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Menschen verharrten bald dichtgedrängt in ihrem luftigen, trotzdem so sicheren Gefängnis.

      Sarto Singal leitete die Aktion. Seine Nase war mit Heftpflaster gerichtet. Seine Stimme klang fast unverständlich. Trotzdem wurde jedem seiner Befehle sofort entsprochen.

      Er hatte sich nach der ersten Begegnung noch einmal mit Miguel Gomez unterhalten und dabei empfohlen, dass er für alle Fälle Vorsorge treffen sollte. Singals Vorschlag, die gesamte Einwohnerschaft Nuevos als Geiseln zu nehmen, war auf fruchtbarem Boden gefallen.

      »Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass Saltillo nicht vor El Paso abgefangen werden kann«, hatte Singal erklärt, aber in erster Linie wollte er für sich selbst retten, was noch zu retten war.

      Sollten Saltillo und Gomez jemals miteinander ins Gespräch kommen, dann musste letzterer erfahren, was sich wirklich in Sueco zugetragen hatte. Dann zog ihm Gomez schließend das Fell über die Ohren statt ihn auszubezahlen.

      Das war auch der eigentliche Grund, warum Singal überhaupt noch bei der Stange blieb. Die letzte Reise hatte ihm nichts eingebracht. Er brauchte jedoch Geld, und jetzt hatte Gomez auch noch eine Erfolgsprämie von 10 000 Dollar für den Kopf von Saltillo in Aussicht gestellt.

      Für Sarto Singal bedeutete dies, dass er sich nach einem Erfolg für immer aus seinen »Geschäften« zurückziehen konnte.

      Er strich über sein glattrasiertes Kinn und war zufrieden. Er hatte alle Trümpfe in der Hand, aber das würde der verdammte Haziendero erst bemerken, wenn er in seinem Blut lag.

      Wilder Hass durchflutete den Banditen. Er hatte die Minuten am Pfahl und die Folter im Keller der Rurales nicht vergessen.

      Sarto Singal tastete nach dem Verband in seinem Gesicht. Ein hübscher Mann würde er nie mehr sein.

      Die Bucks von Gomez sollten dieses Handicap freilich mehr als wettmachen.

      22

      »Danke«, lehnte Saltillo ab. »Keinen Drink mehr, Sheriff. Ich habe noch ‘nen harten Gang vor mir.«

      Leif Thunder schaute sein Gegenüber verblüfft an. »Sie werden doch nicht …«

      Saltillo zuckte mit den Schultern und grinste undefinierbar.

      »Was sollte mich davon abhalten, Sheriff? Ich gewinne nichts, wenn ich auf die Ranger warte. Allenfalls verliere ich die Arbeit fast eines Jahrzehnts. So lange hat es gedauert, bis die Hazienda zu dem wurde, was sie heute ist. Blut, Schweiß und Tränen stecken in den Mauern, nicht zu vergessen das Andenken an meinen Vater. Ich kann nicht zulassen, dass aus der Hazienda ein glühender Trümmerhaufen wird.«

      Das Gespräch wurde unterbrochen. Hufschlag verhielt vor dem Office.

      Leif Thunder und Saltillo sprangen gleichzeitig auf.

      Trotzdem war der Haziendero eher am Fenster.

      Ein etwa fünfzigjähriger Mexikaner glitt stöhnend aus dem Sattel eines Mulis.

      Um ein Haar hätte Saltillo den Mann nicht erkannt, so ausgepumpt war er. Doch als er sich umwandte, bestand kein Zweifel mehr.

      Der martialische Schnurrbart in diesem friedlichen Gesicht konnte nur Rafaelo Valdez gehören – dem Alcalde von Nuevo.

      Saltillo schwante Fürchterliches, und er sollte nicht enttäuscht werden.

      Der Haziendero empfing den Dorfvorsteher an der Tür. Dem Alcalden fielen beinahe die Augen aus den Höhlen.

      »Señor Saltillo!«, rief er aus, und ein unnachahmliches Glucksen folgte. Er hatte sich vor Schreck verschluckt. »Sie sind hier in El Paso?«

      »Das bist du auch, Rafaelo. Was ist los?«

      Der Alcalde griff sich aufseufzend ans Hinterteil. »Es ist gut, dass ich Sie hier treffe, Señor. Jetzt versteh ich auch diesen Fremden.«

      »Welchen Fremden?«, fragte Saltillo.

      Leif Thunder lehnte am Türpfosten, hatte die Augen zu schmalen Schlitzen verkniffen und zündete sich einen Zigarillo an. Schweigend paffte er den Rauch in die stille Luft.

      Rafaelo Valdez war noch immer außer Atem. Er schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen.

      »Der Bursche mit dem Verband im Gesicht«, erklärte der Alcalde von Nuevo keuchend.

      »Damit kann ich nichts anfangen, Rafaelo.« Saltillo kannte die umständliche Art Valdez‘, sich auszudrücken. Er durfte ihn nicht hetzen, sonst dauerte es noch länger.

      Jedenfalls musste etwas geschehen sein, was ihm schwer in die Nieren ging, denn Valdez war nicht nur körperlich erschöpft. Da musste es noch etwas anderes geben, das ihn beutelte.

      »Kannst du mir nicht mehr über den Fremden sagen, Rafaelo?«

      Und dann brachte der Dorfalcalde doch noch eine Beschreibung zustande, aus der unschwer Sarto Singal zu erkennen war. Nachdem sein Redefluss erst einmal in Gang gekommen war, war er auch kaum mehr zu stoppen.

      »Und dieser Kerl hat mich losgeschickt«, erzählte er erbost. »Er hat mir noch gesagt, dass ich Sie vielleicht hier treffen würde, Patron, aber ich hab‘s ihm nicht geglaubt. Jedes Kind weiß, dass Sie nach Mexiko mussten, Señor. O porco dios! Hat dieser Gomez ein strenges Regiment aufgezogen, als Sie nicht mehr da waren. Alles ist nun anders. Schon die kleinen Kinder leben in Angst. Es herrscht Not in Nuevo. Und dabei ist es uns bisher immer so gut gegangen …«

      »Das reicht fürs erste«, unterbrach Saltillo.

      Hätte er den Alcalden jetzt weiter plaudern lassen, wäre des Lamentierens so schnell kein Ende gewesen. »Was liegt nun wirklich an in Nuevo?«, wollte Saltillo wissen.

      Der Alcalde schwieg verdutzt. Dann brach es aus ihm heraus.

      »Die Hölle ist los. Mich haben sie losgeschickt, damit ich die Nachricht überbringe …«

      »Und wie lautet sie?«

      Saltillo wurde langsam ungeduldig.

      Rafaelo Valdez zauberte einige Denkfalten auf die ohnehin durchfurchte Stirn und konzentrierte sich.

      »Wenn du deinen ehemaligen Jefe triffst«, leierte er mit geschlossenen Augen, »sag ihm nur: Ich möchte ihn schleunigst hier in Nuevo sehen. Je eher, desto besser. Von morgen an werd ich jeden Tag drei Bewohner erschießen – pünktlich zur Mittagszeit. Bis Saltillo kommt und sich stellt. Doch er muss allein kommen. Sonst ist er für ein Blutbad verantwortlich.«

      Der Alcalde lauschte in sich hinein.

      »Hm. Ich glaube, das war‘s, was ich ausrichten soll, Patron.«

      Saltillo war unter seiner braungebrannten Haut blass geworden. Sein Gesicht nahm die Farbe ungebrannten Tons an. Seine Stimme klang heiser, als er sagte: »Was haben sie mit den Menschen von Nuevo gemacht, Rafaelo?«

      »Als ich wegritt, haben sie begonnen, so eine Art Corral zu bauen.«

      »Wann war das?«

      »Gestern Abend bin ich losgeritten, Patron. Und dann hab ich die ganze Nacht nicht eine Pause eingelegt.«

      Saltillo wandte sich Sheriff Leif Thunder zu, der ein Zittern seiner Hände nur schwer verbergen konnte.

      »Sie wollen Ihren Skalp, Saltillo. Wenn Sie nach Nuevo reiten, werden Sie ohne Vorwarnung aus dem Sattel geschossen.«

      »Und wenn ich nicht reite, werden die Bewohner sterben – drei jeden Tag.«

      »Ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken, Mister.«

      »Manchmal ist sie mir auch zuwider, aber ich hab bloß die eine.«

      »Und die tragen Sie jetzt zu Markte?«

      »So teuer wie nur irgend möglich. Ich reite in zehn Minuten.«

      23

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