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Philosophische und theologische Schriften. Nicolaus Cusanus
Читать онлайн.Название Philosophische und theologische Schriften
Год выпуска 0
isbn 9783843800983
Автор произведения Nicolaus Cusanus
Жанр Философия
Серия Kleine philosophische Reihe
Издательство Bookwire
ZWEITES KAPITEL
Das Größte, konkret und absolut zugleich, Schöpfer und Geschöpf
Es ist hinlänglich gezeigt, daß das Universum nur in konkret Vielem besteht, das in Wirklichkeit von der Art ist, daß keines das schlechthin Größte erreicht.
Ich füge nun bei: Wenn man sich das Größte konkret in einer bestimmten Art (species) wirklich existierend denkt, so wäre es, entsprechend dem Charakter der gegebenen konkreten Art, in Wirklichkeit alles, was in der ganzen Möglichkeit jener Gattung oder Art liegt ; denn das absolut Größte ist alles, was möglich ist, in absoluter Wirklichkeit. Dieses Größte in konkreter Erscheinung einer Gattung oder Art ist zugleich in Wirklichkeit die höchstmögliche Vollkommenheit derselben, entsprechend dem gegebenen Konkreten. Da es in dem Berichte derselben kein Größeres gibt, so umfaßt sie unendlich die ganze Natur des gegebenen Konkreten. Wie das absolut Kleinste mit dem absolut Größten koinzidiert, so auch das konkret Kleinste mit dem konkret Größten. Ein ganz deutliches Beispiel hiervon ist die größte Linie, die keinen Gegensatz zuläßt, jeder Figur gleich und das adäquateste Maß von allen ist, mit der der Punkt koinzidiert, wie wir im ersten Buche gezeigt haben. Wäre daher das konkret Größte ein Individuum irgendeiner Art, so müßte dieses die Vollkommenheit der ganzen Gattung oder Art sein, das Leben, das Prinzip, die Idee und Wahrheit in höchster Vollendung von allem, was diese Art als Möglichkeit in sich begreift. Dieses konkret Größte wäre über alle Natur der Konkretheit hinaus deren Höhepunkt (terminus finalis) und würde ihre ganze Vollkommenheit in sich fassen. Jedem Gegebenen wäre es, über alle Proportion erhaben, vollkommen gleich, nicht größer, nicht kleiner, als Jegliches; die Vollkommenheit von allem würde es in ganzer Fülle in sich fassen. Hieraus erhellt, daß das konkret Größte nicht als rein Konkretes (pure contractum) gelten kann, nach dem kurz vorhin Gezeigten, wonach kein Konkretes innerhalb der Grenze der Gattung oder Art die höchste Vollkommenheit erreichen kann, aber auch als konkret nicht Gott, der absolut ist, sein kann. Es wäre somit notwendig das konkrete Größte, das ist: Gott und Geschöpf, absolut und konkret, in einer Konkretheit, die nicht aus sich Bestand hätte, ruhte sie nicht in der absoluten Größe. Denn es gibt, wie im ersten Buche gezeigt ist, nur ein Größtes, durch welches das Konkrete Größtes genannt werden kann. Wenn nun die größte Macht das Konkrete so mit sich eint, daß es, unbeschadet der beiderseitigen Naturen, nicht noch mehr geeint sein könnte, und daher das so Geeinte mit Beibehaltung der Natur der Konkretheit die konkrete und erschaffene Vollkommenheit einer bestimmten Art, infolge der hypostatischen Einigung aber zugleich Gott und Alles ist, so würde diese wunderbare Einigung all unsern Verstand übersteigen. Denn denkt man sie als eine Vereinigung von Entgegengesetztem (quemadmodum diversa uniuntur), so wäre dies ein Irrtum; denn das absolut Größte ist kein anderes oder Verschiedenes, da es alles ist. Denkt man sie als zwei, die vorher getrennt, jetzt verbunden (coniuncta) sind – gefehlt! Denn in der Gottheit ist kein Vorher und Nachher, auch ist sie nicht dieses mehr als jenes. Das Konkrete konnte auch nicht vor der Vereinigung dieses oder jenes sein, denn es ist eine in sich bestehende individuelle Persönlichkeit. Jene Vereinigung ist endlich auch nicht die Verbindung von Teilen zu einem Ganzen, da Gott kein Teil sein kann. Wer sollte daher diese wunderbare Vereinigung begreifen, die auch nicht wie die Verbindung der Form mit der Materie ist, da Gott als absolut sich mit der Materie nicht vermengen kann! Sie ist daher erhabener als alle denkbaren Vereinigungen. Das Konkrete besteht hier, da es das Größte ist, nur in dem absolut Größten, ohne diesem einen Zuwachs zu geben, da es das absolut Größte ist, ohne in dessen Natur überzugehen, da es konkret ist. Das Konkrete ruhte (subsisteret) demnach in dem Absoluten in der Weise, daß, wenn wir es uns als Gott vorstellten, dies irrig wäre, da das Konkrete seine Natur nicht aufgibt; dächten wir es als diese Natur (si ipsam esse imaginaremur), so irrten wir, da das absolut Größte, Gott, dieser Natur nicht bedarf. Nehmen wir es als aus beiden zusammengesetzt, so täuschen wir uns, da eine Zusammensetzung aus Gott und Geschöpf, konkretem und absolut Größtem, unmöglich ist. Man muß sich daher jenes konkret Größte so als Gott denken, daß es dabei zugleich Geschöpf