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Schliff fehlte und an dem, was der Graf die »Anmut« nannte, die englischen Frauen zu eigen war.

      Also schickte er Orina — wenn auch schweren Herzens — zu ihrem Großvater nach England, jedoch erst nachdem Einverständnis darüber erzielt worden war, daß sie mindestens zwei Monate im Jahr zu ihm kommen konnte.

      Der Graf war überglücklich.

      Und auch Orina genoß es, im angestammten Haus der Familie in Huntingdonshire zu leben.

      Es war ein wunderschönes Haus mit einer kostbaren Einrichtung und einem großen Grundbesitz. Im Gegensatz zum geschäftigen Reiben jenseits des Atlantiks war hier alles wohl geordnet, geruhsamer und friedlicher.

      Orina beobachtete oft ihre Großmutter, wie sie ihre Gäste mit zurückhaltender Würde empfing. Es erinnerte sie an die Bewegungen bei einem Ballett.

      Sie beobachtete die Diener bei den Mahlzeiten, die nie einen Fehler machten und ihre Pflichten so verrichteten, als würden sie von einer nicht wahrnehmbaren Stimme dirigiert.

      Auch die Gäste, so bemerkte sie, verhielten sich völlig anders als die lauten und plappernden Amerikaner. In Amerika unterhielt man sich quer über den Tisch hinweg, in England hingegen nur mit seinem Tischnachbarn zur Rechten und zur Linken.

      Im Unterschied zu jedem anderen Mädchen ihres Alters erhielt Orina so eine zweifache Erziehung. Aus beiden Ländern stand ihr das Beste zur Verfügung.

      Ihr Großvater war zwar ein reicher Mann, doch ihr Vater hatte darauf bestanden, daß er für alles aufkam, was sie benötigte. Er hatte sie mit einem beschämend großen Bankkonto nach England geschickt, von dem sie Geld abheben konnte, wann immer es ihr gefiel.

      Da ihr Großvater wollte, daß sie ihre erste Saison in London verbrachte, wurde sie von ihrer Großmutter bei Hofe eingeführt.

      Sie besuchte einen Ball nach dem anderen.

      Beim Pferderennen in Ascot saß sie in der königlichen Loge, und war zweifelsohne das hübscheste Mädchen der Saison.

      Es war natürlich nicht allein ihre Schönheit, die dazu führte, daß man ihr einen Heiratsantrag nach dem anderen machte. Die Geschichten über den Reichtum ihres Vaters und die Tatsache, daß sie ein Einzelkind war, trugen zu ihrem durchschlagenden Erfolg nicht unerheblich bei.

      Orina wäre ein ungewöhnlicher Mensch gewesen, hätte sie nicht gegen Ende der Saison über ein sehr gesundes Selbstvertrauen verfügt.

      Zu diesem Zeitpunkt segelte sie auf Wunsch ihres Vaters nach New York zurück. Sie wurde von einer Anstandsdame, einem Reiseleiter und einer Kammerzofe begleitet. Die schönste Luxussuite auf dem Schiff stand zu ihrer Verfügung.

      Ihr Vater holte sie in New York ab, wo sich viele Pressefotografen eingefunden hatten, um sie abzulichten, als wäre sie eine königliche Hoheit.

      Dale Vandeholt hatte bereits den größten Ball vorbereitet, den New York je erlebt hatte.

      Noch vor dem Ball gab er ein Dinner für fast dreihundert Personen und eine Anzahl weiterer Gäste, die später eintrafen. Jeder der Gäste erhielt ein Geschenk aus Gold, in das Orinas Initialen eingraviert waren..

      Drei Orchester spielten zum Tanz auf, eines davon war das bekannteste und erfolgreichste Orchester New Yorks. Das zweite war ein Zigeunerorchester, das eigens zu diesem Zweck aus Ungarn verpflichtet worden war. Das dritte, das Country Music spielte, stammte von der Vandeholt Farm.

      Von diesem gesellschaftlichen Ereignis sprach man noch lange in New York.

      Es waren schließlich allerlei ungewöhnliche Dinge zu besichtigen gewesen.

      So gab es einen Springbrunnen, der Parfüm versprühte und einen eigens im Park angelegten See mit Gondeln.

      Um Mitternacht wurde ein Feuerwerk gezündet, das den Himmel in ein Farbenmeer verwandelte.

      Alles in allem war es die teuerste und aufregendste Zurschaustellung, die man je gesehen hatte.

      Wie nicht anders zu erwarten, amüsierte sich Orina köstlich.

      In den folgenden Monaten erhielt sie sogar noch mehr Heiratsanträge als in London.

      Doch eines Tages hatte sie genug.

      »Laß uns zur Farm fahren, Papa«, bat sie ihren Vater.

      Er lachte.

      »Willst du all deine Bewunderer allein lassen?«

      »Alle sagen immer dasselbe«, beschwerte sich Orina. »Und während sie mich mit vor Bewunderung glänzenden Augen ansehen, rechnen sie im Kopf aus, wieviel Geld du wohl im vergangenen Jahr verdient hast!«

      Ihr Vater hob abwehrend seine Hände.

      »Erst achtzehn und schon Zynikerin? Das darf nicht wahr sein!«

      »Ich bin nicht zynisch«, verteidigte sich Orina. »Ich bin nur so praktisch veranlagt wie du, Papa. Es ist besser, den Tatsachen realistisch ins Auge zu sehen, als an Märchen zu glauben.«

      Zu ihrer Überraschung lachte er nicht, sondern sah sie ernst an.

      »Märchen gibt es immer wieder«, antwortete er ruhig. »Als ich deiner Mutter begegnete, wurde mein Märchen jedenfalls Wirklichkeit.«

      »Das weiß ich doch, Papa«, sagte Orina sanft. »Ich kann mich daran erinnern, daß Mama sagte, wie wunderbar sie dich fand. In dem Augenblick, in dem sie dich erblickte, schlug ihr Herz einen Purzelbaum.« Sie zögerte einen Augenblick. »Leider habe ich so etwas noch nie erlebt«, fügte sie dann leise hinzu.

      »Das kommt noch«, meinte ihr Vater. »Ich verspreche dir, daß du es eines Tages auch erlebst, und aus diesem Grund möchte ich, daß du mir dein Wort gibst, nur einen Mann zu heiraten, den du liebst und von dem du überzeugt bist, daß er dich um deiner selbst willen begehrt.«

      Orina nickte, und ihr Vater setzte hinzu: »Ich war immer der Meinung, es sei schlecht für dich, daß du ein Einzelkind geblieben bist, aber da Gott mir in meinem Leben so viel geschenkt hat, darf ich nicht so unverschämt sein, noch mehr von ihm zu verlangen. Aus diesem Grund jedoch trägst du eine große Verantwortung.«

      »Das weiß ich«, sagte Orina.

      »Es ist nicht allein die Verantwortung für andere Menschen«, fuhr Dale Vandeholt fort, »sondern du mußt auch noch die Spreu vom Weizen trennen, mein Schatz — und dies ist eine sehr schwierige Aufgabe.«

      Orina seufzte leise, und da sie nichts erwiderte, sah ihr Vater sie nach einer Weile streng an.

      »Wenn du dies alles schon entdeckt hast, so hat es dich doch nicht geschmerzt, oder?«

      »Nein, natürlich nicht!« antwortete Orina schnell, allzu schnell.

      Sie sagte weiter nichts mehr, und Dale Vandeholt war feinfühlig genug, um zu wissen, daß er nicht weiter in sie dringen durfte.

      Sie hatten sich auf die Farm begeben, und er war glücklicher, als er nach dem Tod seiner Frau je gewesen war.

      Sie ritten gemeinsam aus und unterhielten sich bis spät in die Nacht hinein. Eines Tages nach dem Abendessen erzählte er ihr von seinen Zukunftsplänen und den verschiedenen Unternehmungen, an denen er im Augenblick beteiligt war.

      Er war klug genug gewesen, um zu erkennen, daß er nicht alles allein erledigen konnte. Also hatte er sich nach ehrgeizigen jungen Männern umgesehen, die er als Verwalter einstellte. Sie besaßen, davon war er überzeugt, denselben intuitiven Sinn dafür, was richtig und was falsch war, wie er.

      Nacht für Nacht fuhr er damit fort, Orina seine Geschäftsgeheimnisse anzuvertrauen.

      Sie ließ sich von dem riesigen Geflecht, das er über ganz Amerika ausgebreitet hatte, begeistern und faszinieren.

      »Dies ist ein großartiges Land — und ein neues dazu«, sagte ihr Vater. »Die Möglichkeiten, etwas zu entwickeln, warten nur darauf, daß sie von einem fähigen Kopf aufgegriffen werden.«

      »Deshalb kann sich Amerika glücklich preisen,

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