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in einen Fingerhut, auf einen Teelöffel oder auf einen Esslöffel?

      Der Therapeut sollte abwägen, wie er mit der Metapher bezüglich diagnostischer Aspekte umgeht. Ermöglicht es die Metapher, dass der Klient ein besseres Verständnis für die eigene Person entwickeln kann? Wenn ja, sollte dann die Arbeit auf das Wachstum des Bewusstseins gelenkt werden? Diese Strategie ist beispielsweise bei Klienten nützlich, die in der Vergangenheit verharren. Ein Attribut des Erwachsenwerdens ist es, dass sich bei einer Person ein Verständnis für sich selbst und für die Welt entwickelt, außerdem bildet sich ein bewusstes Reflektieren heraus. Dennoch ist es manchmal besser, im Bereich des Unbewussten zu bleiben – etwa dann, wenn die Arbeit auf bewusster Ebene für den Klienten zu schwierig oder zu schmerzhaft ist, oder aber schon früher über lange Zeit nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat.

      Der Bereich der Metapher ist nicht nur in der Diagnostik sinnvoll, Metaphern werden auch oft für therapeutische Interventionen verwendet. Wenngleich sich meine Arbeit darauf konzentriert, wie der Therapeut nach dem ericksonschen Ansatz den Klienten wahrnimmt, und die Konsequenzen der aus der Diagnose entwickelten Therapiestrategien nicht Thema dieses Buches sind, möchte ich hier dennoch ein Beispiel für die Verwendung einer Metapher anbringen:

      »Ein 85-jähriger jüdischer Mann heiratet eine 25-jährige Frau. Nach einem halben Jahr ist die Frau schwanger. Der Mann geht zu einem Rabbi, um Rat einzuholen: ›Rabbi, was meinst du? Ist das Kind wohl von mir?‹

      Der Rabbi antwortet: ›Dazu muss ich dir eine Geschichte erzählen. Ein älterer englischer Gentleman liebt die Großwildjagd. Er bucht eine Reise nach Afrika und geht dort auf die Jagd. Eines Morgens steht er früh auf und geht in den Dschungel auf die Pirsch. Mitten im Dschungel stellt er fest, dass er statt seines Jagdgewehrs seinen Regenschirm mitgenommen hat. Er hat nicht allzu viel Zeit, über seine Vergesslichkeit zu philosophieren. Plötzlich steht in unmittelbarer Nähe ein Löwe vor ihm, der unruhig mit seinem Schwanz peitscht. Reflexartig reißt der ältere Herr seinen Schirm hoch und legt an. Ein Knall ertönt, und der Löwe sinkt tot zu Boden.‹

      Der Rabbi schweigt und schaut dem 85-jährigen Frager ins Gesicht. Dieser meint schließlich: ›Aber das kann doch nicht sein!? Da muss doch einer von der Seite geschossen haben!‹

      Der Rabbi sagt: ›So sehe ich das auch‹« (Trenkle 2000).

      Ein Symptom kann eine Metapher sein, die Prozesse widerspiegelt, die im Individuum oder in auch in einer Familie ablaufen.

      Jan war zwölf Jahre alt und hatte noch einen jüngeren Bruder. In der Schule verhielt sich Jan aggressiv. Der Lehrerin gegenüber war er frech und hielt sich nicht an ihre Anweisungen. Als die Mutter deswegen in die Schule bestellt wurde, war sie nicht überrascht. Auch ihr gegenüber verhielt sich der Junge aggressiv, er benutze Schimpfwörter, einige Male hatte er seine Mutter sogar getreten. Zwischen Jans Eltern gab es seit fast einem Jahr Streit. Die beiden standen kurz vor der Scheidung, die von der Mutter eingereicht worden war. Jans Vater hatte beim Familiengericht das alleinige Sorgerecht für die beiden Söhne beantragt, damit war die Mutter nicht einverstanden. Die offen zutage tretende Aggression des älteren Sohnes war Spiegelbild der eher versteckten Aggression seines Vaters.

      Hat ein Kind Angst, zur Schule zu gehen, kann diese Angst des Kindes Ängste der Mutter widerspiegeln, die sich davor fürchtet, mit einem Bereich der Gesellschaft außerhalb ihres Zuhauses konfrontiert zu werden. Immer wiederkehrende intensive Konflikte eines Vaters mit seiner jugendlichen Tochter können eine Metapher dafür sein, dass es früher starke Auseinandersetzungen des Vaters mit der Mutter der Tochter gab. Trägt eine Familie einen heftigen Konflikt mit der Tochter aus, wobei vor allem die Reaktionen der Tochter bei den Erwachsenen Beunruhigung auslösen, kann dies zu einer gegenseitigen Annäherung der Eltern führen, zumindest, wenn es um die Sorge um das gemeinsame Kind geht.

      Werden Interaktionen innerhalb einer Familie beschrieben, tauchen oft metaphorische Beschreibungen wie beispielsweise Ehegeplänkel oder Familienbande auf. Solche Beschreibungen spiegeln die gegenseitigen Abhängigkeiten aller Personen im System wider.

      So fielen etwa während einer Familiensitzung ein paar bedeutende Worte, die beispielhaft zeigten, welche Rolle Metaphern im Familiennarrativ spielen. Die Aussage war von metaphorischem Charakter und wurde zu einem Grundbaustein für die diagnostische Hypothesenstellung und das Kennenlernen der Familie.

      Die Therapie wurde auf Empfehlung eines Dermatologen begonnen, der der jugendlichen Tochter, die unter psychosomatischen Beschwerden litt, eine Psychotherapie angeraten hatte. Während der Therapiesitzung berichteten die Eltern, dass sich ihre Tochter isoliere, sich zurückziehe und viel allein sei. Nach mehreren Familiensitzungen, bei denen auch das zweite, jüngere Kind anwesend war, verringerten sich die Symptome des Mädchens deutlich und es wurde etwas offener und zugänglicher. Die Mutter begann, mehr Zeit mit der Tochter zu verbringen. Sie gingen gemeinsam außer Haus, erledigten miteinander die Einkäufe und machten gemeinsam Sport. Als sich eine stabile Beziehung zwischen Mutter und Tochter entwickelt hatte, entschied der Therapeut, eine Sitzung nur mit den Eltern durchzuführen. Bei diesem Treffen sollte es um Ängste und Befürchtungen der Eltern in Bezug auf ihre elterlichen Pflichten gehen. Während der Sitzung fragte der Therapeut, wovor die Eltern die meiste Angst hätten. Völlig unerwartet antwortete der Vater: »Ich habe Angst, dass unsere Tochter uns eines Tages absticht.«

      Dieser Satz rief beim Therapeuten Erstaunen hervor, denn bisher hatte nichts auf ein hohes Aggressionslevel in der Familie hingewiesen. Im Gegenteil, das Thema Wut, Gewalt oder Aggression war überhaupt nicht aufgetaucht. Die Mutter war so damit beschäftigt, von ihren eigenen Ängsten zu berichten, dass sie die Worte ihres Mannes anscheinend gar nicht gehört hatte. Als der Vater gefragt wurde, was er denn mit seiner Aussage gemeint hätte, bemühte er sich, sie zu bagatellisieren. »Nichts weiter, das ist mir so herausgerutscht, meine Tochter hat manchmal Wutanfälle, aber so ist das eben bei Kindern.«

      Die kurze Aussage des Vaters wurde zur Grundlage dafür, dass drei mögliche Hypothesen bezüglich versteckter generationsübergreifender Aggressionen aufgestellt und später untersucht wurden. Die erste Hypothese: Der Tochter widerfuhr irgendwann bzw. widerfährt weiterhin etwas, wofür sie sich mit mörderischen Impulsen rächen könnte. Die zweite Hypothese war die, dass der Vater sich und seine Tochter mit anderen Personen in der Familie verwechselte (Halluzination). Das konnte bedeuten, dass sich im System ein dramatischer Vorfall ereignet hatte, aufgrund dessen die Elterngeneration aggressive und mörderische Impulse vonseiten des Kindes erwartete. Die dritte Hypothese wäre im Prinzip eine Verbindung aus den beiden vorangegangenen Hypothesen: Ein Drama, das sich in früheren Generationen ereignet hatte, wiederholte sich in der jetzigen Familie und spielte sich weiterhin dort ab. Diese Hypothese bedurfte einer weiteren Verifizierung, um dann anschließend in den Bereichen der in der Familie dominierenden Trancephänomene – Amnesie, Halluzination und Altersregression – arbeiten zu können.

      Ein weiteres Beispiel dafür, welche Rolle die Metapher in der Therapie spielt, ist folgende Geschichte aus der Einzeltherapie von Frau E.:

      Frau E., die sich seit einigen Monaten in Therapie befand, sagte während einer Sitzung ganz unerwartet: »Jetzt kann ich ja darüber sprechen: Bei mir zu Hause steckt ein Familiengeheimnis im Schrank.« Vor einigen Wochen hatte sie dort eine gut versteckte Schachtel mit Damenunterwäsche gefunden. Die Wäsche gehörte ihrem Mann. Heimlich zog er sie an, wenn seine Frau nicht zu Hause war. Die erste Ebene der Metapher »Familiengeheimnis« führte zur Arbeit an bisher verdeckten Aspekten der ehelichen Beziehung.

      Der aufmerksame Therapeut interpretierte die Aussage von Frau E. als einen Hinweis, der sich nicht

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