der anderen Seite geprägt gewesen.

      Aber bis zum heutigen Tage war es Larus nicht gelungen, größere Einblicke hinter Malejews äußere Fassade zu bekommen. Der Kahlkopf schirmte sich geschickt gegen jegliche Versuche ab, in sein Inneres zu dringen. Daher war es fast unmöglich, mit ihm außerhalb des dienstlichen Bereiches Kontakt aufzunehmen - es sei denn, es ging um den Austausch einiger zynischer Bemerkungen. Aber da konnte Larus nicht mithalten. Wenn Malejew nicht gerade mit irgendwelchen dienstlichen Angelegenheiten beschäftigt war, fand man ihn stets allein, nur in Begleitung seines Pudels, der das einzige Wesen zu sein schien, mit dem ihn mehr, als nur das unmittelbar Notwendige verband.

      So kühl auch seine Beziehungen zu den ihn umgebenden Menschen gestaltet sein mochten, so war sein Verhältnis zum Projekt gänzlich anderer Natur. Hier zeigte sich Malejew von geradezu fanatischer Besessenheit und konnte mitunter in einen Zustand überschwenglicher Euphorie gelangen. Wenn Larus es recht betrachtete, dann wußte er nur sehr wenig über Malejew. In den Datenspeichern von Morrow war fast nichts über ihn zu finden. Nicht einmal Angaben auf welchem Planeten er geboren war.

      "Hallo, Dr. Larus!" rief eine Männerstimme und riß den wissnschaftlichen Leiter des Camps damit aus seinen Grübeleien. Er hatte die rasch und mit langen Schritten daherschreitende Gestalt Dan Lemieuxs nicht bemerkt und war für den Bruchteil eines Augenblicks etwas verwirrt.

      Als Lemieux Larus erreicht hatte, blieb er stehen, um zuerst ihn und dann Greene mit einem nachdenklichen Blick zu bedenken.

      "Ich mache mir Sorgen um Sie, Larus!"

      "Weshalb?"

      "Weil Sie sich die bedauerliche Angelegenheit mit Greene zu sehr zu Herzen nehmen!" Und nach kurzer Pause fügte er noch hinzu: "An Ihrem Gesicht sehe ich, daß ich Recht habe. Widersprechen Sie mir also nicht!" Larus' Züge wurden sichtlich angespannter und es schien ganz offensichtlich so, daß ihm dieses Thema unangenehm war.

      "Unser aller Versagen ist Schuld daran, daß ein Mensch mit eigenständiger Persönlichkeit zu etwas degeneriert ist, das dumpf und stumm vor sich hin vegetiert wie ein Baum oder wie Gras!"

      "Greene wußte, daß das Risiko hoch war", erklärte Lemieux so ruhig es ihm möglich war. "Was geschehen ist, ist bedauerlich und aller Wahrscheinlichkeit auch nicht wieder rückgängig zu machen." Er packte Larus bei den Schultern und die beiden wechselten einen Blick, der jedem von ihnen das Unverständnis des anderen zeigte.

      Larus schätzte Lemieux als sachkundigen und intelligenten Mitarbeiter, aber seine Art über die Sache mit Greene zu reden fand den eindeutigen Widerwillen des Projektleiters. Er spürte, daß es Lemieux nicht wirklich darum ging, ihm seinen Schuldkomplex zu nehmen. Das Wohlwollen und das Mitgefühl, das der Arzt mit seinen Worten zu vermitteln suchte, schien irgendwie nicht wahrhaftig zu sein, auch wenn Larus nicht genau zu sagen vermocht hätte, weshalb er so empfand. Ein unsicheres, flüchtiges Lächeln spielte um Lemieuxs Mund und irritierte Larus ein wenig. Ich frage mich, ob er wirklich begreift, was mich bewegt! überlegte Larus. Während sie einige Momente lang schwiegen, schien sich die Atmosphäre zwischen ihnen aufzuladen. Beiden bereitete die Situation jetzt Unbehagen, wenn auch aus verschiedenen Gründen.

      "Die Wissenschaft...", meinte Lemieux schließlich und kratzte sich am Ohr. "Wir stehen alle im Dienst der Wissenschaft und des Fortschritts. Wir beide ebenso wie seinerzeit Carlott. Leider kommt es immer wieder vor, daß diese große Aufgabe, die wir uns stellen, die Aufgabe der Erkenntnisvermehrung, Opfer fordert. Opfer, die uns manchmal unverhältnismäßig erscheinen mögen, aber sind sie nicht letztendlich durch das hohe Ziel gerechtfertigt, die Menschheit in ihrer Entwicklung weiterzubringen?"

      Wenn Lemieux derartige Plattitüden dahersagte, gelang ihm dies in der Regel nie ohne einen Schuß unfreiwilliger Komik, der von Larus nicht unbemerkt blieb.

      Die Wahrheit ist höchstwahrscheinlich, daß er über solche Dinge überhaupt nicht nachdenkt! dachte Larus mit einem bitteren Gefühl. Deshalb klingt es so merkwürdig, wenn er so etwas sagt!

      Die beiden Wissenschaftler verabschiedeten sich voneinander und Larus war wieder allein mit Greene, dessen Augen matt ins Leere starrten und weder das Meer noch die Steilküste und den wunderschönen Himmel von Asimov wahrzunehmen schienen. Bisweilen kamen Larus absonderliche Gedanken, wenn er Greene so ohne jegliche Verbindung zur Außenwelt dahinvegetieren sah.

      Was, wenn sein Bewußtsein - entgegen allen Prognosen - eines Tages doch zurückkehrte? Mußte es nicht ein verbitterter, von Haß- und Rachegedanken erfüllter Greene sein, der dann aus dem Abgrund der Unbewußtheit emportauchen würde? Wie würde er reagieren, wenn er begriffen hatte, was mit ihm geschehen war? Welche ungeahnten Deformationen mußte eine Seeie davontragen, die so schrecklichen Leiden ausgesetzt wurde? Larus war sich in solchen Augenblicken mit sich selbst nicht ganz darüber einig, ob es am Ende nicht gar ein für den Betroffenen positives Faktum darstellte, daß ein Zurückholen seines Bewußtseins aus der autistischen Einsiedelei fürs Erste völlig ausgeschlossen war und aller wissenschaftlichen Voraussicht nach auch bleiben würde. Vielleicht, so überlegte Larus manchmal, würde man ihm gar keinen Gefallen damit tun, ihn aus seiner Dumpfheit zu wecken.

      Während Larus seine gewohnte Runde mit Greene zu Ende führte, hatte er - wie stets - das Gefühl, die Zeit schritte gerade jetzt besonders langsam voran. Sie schien deutlich zähflüssiger als zu anderen Tageszeiten und jede Minute hatte zu seinem Leidwesen Platz genug für ein gutes Dutzend unliebsamer Gedanken. Am Schluß dieser täglichen selbstauferlegten Bußehandlung, brachte Larus den Patienten zurück in sein Quartier. Wenn er dann wieder hinaustrat in das heiße Sonnenlicht, war das jedesmal wie eine Erlösung. Er fühlte sich dann ein wenig besser und gestattete es sich, Greene für den Rest des Tages nicht die beherrschende Rolle in seinem Leben und seinen Gedanken spielen zu lassen. Was dann folgte war zum größten Teil Routine. Er gab hier und da Anweisungen, ließ sich Laborergebnisse und Computerberechnungen zeigen und ging durch die verschiedenen Versuchsanlagen. Wenn er dann später in seinem Büro am Terminal saß und sich den Gesamtstand der Forschungen auf Morrow ansah, so mußte er wohl oder übel zugeben, daß offensichtlich auf der Stelle getreten wurde. Der anfängliche Elan, der das Projekt die erste Zeit hindurch begleitet hatte, war verflogen; Fortschritte ließen sich immer schwieriger erreichen. Larus war nicht der einzige, der das bemerkte. Überall im Camp machte sich eine resignative ratlose Stimmung breit.

      "Wir müssen unbedingt die Großcomputer des Sol-Systems anzapfen!" erklärte Dr. Dr. Sora Samabi, als sie am Abend in Larus Büro kam und dort einen verzweifelten Projektleiter vorfand. "Das mag

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