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MATTHEW CORBETT und die Königin der Verdammten (Band 2). Robert Mccammon
Читать онлайн.Название MATTHEW CORBETT und die Königin der Verdammten (Band 2)
Год выпуска 0
isbn 9783958353299
Автор произведения Robert Mccammon
Жанр Языкознание
Серия Matthew Corbett
Издательство Bookwire
»Nach Euch«, murmelte Greathouse.
Matthew ging zu Ramsendell hinüber. Hulzen trat einen Schritt zurück und beobachtete die Szene.
»Dies ist unsere Königin, Sirs. Der Höflichkeit halber nennen wir sie Madam.«
Matthew blieb stehen. Er sah auf eine zierliche, gebrechlich wirkende Frau hinunter, die ihn überhaupt nicht beachtete, sondern weiter aus dem Fenster auf die blinkenden Lichter in den Bäumen sah. Er schätzte sie auf einige Jahre über sechzig. Vielleicht fünfundsechzig. Oder schon fast siebzig? Es war schwer zu sagen. Sie versank fast in ihrem seidenen Hausmantel, der die rosafarbene Schattierung der hellsten Rosen hatte. Ihre Füße steckten in Hausschuhen aus dem gleichen Material in der gleichen Farbe und waren mit kleinen Schleifen verziert. Ihre Wolke dichten weißen Haares war ordentlich gebürstet, und ihr Gesicht, das Matthew im Profil sehen konnte, war sehr faltig, jedoch von unschuldigem und fast kindlichem Ausdruck. Sie starrte geradeaus. Ihre Augen glitzerten im Lampenlicht. Sie war ganz auf den Tanz der Glühwürmchen konzentriert. Als Matthew sie musterte, zuckte ihr Mund unter der eleganten Himmelsfahrtnase, als stellte sie sich Fragen oder machte Beobachtungen, die ihre Besucher nicht hören konnten. Ihre Hände umklammerten die Armlehnen. Sie trug keine Ringe, auch keine Halskette oder anderen persönlichen Schmuck. Und auch nichts, das Aufschluss über ihre Person gab, dachte Matthew.
»Hat sie einen Ehering?«, sprach er seine Gedanken aus.
»Sie ist ohne Schmuck zu uns gekommen«, sagte Ramsendell. »Aber mit den Möbeln. Wir haben uns die Freiheit genommen, nach Briefen oder anderen Papieren zu suchen, um herauszufinden, wer sie ist. Nichts hat uns einen Hinweis gegeben, obwohl sie offensichtlich eine wohlhabende Frau war – ist.«
»In der Bibel steht kein Name? Keine Initialen?«
»Es sieht nach einem neuen Buch aus. Ganz unbenutzt.«
»Sind an den Möbeln nicht die Initialen des Schreiners zu sehen?«
»Daran hatte bereits jemand gedacht«, sagte Hulzen. »Die sind entweder abgeschmirgelt worden oder da, wo sie eingebrannt waren, hat sie jemand herausgemeißelt.«
Greathouse trat zu ihnen und stellte sich neben Matthew. »Kann sie uns hören?« Für seine Verhältnisse flüsterte er fast.
»Ihr Gehör funktioniert einwandfrei. Aber sie reagiert so gut wie nie, wenn sie angesprochen wird, und wenn doch, dann nur mit einem schnellen Ja oder Nein. Oder mit einem rätselhaften Satz, der weder Curtis noch mir einen Sinn ergibt.«
Matthew sah, dass die Frau ihren Kopf leicht nach links neigte, ganz, als würde sie jetzt interessierter zuhören. Aber an ihrem ruhigen Blick änderte sich nichts und sie machte keine weiteren Bewegungen. Da Hudson Greathouse in der Gegenwart von Geistesgestörten in eine Art Lähmung zu verfallen schien, beschloss Matthew, das Ruder zu übernehmen. »Ich glaube, Ihr müsst uns die ganze Geschichte erzählen.«
Ramsendell nickte. Er sah die Frau fast zärtlich an, als er zu reden begann. »Sie ist im April 1698 zu uns gekommen …«
»Zu Euch gekommen?«, unterbrach Matthew ihn. Jetzt war er ganz in seinem Element, er spürte das Blut förmlich in sein Gehirn fluten. »Wie denn?«
»Sie wurde zu uns gebracht«, korrigierte sich Ramsendell. Er beantwortete die nächste Frage, bevor Matthew sie stellen konnte. »Von einem Anwalt aus Philadelphia, Icabod Primm aus der Market Street. Er hatte uns angeschrieben und kam vorher auf einen Besuch vorbei, um sicherzustellen, dass sein Klient zufrieden sein würde.«
»Moment.« Greathouse war komplett verwirrt. »Sein Klient? Ich dachte, Ihr sagtet, dass Ihr nicht wisst, wer sie war. Ist, meine ich.«
»Wissen wir auch nicht.« Hulzens angesäuerte Miene ließ den Schluss zu, dass er Greathouse für einen Tölpel zu halten begann. »Das versuchen wir gerade, Euch zu erklären.«
»Dann bitte etwas klarer«, sagte Matthew scharf. »Wie kommt es, dass diese Frau hier ohne Namen eintraf, aber von einem Anwalt aus Philadelphia vertreten wurde?«
»Mr. Primm«, gab Ramsendell Antwort, »hat sie nie anders als Madam oder Lady genannt. Wenn er überhaupt mit ihr gesprochen hat – soweit ich mich entsinne, war das eher selten der Fall, und sie befand sich sowieso in demselben Zustand, den Ihr jetzt seht. In seinen Briefen wurde ein Klient erwähnt, aber kein Name. Uns wird alljährlich eine Geldsumme bezahlt – übrigens ein beträchtlicher Betrag –, um Madam in diesem Zimmer zu betreuen, wo sie von den andern Patienten getrennt und von Gegenständen aus ihrem … soll ich es ihrem früheren Leben nennen … umgeben ist. Besuch hat sie nie bekommen, aber immer am 16. April wird uns das Geld von Mr. Primm per Bote zugestellt. Vor vier Jahren, bei der ersten Zahlung, hat er uns zu verstehen gegeben, dass jeglicher Versuch unsererseits, Madams Namen und Vergangenheit aufzudecken, ihn sofort dazu veranlassen wird, sie aus diesem Hospital zu entfernen. Er sagte, dass sein Klient ihm eine Generalvollmacht ausgestellt hat. Und so haben wir die Einweisung mit all seinen Bedingungen unterschrieben.«
»Sein Klient.« In Greathouses Stimme schwang leichte Abscheu mit. »Irgendein ein junger Schurke, der eine wohlhabende ältere Frau geheiratet und sie dann hierhin abgeschoben hat, als sie den Verstand verlor? Er behält das Vermögen und nimmt ihr sogar den Ehering ab?«
»Das hatten wir uns auch überlegt, die Idee dann aber verworfen.« Hulzen hatte seine Pfeife wieder angesteckt und stand neben dem Fenster mit der Gartenaussicht. »Ihr müsst verstehen, Mr. Greathouse, dass wir hier mit Behandlungsmethoden experimentieren. Wir glauben, dass Menschen mit Geisteskrankheiten vielleicht geholfen werden kann und dass sie eines Tages möglicherweise in die Gesellschaft zurückkehren können. Deshalb haben wir in diesem Haus vier Räume, in denen wir Patienten behandeln können, die davon profitieren, in einer altvertrauten Umgebung statt der Kargheit des Hospitals zu leben. Zumindest war das zu Anfang unsere Hoffnung.«
»Wie ich bereits sagte, ist ein Zimmer in diesem Teil unseres Hospitals sehr teuer«, fuhr Ramsendell fort. »Wir bezweifeln, dass jemand ein Familienmitglied hierhin abschieben würde, wie Ihr es nanntet, oder sich die Mühe geben würde, all diese schönen Möbel zur Verfügung zu stellen. Nein, wir sind uns sicher, dass Mr. Primms Klient sehr viel am Wohlbefinden von Madam liegt. Primm muss sich die Quäker-Hospitäler angesehen haben und hat dort wohl von uns erfahren.«
»Ist diese Dame die einzige Patientin hier im Haus?«, fragte Matthew.
»Nein, im ersten Zimmer wohnt ebenfalls eine ältere Dame. Leider ist sie bettlägerig. Aber ihren Namen und ihre Vorgeschichte kennen wir und ihr Sohn und die beiden Töchter kommen sie regelmäßig besuchen. Wir freuen uns sehr, dass wir ihr helfen konnten, wieder ein wenig zu sprechen.«
»Das macht doch alles keinen Sinn«, sagte Greathouse ein wenig zu laut. »Warum versucht Ihr denn, etwas über diese Frau herauszufinden, wenn …« Er verstummte, denn die Dame im Sessel hatte den Hauch eines Seufzers von sich gegeben. Ihr Mund bewegte sich erneut, ohne dass ein Ton herauskam. Matthew sah, dass ihr Blick einem Blauhäher folgte, der am Fenster vorbeigeflogen war. Als Greathouse weitersprach, war es, als würde er auf Eiern gehen. »Wenn«, sprach er seinen Satz zu Ende, »Euch das von Mr. Primm verboten wurde?«
»Um es vulgär auszudrücken«, gab Ramsendell zurück, »wir verkaufen uns nicht für Geld wie Huren.«
»Na«, meinte Greathouse mit einem nervösen Lachen. »Das habe ich auch nicht behauptet.«
»Was ich damit sagen will – wir sind Ärzte. Professionelle Heiler. Madam ist seit vier Jahren hier und ihr Zustand ist unverändert. Curtis und ich glauben, dass wir, wenn wir etwas über ihre Vergangenheit wüssten …«, er hielt inne, um sich die Worte zurechtzulegen, »… ihr aus dieser Zelle heraushelfen können, in die sie sich eingeschlossen hat, um die Welt von sich fernzuhalten. Wir glauben, dass sie einen schweren Schock erlitten hat, und dass dies die Art ist, auf die ihr Verstand überlebt.« Er wartete, um sich zu vergewissern, dass Greathouse und Matthew seine Diagnose verstanden. »Ja, wir haben das Geld von Mr. Primm gern entgegengenommen und es zu gutem Zweck in unserem Hospital eingesetzt. Und ja, wir waren