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Rhöner Nebel. Friederike Schmöe
Читать онлайн.Название Rhöner Nebel
Год выпуска 0
isbn 9783839263006
Автор произведения Friederike Schmöe
Жанр Триллеры
Издательство Автор
»Bloß Begleitperson. Ich bin eine Freundin von Anja Riedeisen. Früher Mähling.«
Täuschte sie sich, oder wurde Krone tatsächlich eine Spur blasser?
»Wahrhaftig? Anja ist hier? Sie war eine sehr tüchtige Freiwillige. Hat sich schnell reingefunden. Der Winter damals, der dauerte fast ein Dreivierteljahr. Wobei …« Er zögerte. »Kein ganz unproblematisches Jahr.«
»Wegen des Winters?«
»Nein. Pädagogisch gesehen. Ich hoffe, Sie genießen das Wochenende!« Er ließ Katinka stehen.
*
5.
Mähling fuhr mit Abblendlicht und schaltete es ganz aus, als er kurz nach halb elf auf die Zufahrt zum Albertus-Magnus-Internat einbog. Um diese Jahreszeit leuchtete der Himmel selbst nach zehn Uhr abends noch wie Silber.
Er hielt, drehte am Rückspiegel, kämmte sein Haar zurück, stieg aus. Hätte er den Kopf in den Nacken gelegt, wäre ihm der Himmel vorgekommen wie in Sternenlicht gebadet.
Schwester Romana stand in der Tür, am ganzen Körper Einsatzbereitschaft ausstrahlend.
»Schwester Romana, guten Abend.«
»Gelobt sei der Herr und so weiter. Kommen Sie herein, Herr Mähling. Wenn Sie wegen …«
Er hob die Hand. »Ich würde mich gerne … in Ruhe mit Ihnen unterhalten.«
»Das Haus liegt im Tiefschlaf.« Sie lächelte. »Gehen wir in mein Büro!«
Er folgte ihr in den ersten Stock, wo sie lautlos – die Nonnen schliefen auf diesem Flur – durch die Glastür mit der Aufschrift »Sekretariat« ins Allerheiligste der Büroräume schlüpften.
Romana bewegte sich trotz ihrer Körperfülle schnell und leise. Sie führte Mähling an einem überladenen Schreibtisch vorbei, auf dem eine Schreibmaschine mit ein paar eingespannten Blättern stand, durch eine Schiebetür hindurch.
»Mein Reich!«
Mähling sah sich in dem muffigen kleinen Raum um, in dem außer für einen massiven Schreibtisch mit Drehstuhl und zwei Sesseln kaum noch Platz für einen Aktenschrank war.
»Kann ich Ihnen etwas anbieten? Ein Bier?«
»Ich muss noch fahren.«
»Vielleicht einen Kaffee?«
»Nein, wirklich nicht nötig. Ich brauche Ihren Rat.«
»Immer gern. Bitte, setzen Sie sich.«
Er sank in einen Sessel. Die Spiralfedern spürte er im Hintern. Die Nonnen lebten wirklich am Limit. Für sich selbst zweigten sie von den diversen Geldströmen anscheinend nichts ab. Sie waren, wie man so sagte, nicht käuflich. Auf ihre Art konsequent. Einmal arme Ordensschwester, immer arme Ordensschwester. Er bewunderte und verachtete dieses Verhalten zugleich.
Romana nahm ihm gegenüber Platz.
»Meine Tochter hat sich bei Ihnen für ein freiwilliges soziales Jahr beworben.«
»Das ist mir bekannt, ich habe das Bewerbungsgespräch mit ihr geführt.«
»Also haben Sie sie bereits kennengelernt!«
»Ein liebenswürdiges junges Mädchen, wenn ich das sagen darf.«
»Danke.« Das Lob brachte Mähling aus dem Konzept. Er fühlte sich nun noch nervöser als eben. Es fiel ihm schwer, um etwas zu bitten. Aber er musste es tun. »Ich habe ein Anliegen.«
»Ich höre?«
»Anja, meine Tochter, darf es nicht wissen.«
Schwester Romana verschränkte die Arme. »Sie können auf meine Diskretion vertrauen. Außer mir weiß es niemand. Das wird auch so bleiben.«
»Gut. Schön. Also. Ich verlasse mich auf Sie.«
»Natürlich können Sie das!« Die Nonne sah entrüstet drein.
Mähling spürte die Sprungfedern und wusste, dass er mit Romana rechnen konnte.
»Sie können sich sicher sein, es wird nicht Ihr Schaden sein.«
Sie winkte ab.
Irgendwo in dem alten Haus knackte etwas. Er fuhr zusammen. Verdammt, wenn er sich sogar vor Holz ängstigte, das sich ausdehnte oder zusammenzog …
»Das war der Anlass meines Besuches, Schwester.« Ihm brach der Schweiß aus. Dass Anja sich ausgerechnet hier bei den Nonnen bewerben musste! Ihm blieb wirklich nichts erspart. Mühsam stemmte er sich hoch.
»Ich hätte Ihnen gern etwas angeboten, Herr Mähling.«
»Nicht nötig. Ich muss wirklich zurück.« Wie albern, die weite Fahrt auf sich zu nehmen für ein paar Sätze.
»Sie arbeiten zu viel.« Schwester Romana stand ebenfalls auf. »Von Zeit zu Zeit sollten auch Sie sich etwas schonen.«
»Da haben Sie recht.« Er verachtete Ratschläge wie diese. Die Nonne hatte doch keine Ahnung, wie es war, ein Unternehmen zu führen.
»Ich bringe Sie raus.«
Er folgte ihr durch das stille Gebäude. In Zukunft würde er noch vorsichtiger sein müssen.
*
6.
Sich vorsehen.
Nichts dem Zufall überlassen. Lieber unter den Leuten bleiben. Sich nicht verkriechen.
All das habe ich gelernt. Nicht wahr?
Stell dich ans Fenster, damit sie von draußen sehen, dass du dazugehörst.
Die Geräusche im Haus sind heute Morgen verblasst. Alle sind draußen. Das herrliche Wetter!
Von hier oben habe ich immer gern die Zufahrt beobachtet. Wie viele Wagen heute den Weg heraufkommen. Die ganze Wiese ist zugeparkt. Was für ein schöner Tag! Wenn ich an den Winter denke. Wie die wenigen PKW sich hier heraufkämpfen!
Einer kam immer in der Nacht.
Heb den Kopf und zeig, was du willst. Sag klar, wohin es gehen soll.
Ich habe das alles hier aufrechterhalten. Selbst wenn es keiner mehr weiß, mehr wissen will, ich entsinne mich sehr gut. Ohne mich gäbe es heute kein Fest.
Andere werden sagen, dass es trotzdem nicht für die Ewigkeit war. Da kann ich nicht widersprechen. Nur Gott ist ewig.
Heiliger Geist,
Du Hauch des Lebens
Du Feuer vom Himmel
Du Beistand der Christen
Du Helfer im Gebet
Du Unterpfand der Erlösung
– erbarme dich unser1
*
1 Aus: Gotteslob. Katholisches Gebet- und Gesangbuch der Erzdiözese Bamberg 2013. Heilig-Geist-Litanei, S. 609f.
7.
Katinka hatte die Blumenschale für Schwester Romana aus dem Kofferraum geholt und stellte sie gerade an einer windgeschützten Stelle am Hauseingang ab.
»Da sind Sie ja!« Anja stürzte auf Katinka zu, als hätte sie tagelang allein in einer Wüste ausgehalten.
»Martin Süderbeck ist angekommen. Mit Frau und Kindern.«
»Habe ich gesehen!«
Anja Riedeisen wirkte nun genauso unter Strom wie während der Fahrt in die Rhön. Die Entspannung,