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als ich. Er selbst ist immer ein wenig stumm und auf eine Art verlegen, bis er die Gesellschaft recht angesehen hat, um zu wissen, wer da ist. Er setzt sich dann immer dicht neben mich, etwas zurück, so dass er sich auf die Lehne von meinem Stuhle stützen kann; ich fange dann zuerst ein Gespräch mit ihm an, dann wird er lebendig und unbeschreiblich liebenswürdig.« »Er ist das vollkommenste Wesen, das ich kenne; eine hohe schöne Gestalt, die sich sehr gerade hält, sehr sorgfältig gekleidet, immer schwarz oder ganz dunkelblau, die Haare recht geschmackvoll frisiert und gepudert, wie es seinem Alter ziemt, und ein gar prächtiges Gesicht mit zwei klaren, braunen Augen, die mild und durchdringend zugleich sind. Wenn er spricht, verschönert er sich unglaublich, und ich kann ihn dann nicht genug ansehen.«

      Er fühlte sich der Frau Schopenhauer so befreundet, dass er interessante Personen, die um seinetwillen nach Weimar gekommen waren, bei ihr einführte. So lernte sie Bettina Brentano, Goethes jugendliche Freundin, und Zacharias Werner, den Dichter der »Söhne des Thals« und der »Weihe der Kraft«, in ihrem eigenen Hause kennen, jene den 1. November, diesen den 23. Dezember 1807.126

      In welcher Epoche damals Goethes dichterische Kraft und Tätigkeit stand, bekunden uns seine Werke. Während eines mehrwöchentlichen Aufenthaltes in Jena (vom 11. Nov. bis 18. Dezember 1807) entstanden unter dem Eindruck der in schönster Jugendblüte prangenden Minna Herzlieb, der Pflegetochter des Frommann’schen Hauses, die Sonette.127 Gleichzeitig reifte die Dichtung der »Pandora«. Der Plan der »Wahlverwandtschaften« wurde entworfen, und die Ausführung gedieh nach einigen Unterbrechungen schnell zur Vollendung, so dass dieser tief durchdachte, seelenkundige und mit der vollkommensten Meisterschaft geschriebene Roman noch im Jahre 1809 erscheinen konnte. Ostern 1808 war der erste Teil des »Faust« endlich erschienen und nun dieses weltbedeutende Gedicht auch für alle Zeiten weltberühmt.

      Die literarischen Größen Weimars versammelten sich im Hause der Frau Schopenhauer und zierten ihre Tafelrunde; jeder trug zur Erheiterung und Belehrung der Gäste bei, was er vermochte. Bisweilen erschien auch Wieland und las aus seiner Übersetzung des Cicero vor, und Hildebrand von Einsiedel, der Hofmarschall der Herzogin Amalia, der den Anbruch der goldenen Zeit Weimars schon miterlebt und mitgefeiert hatte, gab seine Übersetzung plautinischer Lustspiele zum besten. Mit vollem Rechte konnte Johanna Schopenhauer bald nach ihrer Ankunft dem Sohne schreiben: »Der Zirkel, der sich Sonntag und Donnerstag um mich versammelt, hat wohl in Deutschland und nirgends seinesgleichen«.

      Unter den vorzüglichen Männern jenes Kreises war einer, mit dem Johanna Schopenhauer alsbald die innigste Freundschaft schloss, die, da seine Tage gezählt waren, nur von kurzer Dauer sein konnte, aber für ihre ganze Zukunft die heilsamsten Folgen hatte, auch für die ihres Sohnes, weshalb diesem Freunde hier eine Stelle gebührt. In ihm fand Frau Schopenhauer den Führer, den sie zur Ausbildung und Anwendung ihrer Fähigkeiten bedurfte.

      Karl Ludwig Fernow, ein Bauernsohn aus der Uckermark, hatte sich vom Notarsschreiber, Apothekerlehrling und Apothekergehilfen zum Künstler, Ästhetiker und Gelehrten emporgearbeitet. Als er im Jahre 1786 in die Ratsapotheke nach Lübeck kam, lernte er den Zeichenkünstler und Maler Asmus Carstens kennen, und im Verkehr mit ihm, der sein Lehrer und Freund wurde, erkannte er in dem Studium und der Ausübung der bildenden Kunst seinen eigentlichen Beruf. Dass die bildende Kunst nationale Aufgaben und Zwecke zu erfüllen, dass sie durch die Wahl großer Gegenstände und deren Darstellung in Wandgemälden an der Erziehung des Volks teilzunehmen habe, waren Ideen, die der großdenkende Carstens hegte und auf seinen Freund übertrug. Solche Gesichtspunkte führten in das Gebiet der Kunstgeschichte und Kunstphilosophie. Mit Begeisterung las Fernow Schillers ästhetische Aufsätze, studierte er Kants »Kritik der Urteilskraft« und hörte er Reinholds Vorlesungen in Jena. Es gelang ihm nach Rom zu kommen, wo er mit Carstens einige Jahre zusammenlebte. Als dieser den 26. Mai 1798 hier gestorben war, hielt ihm Fernow an der Pyramide des Cestius die Grabrede und wurde nachmals sein Biograph.

      Nach einem neunjährigen Aufenthalt in Rom (1794 – 1803) war er als ein vorzüglicher Kenner der antiken Kunst wie der italienischen Malerei, Sprache und Poesie nach Deutschland zurückgekehrt, um in Jena Vorlesungen über Ästhetik, Kunstgeschichte und italienische Literatur zu halten. Aber an der Ausübung dieses Lehramtes hinderte ihn ein schweres Leiden, das er sich auf der Rückreise mit Weib und Kind in ungünstiger Jahreszeit durch Entbehrungen und Strapazen aller Art zugezogen hatte. Nun wurde er Bibliothekar der Herzogin Amalia und lebte in Weimar, mit umfassenden Arbeiten beschäftigt: darunter waren die Lebensbeschreibungen der vier größten Dichter und Maler Italiens und die Gesamtausgabe der Werke Winckelmanns.

      Gleich im Beginn ihrer weimarschen Zeit hatte ihn Frau Schopenhauer am Hofe der Herzogin kennen gelernt; bald gehörte er zu ihren täglichen Gästen, er kam jeden Abend zur Teestunde, las und erklärte ihr italienische Dichter oder sprach über Werke der bildenden Kunst. Nach dem Tod der Herzogin (den 10. April 1807) verschlimmerte sich seine Krankheit, deren eigentliche Beschaffenheit die Ärzte entweder verkannten oder verheimlichten. Als er Antonio Scarpas jüngste Schrift »sul aneurysmo« gelesen hatte, kannte er sein Schicksal. Er litt an der Pulsadergeschwulst. Nachdem seine schwindsüchtige Frau, eine Römerin aus der dienenden Klasse, verschieden war, wohnte er während der letzten Monate seines Lebens im Hause der Freundin und genoss die liebevollste Pflege. Hier starb er den 4. Dezember 1808.

      Der beständige Verkehr mit Fernow, seine Gespräche und sein Beispiel führten Johanna Schopenhauer in die schriftstellerische Bahn. Ihr erster Gegenstand war Fernow selbst. Sie schrieb großenteils aus dem Nachlass der Briefe seine ergreifende Lebensgeschichte und fand Teilnahme und Beifall (1810).128 Dann versuchte sie sich als Kunstschriftstellerin. Noch glücklicher und ergiebiger konnte sie sich auf dem Felde der Reiseerzählung erproben, da sie hier in dem vertrauten Element ihrer eigenen Erlebnisse und Erfahrungen war. So erzählte sie ihre Reise durch England und Schottland (1813) und die durch das südliche Frankreich (1817). Sie war bereits eine Schriftstellerin von Ruf, als sie anfing Romane zu schreiben und leider genötigt wurde, ihre Feder nunmehr als Erwerbsmittel zu brauchen. Nach dem Vorbild der neuen Heloise, des Werther und der Wahlverwandtschaften schrieb sie ihre »Gabriele« (1819 – 1821), einen mehrbändigen Roman, dessen Heldin das Ideal leidenschaftlicher Hingebung und völliger Entsagung verkörpern sollte. Goethe hat diesen Roman, der die Höhe ihrer dichterischen Leistungen bezeichnet, in Marienbad gelesen und gelobt, ein Jahr bevor er hier die letzte seiner eigenen Wahlverwandtschaften erlebt hat, woraus aber kein Roman, sondern die »Marienbader Elegie« hervorging (1823).

      1. Die letzten Jahre in Hamburg

      Während Mutter und Tochter in Weimar eine zweite Heimat gefunden hatten, worin sie sich mit jedem Tage wohler und behaglicher fühlten, wurde der Sohn in Hamburg von Tag zu Tag unzufriedener mit seinem Los und schrieb verzweifelte Briefe. Es ging ihm wie Descartes, aber umgekehrt. Dieser stand mit sechzehn Jahren am Ende der Schulzeit und brannte vor Begierde nach dem Buch der Welt; Arthur Schopenhauer hatte in ungefähr gleichem Alter in dem Buch der Welt schon viel geblättert und vielerlei gelesen; jetzt brannte er vor Begierde nach dem Unterricht der Gelehrtenschule und den Büchern der Weisheit als nach dem Stoff, dessen sein Gestaltungsvermögen bedurfte.

      Er trieb in Hamburg allerhand Allotria, womit er seinen Lehrherrn hinterging; eifrig und heimlich hörte er alle Vorlesungen, welche Gall über seine Schädellehre hielt; in Gemeinschaft mit seinem Freunde Anthime de Blésimare, der zur Erlernung der deutschen Sprache nach Hamburg gekommen war, gab er sich lockeren Genüssen und Ausschweifungen hin, die seinem erhabenen Selbstgefühl recht zur Beschämung gereichten. Man darf sich überhaupt seine pessimistische Grundstimmung ja nicht als dumpf und elegisch vorstellen, dazu war in ihm zu viel Naturkraft und Geisteslebendigkeit. Wenn er in Klagen ausbrach, äußerten sich dieselben bitter und spottsüchtig.

      Um eine Natur, wie die seinige, für den kaufmännischen Beruf zu gewinnen, war eine Reise durch die weite große Welt, wie sie der Vater ihm hatte angedeihen lassen, ein sehr zweckwidriges Mittel gewesen. Und die Briefe, die jetzt die Mutter an ihn schrieb,

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