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Maffelders sehen SUVs, die nicht hierhergehören, und kolportieren, das wären Einbrecher, die die Gegend ausspionieren.«

      »Sag mir, dass das nicht wahr ist.«

      Bella ging zur Tür. »Jedenfalls wollen die Maffelders und die Kaminskys per Gruppe austauschen, wer wann welches verdächtige Auto gesehen hat. Kommst du mit runter?«

      Diethard antwortete nicht. Er war in das Nachrichtenmenü seines Handys vertieft und mühte sich damit ab, die Gruppe »Nachbarschaft« stummzuschalten.

      12

      Bella wachte auf, als sie das Knattern des Mülllasters hörte. Kerzengerade im Bett sitzend, lauschte sie kurz auf Diethards leises Schnarchen. Irgendwas stimmte nicht.

      Fuck!

      Sie hatte vergessen, die Mülltonne rauszustellen. Panisch fuhr sie aus dem Bett. Seit Josef hier wohnte, nahm der Müll überhand. Keinesfalls konnten sie es sich leisten, den Abfall zwei Wochen länger in der Tonne modern zu haben. Sie griff nach dem übergroßen grünen Pulli, der ihr als Morgenmantel diente, schlüpfte in ihre Schlappen und hastete die Treppe hinunter. Vor den Augen sah sie grüne Sternchen. Kurz hielt sie sich an der Haustür fest. Wartete, bis ihr inneres Notaggregat ansprang. Funktionieren trotz seelischem Chaos.

      Draußen war es noch stockdunkel, Schnee fiel, ganz zarte Flöckchen. Die Müllleute waren bei den Kaminskys fertig. Der Laster kam in ihre Richtung. Bella rannte zum Gartentor und winkte wie wild.

      »Warten Sie! Bitte!«

      Der Laster hielt.

      »Ich hole rasch die Tonne!« Meine Güte, wie peinlich. Traum ihrer schlaflosen Nächte, vor der Müllabfuhr im Schlafanzug und in Schlappen herumzuturnen.

      Sie rannte zurück zu dem Unterstand für die diversen Tonnen, den sie im Sommer hatten zimmern lassen. In ihren profillosen Schuhen fand sie kaum Halt im Schnee. Sie riss an der schwarzen Tonne, zerrte sie aus dem Unterstand. Mühevoll stemmte sie das Teil zur Straße. Die Müllleute warteten geduldig. Da war ein saftiges Trinkgeld zu Weihnachten fällig.

      »Danke!«, keuchte Bella.

      Sie fischte die Zeitung aus dem Postkasten, bevor sie sich ins Haus zurückschleppte. Ihr war kalt. Der Bewegungsmelder war noch immer kaputt. Sie hatte vergessen, Diethard darauf aufmerksam zu machen. Vielleicht funktionierte nur die Glühbirne nicht.

      Josef stand in der Tür, angezogen, als wollte er zur Arbeit.

      »Morgen, Melanie.«

      »Morgen, Papa!«, erwiderte sie, ohne ihn auf seinen Fehler hinzuweisen. »Wie wäre es mit Kaffee?«

      »Gern«, antwortete er.

      Sein höflicher Ton brachte sie zum Lachen.

      »Na, dann los.«

      »Was hast du denn draußen gemacht?«

      »Die Mülltonne rausgestellt.«

      Weil ich die Einzige bin, die das hier macht. Weil keiner dran denkt. Weil mein Gehirn für alle taugen muss.

      Er blickte auf seine Armschiene. »Ich würde dir ja gern helfen. Sollte ich vielleicht sogar. Nur mit diesem Arm …«

      »Lass mal, Papa.« Sie mahlte Kaffeebohnen. Ein verführerischer Geruch zog durch die Küche. »Hast du gut geschlafen?«

      »In meinem Alter schläft man nicht immer gut«, gab er zum Besten.

      »Geht mir auch so.« Sie lächelte ihn an, stellte Tassen auf den Tisch. Tatsächlich hatte sie schlecht geschlafen. Hunderte Gedanken waren ihr durch den Kopf geschlichen, hatten sich festgesetzt und um Aufmerksamkeit gebuhlt.

      Wenn Peter Kessler recht hatte und nichts über die Medikamente wusste, die Mariella nahm, konnte es dann sein, dass sie sich diese Mittel heimlich besorgt hatte – illegal? Und falls dies der Fall war: Wo hätte sie sich eingedeckt? In Silldorf? Aber wo?

      Sie schlug die Zeitung auf, während der Wasserkocher zu rauschen begann. »Schau, mein Artikel über den Unfall drüben Richtung Siedlung.«

      Der Text war rechts unten platziert. Das Foto von Mariella und Lüneburg prangte daneben.

      »Unfall? Tatsache?«

      Sie hatte ihrem Vater nichts gesagt. Selbst wenn, die Chancen standen gut, dass er es wieder vergessen hätte. Rasch schob sie ihm den Artikel hin. »Lies mal.«

      Er strahlte seine Tochter an. »Wenn ich nur wüsste, wo meine Brille ist.«

      Bella stand auf. »Ich geh sie holen.«

      Es gab Gerüchte. Über den »Dorfkrug«. Dass es möglich war, sich dort zu beschaffen, was es auf dem legalen Markt nicht gab.

      Sie fand die Brille auf dem Wohnzimmertisch.

      »Hier, Papa.«

      Josef hatte das Interesse an der Zeitung längst verloren und besah sich interessiert den Wasserkocher.

      Bella goss den Kaffee auf. Im ersten Stock hörte sie Diethard Rabatz machen. Die Badtür fiel laut ins Schloss. Er kam die Treppe herunter und stürmte in die Küche.

      »Bella? Verdammt, beinahe hätte ich verschlafen. Bella, wo steckst du denn? Ach, Morgen, Josef!«

      »Guten Morgen«, sagte Josef spitz. »Hast du schon so früh schlechte Laune?«

      »Hier, nimm dir Kaffee, Diethard. Ich komme gleich.«

      Bella verdrückte sich. So sehr sie sich nach Kaffee sehnte – Diethards miese Stimmung war noch viel weniger auszuhalten als Koffeinentzug. Sie tappte die Treppe hinauf. Zog sich an, kämmte die Haare und spritzte Wasser in ihr Gesicht. Aus dem Spiegel sah ihr eine 50-jährige Frau mit strähnigem Haar und müden Augen entgegen. Eine zu kleine Nase, dafür volle Lippen. Vergleichsweise wenige Falten. Ihr Haar brauchte dringend eine neue Tönung, das natürliche Aschgrau kam schon wieder überdeutlich zum Vorschein. Am liebsten würde sie diese Farbkleckserei ganz sein lassen. Sie hatte keinen Nerv für die ständigen Wartungsarbeiten an ihrem Körper. Haar wurde grau, na und? Vielleicht würde sie das kinnlange Haar kurz schneiden lassen. Dann würde die künstliche Farbe auch schneller verschwunden sein.

      Auf der Suche nach ihrem Handy ging sie ins Schlafzimmer.

      Drei Nachrichten in der Gruppe »Nachbarschaft«.

      Wir sind dabei.

      Danke fürs Hinzufügen!

      Wir auch. Halten die Augen offen.

      Na, dann viel Erfolg, dachte Bella. Außerdem eine SMS von Wolters:

      Schick mir den Bericht über die Impfgegner.

      Stöhnend wollte sie das Handy wegstecken, als eine Nachricht von Hilde eintrudelte:

      Denk dran, Bella, am Sonntag startet der Weihnachtsmarkt.

      Auch das noch. Sie riss das Fenster auf. Eiskalte, feuchte Luft schlug ihr entgegen.

      Sie hatte den Fehler gemacht, vor Jahren, als Melanie noch zur Schule ging, beim Weihnachtsmarkt mitzuhelfen und die selbst gebastelten Kleinigkeiten der Silldorfer Schulkinder zu verkaufen. Irgendwie hatte sie es verpasst, sich aus diesem Geschäft rechtzeitig zurückzuziehen, sodass sie Advent für Advent mehrere Tage die Woche in einer eiskalten Bude stand und gehäkelte Eierwärmer feilbot. Unter Hildes strengem Regiment war es einfach schwierig, den Rückzug anzutreten.

      »Bella?«, rief Diethard von unten. »Haben wir noch Milch?«

      »Ich habe die Augen von Superwoman. Kann um die Ecke gucken, die Treppe runter und direkt in den Kühlschrank«, murmelte sie genervt. Dann rief sie: »Komme.« Knallte das Fenster zu.

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