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Auflehnung.

      »Wofür? Daß sie einem gesunden Jungen das Leben geschenkt hat, und daß Sie Ihren Sohn zu einem glücklichen Mann gemacht hat?«

      »Ja, es ist gut. Sprechen Sie nicht weiter«, wehrte die alte Dame ab. »Ich möchte ihn sehen.«

      Stella war selig. Eben hatte sie ihr Kind zum erstenmal im Arm gehalten. Ihre Dankbarkeit gegenüber Brigitte kannte keine Grenzen. Fabian hatte ihr das Leben gerettet, damals, an einem Tag, der sehr fern lag, aber Brigitte hatte sie es zu verdanken, daß sie sich über das Kind freuen durfte.

      »Wenn er ein Schwesterchen bekommt, nennen wir es Brigitte.« Das war bereits beschlossene Sache.

      Nun hatte man das Kind wieder geholt, und sie war allein. Wie lieb es von Brigitte doch gewesen war, zu ihr zu kommen, obgleich sie sich ungern von ihrem Mann trennte.

      Johannes hätte am liebsten die Geschäftsreise abgebrochen, aber gerade jetzt, wo die Firma einen solchen Aufschwung nahm, konnte er es sich nicht leisten. Stella verstand es immer wieder, seine Energie anzuspornen, seinem Unternehmungsgeist neue Impulse zu geben.

      Wie er sich freuen wird, daß es nun doch ein Junge ist, überlegte sie. Er hatte immer behauptet, daß es ihm gleich sei. Aber sie hatte sich einen Sohn gewünscht, insgeheim hoffend, daß sie ihre Schwiegermutter dann versöhnlich stimmen könnte.

      Sie wollte nicht, daß Hans sich noch weiter von ihr entfremdete. Es war quälend, zu sehen, wie gezwungen er seine Besuche bei der Mutter erledigte. Nein, auch Stella war in ihrem Glück nicht egoistisch, so lag ihr mehr an einem guten Verhältnis zu der alten Dame, als viele ahnten.

      Im übrigen war ihre Position gefestigt. Man schätzte sie und achtete sie als Frau des Chefs. Ja, man bewunderte ihn deshalb heimlich, weil er den Mut gehabt hatte, seiner Mutter die Zähne zu zeigen, denn großer Sympathien hatte sich Frau Kunz nie erfreut.

      Stella schloß die Augen und träumte vor sich hin. Heute abend, spätestens morgen kam Hans zurück. Er hatte schon daheim angerufen und mit Brigitte telefoniert. Sie wußte, wie stolz er sein würde, seiner Mutter sagen zu können, daß sie einen Sohn hatten.

      Wir müssen noch mehr Kinder haben, nicht nur eines, überlegte Stella weiter. Sonst konzentriere ich meine ganze Liebe auch auf ihn und werde vielleicht genauso wie Johannes’ Mutter.

      Da ging leise die Tür auf. »Bist du es, Biggi?« fragte Stella in das Halbdunkel hinein und knipste die Lampe an.

      Sie richtete sich verblüfft auf, als sie die schmale Gestalt im grauen Mantel gewahrte.

      »Guten Tag, Stella«, sagte Frau Kunz leise. »Ich hoffe, daß ich nicht ungelegen komme.«

      Sie war tatsächlich gekommen! Johannes’ Mutter trat an ihr Bett, und Stella konnte es noch immer nicht begreifen.

      »Ich könnte es verstehen, wenn du mich nicht sehen willst«, sprach die alte Dame weiter.

      »Doch, doch«, wehrte Stella ab. »Ich bin nur so überrascht.«

      »Wie geht es dir?«

      Was sollte man sonst schon sagen, wenn man eine Kluft zu überwinden hatte, die so tief erschien, daß man keine Brücke darüber schlagen konnte.

      »Es geht mir gut. Wir haben einen Sohn. Einen kleinen Johannes.«

      »Ich weiß«, erwiderte Frau Kunz. »Ich durfte ihn eben schon sehen. Ein hübsches Baby. Ich habe ihm etwas mitgebracht und dir auch.«

      Feine Röte war in die blassen Wangen gestiegen. Ihr Gesicht sah jetzt nicht mehr so streng und unnahbar aus, eher verlegen und sogar ein wenig ängstlich.

      »Die Blumen bringt die Schwester gleich herein«, fuhr sie zu Stellas Verwunderung fort. »Hier, das ist für dich, und das ist für das Kind.« Sie legte zwei kleine Päckchen auf die Bettdecke.

      »Vielen Dank«, flüsterte Stella gerührt, »dafür, daß Sie gekommen sind.«

      In einer spontanen Freude streckte sie ihrer Schwiegermutter die Hand entgegen, die diese sofort ergriff und festhielt.

      »Wirst du mich eines Tages auch Mama nennen können, Stella?« fragte sie mit erstickter Stimme. »Aber nun schau dir lieber erst an, was ich dir mitgebracht habe«, fuhr sie überstürzt fort, als fürchtete sie doch noch eine abweisende Antwort zu erhalten.

      Erwartungsvoll öffnete Stella die Päckchen. Erst jenes, das für das Kind bestimmt war, und das ein Goldkettchen mit einem Anhänger enthielt, auf dem der Name »Johannes« eingraviert war.

      »Er trug es als Kind immer«, erläuterte Frau Kunz leise.

      »Nun wird es wieder ein Johannes tragen«, ergänzte Stella, und Zärtlichkeit schwang in ihrer Stimme mit.

      Das andere Päckchen enthielt ein wundervolles, schweres Goldarmband.

      »Ich bekam es zur Geburt meines Sohnes«, erklärte Frau Kunz. »Wenn ich dich damit versöhnen kann? Wenn man alt und eigensinnig ist, kann man sich so schwer ändern. Aber ich habe viel Zeit zum Nachdenken gehabt.«

      »Sie... du konntest mir keine größere Freude machen, Mama«, versicherte Stella leise. Sie beobachtete erschüttert, daß die alte Dame das Gesicht abwandte, um die Tränen zu verbergen, die ihr über die Wangen liefen.

      »Mich würde es nicht wundern, wenn ich dies auch Brigitte zu verdanken hätte«, fuhr sie überzeugt fort. »Ein guter Mensch auf Erden ist besser als alle Engel im Himmel.«

      Sanft streichelte sie die Hand ihrer Schwiegermutter. »Jetzt bin ich vollends glücklich.«

      Da trat die Schwester ein, und ihr folgte Johannes. »Stella!« rief er voller Zärtlichkeit, und dann verwundert: »Mama!«

      »Begrüße nur erst deine Frau«, sagte Frau Kunz, »ich werde draußen warten.«

      »Nein«, wehrte Stella ab, »bleib hier! Wir gehören doch nun alle zusammen.«

      Wieder einmal hatte Brigitte recht behalten. Das Kind hatte die entzweite Familie versöhnt.

      »Ich bin ja sehr gespannt, ob dein Zauberamulett uns auch einmal zu einem so prächtigen Sohn verhelfen wird«, neckte Fabian seine Frau, als sie wieder in ihr schönes Heim zurückgekehrt waren.

      »Dazu brauche ich das Amulett nicht«, entgegnete sie stolz. »Ich weiß ganz genau, wann du deinen Sohn bekommen wirst. Aller Wahrscheinlichkeit nach in acht Monaten und drei Tagen.«

      Er nahm sie behutsam in die Arme und küßte sie innig. »Mir wird es mit dir direkt langsam unheimlich«, flüsterte er.

      »Bin ich denn zum Fürchten?«

      »Zum Verlieben immer wieder aufs neue, meine süße geliebte Frau, meine kleine Zauberin!«

      »Nun ja, er kann allerdings auch ein paar Tage früher kommen«, lachte sie.

      »Er könnte ja auch eine Sie sein«, gab er zu bedenken.

      Sie schüttelte den Kopf. »Es wird ein Sohn«, behauptete sie. »Das weiß ich ganz bestimmt.«

      *

      Es wurde ein Sohn, und er kam auf den Tag genau, wie es Brigitte vorausgesagt hatte. Er hatte sich für den Beginn seines Erdendaseins einen besonderen Tag ausgesucht, einen Sonntag, und noch dazu den ersten Advent. Brigitte hatte gerade die erste Kerze an dem liebevoll geschmückten Tannenkranz angezündet, als die Wehen einsetzten.

      Zwei Stunden später war er schon da. Aber er kam nicht allein, sondern brachte gleich sein Schwesterchen mit, und damit versetzte Brigitte ihre Umwelt wieder einmal in sprachloses Erstaunen. An Zwillinge hatte niemand gedacht, nicht einmal sie selbst.

      Fabian mußte erst ein paarmal tief Luft holen, bis er es begriff. »Herzlichen Glückwunsch zum Sohn, Herr Dr. Bredow«, hatte die Schwester gesagt, »und natürlich auch zur Tochter!«

      Zunächst war er fassungslos.

      »Bei dir ist man tatsächlich vor nichts sicher«, sagte er zu Brigitte.

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