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Jahre zu früh bekommen«. In den Worten »Ich habe ein Kind bekommen« (statt: »ich habe es zur Welt gebracht (geboren)«) schwingt auch Regression mit. Die Aussage »Ich habe eine Schwester (einen Bruder) bekommen«, ist adäquat zur Situation eines Kindes, das schließlich keinerlei Einfluss darauf hat, ob es Geschwister hat oder ohne Geschwister aufwächst. Sie ist aber wiederum nicht adäquat zum Erwachsenenalter und kann von einem geringen Kontakt zum erwachsenen Anteil oder von einer Abtrennung dieses Anteils zeugen.

      Manche Menschen sprechen von ihrem Schmerz auf eine Art, dass es dem Zuhörenden schwerfällt, diesen Zustand nachzuempfinden – höchstwahrscheinlich nimmt der Erzählende den Schmerz selbst nicht wahr. In Familien, in denen eine starke Tendenz zur Dissoziation vorherrscht und wegen Symptomen beim Kind eine Therapie begonnen wird, fällt auf, dass die Eltern die Beschwerden und Probleme ihres Kindes aus solch großer Distanz beschreiben, als würden sie über eine völlig fremde Person sprechen. Das Leiden der Eltern ist schwer zu spüren, wahrscheinlich sind die Eltern selbst von dieser Wahrnehmung abgeschnitten.

      Einen Hinweis auf Dissoziation geben auch sehr private und enthüllende Aussagen im Anfangsprozess der Therapie, wenn der Klient den Therapeuten noch gar nicht kennt und es noch keine Möglichkeit gab, eine sichere Bindung aufzubauen. Spricht eine Klientin beispielsweise bereits beim ersten Treffen über den sexuellen Missbrauch durch ihren Vater oder erzählt von einer Vergewaltigung, der sie vor Jahren zum Opfer fiel, oder ein Klient beschreibt während der ersten Sitzung Einzelheiten seines zwanghaften Masturbierens, signalisieren die Personen damit eine geringe Selbstachtung. Sie überschreiten ihre eigenen Grenzen, aber auch die Grenzen des Zuhörenden. Dieses, metaphorisch ausgedrückt, »sich psychisch nackig machen« des Klienten vor dem Therapeuten, ohne sich vorher um Sicherheit gesorgt zu haben und ohne Respekt vor der eigenen Intimsphäre, ist ein Signal dafür, dass beim Klienten eine Störung im Bereich der Grenzen (also auf dem Gebiet des Trancephänomens Dissoziation – Assoziation) vorliegt.

      Die assoziative Wahrnehmung der Realität dagegen äußert sich beispielsweise im häufigen Gebrauch der Worte »wir«, »jeder« oder »alle Menschen«. Andere Beispiele, an denen man die hier besprochenen Verschiebungen von Grenzen gut erkennen kann, sind folgende typische Aussagen von Müttern: »Dieses Kind will mir einfach nicht essen«, »… macht mir nicht ins Töpfchen« oder »… fährt mir ohne Fahrkarte Bus«. In diesen Aussagen ist deutlich das Nichtabgrenzen der Mutter vom Kind zu hören, darüber hinaus beinhalten sie, gewöhnlich systembedingt, diagnostische Hinweise darauf, dass das Verhalten des Kindes möglicherweise im Zusammenhang mit dem Verhalten der Mutter steht.

      Manchmal erzählt der Körper einer Person eine völlig andere Geschichte, als die Person (oder die Familie) selbst.

      Diese Unterschiede sind oft so deutlich, dass sie vom ersten Moment des Gesprächs an ins Auge stechen. So war es auch im Fall von Frau I.:

      Frau I. war schlank, dunkelblond und sah aus wie ein braves Mädchen. Sie kleidete sich eher unauffällig und schlicht, benutzte kein Make-up. Frau I. hatte die Augen eines traurigen Kindes und ein aufgeklebtes Lächeln. Im Gespräch löste sich das Lächeln manchmal ganz unerwartet ab und verschwand völlig. Dann war ihr Mund ganz verkniffen. Gleichzeitig veränderte sich die Erzählweise der Klientin, die normalerweise höflich und korrekt war, in scharfe Ironie und Sarkasmus – Wut, die kaum hinter dem geschlossenen Mund zurückgehalten werden konnte. Der Kampf des Anteils, der voll überschäumender Wut war, mit dem anderen, dem korrekten und gut sozialisierten Anteil, war deutlich sichtbar und hörbar. Frau I. meinte, sie hätte sonst ein ganz angenehmes Leben, eine nicht besonders anstrengende, gut ertragbare Arbeit in einer Behörde, aber »aus für sie nicht nachvollziehbaren Gründen komme sie in Beziehungen mit Menschen nicht zurecht«. Zur Psychotherapie war Frau I. von ihrer Zahnärztin geschickt worden, die bei ihr nächtliches Zähneknirschen (Bruxismus) festgestellt hatte.

      Frau J. sah aus wie ein kleines verlorenes Kind. Sie machte einen spröden und unsicheren Eindruck. Gekleidet war sie kindlich, gar nicht wie eine Frau. Es schien als würde sie sich in ihrer Kleidung verstecken. Als Grund für die Psychotherapie gab sie an, sie wäre gern mehr sie selbst, obwohl sie Zweifel habe, ob dies überhaupt möglich sei, da sie selbst nicht wisse, wie sie überhaupt sei. Einige Minuten später erfuhr die Therapeutin zu ihrem Erstaunen, dass Frau J. seit einigen Jahren verheiratet war. Sie arbeitete in einer großen Firma, leitete eine ganze Gruppe von Mitarbeitern und koordinierte wichtige, hochdotierte Projekte. Die Klientin behauptete voll Überzeugung, dass ihr die leitende Position keinerlei Schwierigkeiten bereite. Sie erklärte, dass sie als Chefin mit klar definierten Prozeduren und Regeln arbeite, womit sie bisher niemals Probleme gehabt habe.

      Herr K. war ein zierlicher Mann von unbestimmtem Alter. Im ersten Augenblick hatte der Therapeut den Eindruck, Herr K. sähe wie ein Junge aus, der sich in allen Dingen immer sehr viel Mühe gab, aber trotzdem permanent unzufrieden war. Je mehr Mühe er sich gab, desto unzufriedener wurde er. Nach einer längeren Weile erzählte Herr K., dass er pensionierter Offizier sei. Viele Jahre hatte er in einer verantwortungsvollen Führungsposition gearbeitet. Je länger er über seinen Militärdienst sprach, umso deutlicher konnte man in ihm eine völlig andere Person erkennen, als die, die mit einer schwierigen familiären und privaten Realität außerhalb des Militärs zu kämpfen hatte. Im Prinzip sah man zwei Personen. Zwei völlig unterschiedliche.

      Es wirkte so, als ob sowohl Frau J. als auch Herr K. seit Jahren in zwei völlig unterschiedlichen Rollen auftraten. In beiden sehr erfolgreich. Diese Art der inneren Zerrissenheit, die Bestandteil jahrelanger Erfahrungen der Personen ist, ist ein wichtiges diagnostisches Signal für das hier besprochene Phänomen.

      Herr O., ein kinderloser, sehr gut situierter 40-jähriger Mann, sagte, er beginne seine Therapie aufgrund »eines Gefühls der Unzufriedenheit mit sich selbst und dem Gefühl, Zeit zu vergeuden«. Nach der Trennung seiner Eltern, die sich scheiden ließen, als Herr O. noch die Grundschule besuchte, wohnte er viele Jahre, bis zu seiner Hochzeit, bei seiner Mutter. Seine Eltern befanden sich die ganze Zeit über in einem schwierigen Konflikt aus Hass und diversen, das Haus und das Geschäftliche betreffenden, gegenseitigen Abhängigkeiten. Obwohl der Klient weiterhin finanziell von seinen Eltern abhängig war, sprach er über sie mit Distanz, mit einer gewissen Kälte und unausgesprochenen Aggression. Als er selbst heiratete, löste er sich nur scheinbar von seiner Herkunftsfamilie, er verweilte weiterhin in ihr. Nach seiner eigenen Scheidung vor einigen Jahren, lebte er noch lange mit seiner Ex-Frau zusammen. Von Zeit zu Zeit traten sie wieder als Paar auf. Von Zeit zu Zeit schliefen sie miteinander. Mit der Scheidung von seiner Frau hatte er die Beziehung zu ihr nicht beendet. Während der Therapiesitzungen erzählte er oft spontan von dem guten Eindruck, den er auf Frauen mache. Er prahlte viel und lobte sich selbst in den höchsten Tönen. Herr O. hatte viele Versuche unternommen, eine gleichberechtigte Beziehung aufzubauen, wobei es meist recht schnell zu sexuellen Kontakten kam. In einer Sitzung meinte er, das Wichtigste für ihn sei seine sexuelle Leistungsfähigkeit und er liebe es, sich selbst beim Sex im Spiegel zu beobachten und sich selbst in seiner Zufriedenheit zu beobachten.

      Bei Klienten, die von Dissoziation betroffen sind, kann diese in verschiedenen Lebensbereichen auftreten. Die Personen sind beispielsweise Inhaber mehrerer Firmen oder haben mehrere Jobs gleichzeitig, sie haben mehrere Hochschulabschlüsse oder Berufsausbildungen oder besitzen mehrere Wohnungen. Manchmal haben sie einen bestimmten Beruf erlernt, arbeiten aber in einem völlig anderen Bereich. Sind sie selbst Ärzte oder Therapeuten, arbeiten sie oft an mehreren Arbeitsstellen gleichzeitig. Oft lebt die Person in einer Partnerschaft, gleichzeitig aber auch nicht. Obwohl es keine äußeren Einwände gibt, gehen Personen mit Dissoziation oft keine formellen Partnerschaften ein, befinden sich in zwei Beziehungen gleichzeitig oder lassen sich scheiden und heiraten erneut. Zur Therapie bringen sie häufig viele voneinander getrennte Themengebiete mit, die scheinbar überhaupt nicht zusammengehören.

      Wieder andere Personen mit Dissoziation zeigen Verhaltensweisen, die den Anschein erwecken, der Klient wäre keine einheitliche Persönlichkeit, sondern setze sich aus einzelnen Inseln zusammen. Die dissoziierten, abgespaltenen Anteile des Klienten können in unterschiedlichen Beziehungen zueinander stehen. Sie können sich auf Leben und Tod bekämpfen, einen zermürbenden Kleinkrieg gegeneinander führen, oder aber in völliger Isolation, in Vergessen oder auch Nichtwissen um ihre Existenz verbleiben. Oft kämpfen

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