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wird zum „Kontakthof”, zur Plattform der Begegnung der unterschiedlichen Milieus, der unterschiedlichen Kulturen und hin und wieder der unterschiedlichen Generationen. Jugendliche aus verschiedenen Milieus interessieren sich füreinander, teilen ihre Visionen und arbeiten gemeinsam an Projekten für ein soziales Miteinander.

      4: Vgl. z.B. Streib, Heinz/Gennerich, Carsten, Jugend und Religion. Bestandsaufnahmen, Analysen und Fallstudien zur Religiosität Jugendlicher, Juventa Verlag Weinheim und München 2011.

      5: Vgl. Stadtdekan Hans-Peter Ehrlich in seiner Rede vor dem Gesamtkirchengemeinderat Stuttgart 2008: „Mit unseren Glockentürmen bilden wir eine Topografie der Hoffnung für die Stadt“.

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       Petra Dais

       Die Sprache des Kirchenraumes

       Der Altar – Stein des Anstoßes?

      Von Anfang an beobachteten wir, dass es in der Jugendkirche eine „heiße Zone“ gibt. Viele waren verunsichert: „Was darf man am Altar? Gibt es Tabus am Altar?“ Aufgrund dieser Verunsicherung wurde er von vielen einfach ausgeblendet. Bei der Raumgestaltung für Veranstaltungen kam oft der Vorschlag, ihn unsichtbar zu machen. Grund genug, den Altar zu thematisieren, ihn ins Zentrum zu stellen und zu erforschen, was es eigentlich mit dem Altar auf sich hat.

      Im ersten Jahr des Jugendkirchenfestivals hatte das Architektenteam „die Kirchentrojaner“ die Idee, mit 500 Paletten im Kirchenraum zu bauen. Mit verschiedenen Jugendgruppen und Schulklassen entstanden in den acht Wochen immer wieder neue Raumszenarien. Besonders eindrücklich war das Hüttendorf, das mit dem Künstler Thomas Putze um den Altar herum entstand. Die Jugendlichen hatten unter dem Motto „Zuhause im hin und her“ eigene Behausungen im Kirchenraum gebaut und fast automatisch ihre Hütten um den Altar herum gebaut. Der Altar selbst wurde zum „Dorfplatz” – zum Ort, an dem man sich traf, erzählte und gemeinsam Brot, Weintrauben oder selbstgebackenen Kuchen teilte. Die Anknüpfung lag auf der Hand: Der Altar ist zu dem geworden, was er eigentlich ist: Ort der Gemeinschaft, Ort des Teilens. Die Gemeinschaft zwischen Menschen und die Gemeinschaft zwischen Menschen und dem Göttlichen wurde mit Leib und Seele erfahren. An diesem Ort konnte man eindrücklich an die Essensgeschichten der Bibel erinnern und sich über das austauschen, was das Leben lebenswert macht.

      Die Altargeschichte ging weiter: Im nächsten Jahr hatten die Architekten die Idee, für die Osternacht den Altar mit einer „Black Box“ zu verhüllen. Wir hatten uns das Thema „Im Angesicht des Nichts“ gewählt, es sollte um die existentielle Konfrontation mit dem Nichts durch den Tod Jesu gehen. Wie können die Evangelien von diesem Ort als dem Ort der Wandlung vom Tod zum Leben sprechen?

      Man konnte in der Karsamstagnacht hineingehen in die „Black Box“. Dort war es stockdunkel, das Symbol der Gemeinschaft – der Altar – war mittendrin, zu ertasten als kalter Stein.

      Eigentlich war geplant, die „Black Box” nach der Osternacht wieder abzubauen. Doch sie wurde so attraktiv, dass wir uns entschlossen, sie das ganze Festival über stehen zu lassen: der Altar war weg und doch da – oder gerade dadurch attraktiv, weil er verhüllt war?

      Die „Black Box” und der Altar in ihr wurden in den acht Wochen bis Pfingsten zu einem intensiven Spielort: manche experimentierten mit Musikinstrumenten, andere mit verschiedenen Lichteffekten. Die Enge dort wurde als beliebter Rückzugsort erlebt, Bibeltexte, Bilder, Brot auf dem Altar wurden anders und neu wahrgenommen. Die geheimnisvolle Dimension des Altars ist in diesem Frühjahr eindrücklich geworden.

      Der Altar ist das Zentrum jeder Kirche, er erhebt durch seinen architektonischen Standort einen Anspruch. Doch in vielen Kirchen ist er zur Kulisse geworden. Wie kann er zum Mittelpunkt eines Lebensraums werden? Warum wird so selten der Bezug zum alltäglichen Essen am Tisch und den lebensnotwendigen Dimensionen der gelebten Gemeinschaft hergestellt? Wie können Menschen selbst Teil des Altars werden, sich selbst als Teil dieser „Sozialen Skulptur“ verstehen?

       Wenn der Kirchenraum zum Atelier wird ...

      „Ich plädiere für das Prinzip des Experiments. Experimente sind überhaupt das Wichtigste für uns.“ (Stéphane Hessel, die ZEIT, 26.5.2011)

      Viele junge Menschen verbinden mit Kirchenräumen Langeweile, Stillsein müssen, Passivität. Das ist schade, denn eigentlich steht dieser Raum für etwas anderes: Kirchen sind Orte, in denen wir uns als Subjekte erfahren können – im Angesicht Gottes. Sie geben Raum für Begegnung mit Gottes schöpferischer Kraft, die in uns selbst schöpferische Fähigkeiten hervorbringt. Sie sind Orte, an denen unsere Alltagswelten mit Gottes Idee für diese Welt in einen Dialog geraten. Dabei gilt: die eigene Alltagswelt hat ihren Platz und kann zugleich mit neuen Augen betrachtet werden, die Wahrnehmung für das eigene Leben und die Welt an sich wird erweitert. Das sind schöpferische Prozesse und wir brauchen in unserer Welt dringend Orte, an denen solche Prozesse gefördert werden. Kirche ist hier ein wichtiger Ort – neben anderen Orten im öffentlichen Raum.

      In den vergangenen sieben Jahren haben insgesamt rund 100 solcher Tage mit ca. 1700 Schüler_innen aller Schularten stattgefunden. Wir erleben, dass viele Jugendliche mit festen Bildern von Kirche kommen – zumeist mit negativen. Das Atelier im Kirchenraum erzeugt produktive Irritationen, die eine fragende Haltung hervorrufen. Immer wieder zerbrechen mitgebrachte Kirchenbilder, Gottesbilder werden erweitert. Eine Lehrerin, die in einer Stuttgarter Brennpunktschule unterrichtet und seit mehreren Jahren mit ihren Schüler_innen kommt, beschreibt

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