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Wir sind davon bereits unterrichtet.«

      »Gut, Stephan«, schluckte sie ihren Ärger über Almuts Rücksichtslosigkeit hinunter, denn unter den Augen dieses würdevollen Dieners konnte sie sich unmöglich gehenlassen –.

      So ein schreckliches Mädchen! dachte sie empört, während sie Stephan folgte.

      Fährt, ohne mir ein Wort zu sagen, einfach los. Was sollen nur die Gastgeber denken, wenn ich allein zu Tisch erscheine –?

      Nun, die begrüßten sie im Speisezimmer recht liebenswürdig, nahmen ihre Entschuldigung über Almuts Abwesenheit gelassen auf.

      »Stephan hat uns bereits von dem Ausflug Ihres Töchterleins unterrichtet«, lächelte die Gräfin. »Die Kleine scheint recht eigenwillig zu sein.«

      »Leider«, seufzte Adele, während sie sich gleich den andern an den runden Tisch setzte, der im Erker des großen Raumes stand. Auch diese Einrichtung war feudal, wirkte trotz der verschiedenen modernen Neuerungen durchaus stilecht. Das kam wohl daher, weil sie unauffällig dem Ganzen eingefügt waren.

      Adele war in dem Fahrenrothschen Hause natürlich daran gewöhnt, an einer gutgedeckten Tafel zu speisen, doch hier kam ihr alles besonders vornehm vor. Wahrscheinlich machte das die Bedienung Stephans, der mit seiner Würde wohl jede Mahlzeit zu einem Festessen werden ließ.

      Die Unterhaltung war lebhaft, das Essen vorzüglich. Schade, daß Adele all das Gute nicht mit vollem Behagen genießen konnte. Sie empfand Almuts Abwesenheit als äußerst peinlich. Wenn sie auch zu Hause ging und kam, wie es ihr gefiel, aber hier, wo sie Gastfreundschaft genoß, müßte sie unbedingt Rücksicht auf die Hausordnung nehmen... Nun saß sie hier und wußte nicht einmal, wie die Gastgeber Almuts Ungezogenheit aufnahmen.

      *

      Nach dem Essen ging man in ein kleines Gemach, das mit seiner warmen Tönung, den weichen Polstermöbeln, schwellenden Teppichen und guten Bildern einen ungemein traulichen Eindruck machte.

      Vor dem brennenden Kamin standen tiefe Sessel um einen niederen Tisch, auf dem die Kaffeemaschine summte. Hier wurde nach dem Mittagsmahl stets der Mokka getrunken, geraucht und ein Stündchen geplaudert.

      Adele saß einsilbig in ihrem Sessel, nippte von dem aromatischen Getränk und dachte dabei an Almut, bis die Gräfin sie aus ihren Gedanken riß.

      »Warum so schweigsam, gnädige Frau?«

      »Bitte nicht«, wehrte sie hastig ab. Stellte die kleine Tasse auf den Tisch, kämpfte sekundenlang mit ihrer Verlegenheit und begann dann kurz entschlossen: »Mir gebührt die Anrede nicht, Frau Gräfin. Ich bin nämlich gar nicht – Almuts Mutter. Es fällt mir nicht leicht, das zu bekennen, doch es ist mir einfach unmöglich, Ihnen Ihre hochherzige Gastfreundschaft mit einer – Lüge zu lohnen –«

      Erleichtert atmete sie einige Male auf. So, nun war das Schlimmste gesagt, Gott sei Dank –! Schon bedeutend leichter und freier sprach sie weiter: »Im ›Wilden Jäger‹ machte es mir Spaß, für die Mutter des Mädchens gehalten zu werden, weil ich nie damit gerechnet hatte, daß ich die Menschen, mit denen ich einige fröhliche Stunden verlebte, jemals wiedersehen könnte. Wozu da noch eine großartige Namensnennung? Name ist manchmal wirklich Schall und Rauch – aber jetzt nicht mehr, da ich Ihre Gastfreundschaft genieße, Frau Gräfin.

      Kurz und gut: Ich heiße Adele Aldermann und bin weiter nichts als Almut Fahrenroths mütterliche Gefährtin, Betreuerin und wie man es sonst noch nennen mag. Ich weiß nicht so recht, was das mutwillige Mädchen dazu bewogen hat, uns als Mutter und Tochter Niemand auszugeben. Ich bin ja an Almuts unberechenbare Einfälle gewöhnt, und die, die sie kennen, sind es nicht minder. Doch auf Fremde müssen sie einen sonderbaren Eindruck machen, nicht wahr, Frau Gräfin?«

      »Allerdings –«, gab diese lächelnd zu. »Wir haben dem Fräulein den Namen Niemand auch keinesfalls geglaubt. Sicherlich wird es ihn geben – doch hier kam er uns an den Haaren herbeigezerrt vor – zumal sie noch erklärte, von Haus zu Haus ihre Ware anzubieten.

      Solche Damen pflegen anders aufzutreten, nicht einen so kostbaren Wagen zu fahren und nicht Rohrplattenkoffer mit eleganten Toiletten mit sich zu führen, unter denen sich Abendkleider und sogar ein Reitanzug befinden.«

      Sie hielt inne, weil sie über Adeles verdattertes Gesicht lachen mußte.

      »Wie wissen Sie das denn alles, Frau Gräfin?« fragte sie, die Dame hilflos ansehend.

      »Haben Sie denn – Fräulein oder Frau Aldermann?«

      »Fräulein bitte.«

      »Danke, Fräulein Aldermann. Haben Sie denn vergessen, daß wir hier eine vorzügliche Hauspolizei unser eigen nennen?«

      »Stephan?«

      »Ja, Stephan, der uns über alles, was hier geschieht, bis ins kleinste zu unterrichten pflegt.«

      »Na, so was –«, verfiel Adele nun wieder in ihren Lieblingsausdruck. Dann lachte sie so herzlich auf, daß sie die andern damit ansteckte, und sagte so recht schadenfroh: »Das geschieht dem unverbesserlichen Balg recht, daß es diesmal gehörig reingefallen ist. Ausgerechnet den Namen Niemand suchte sie sich aus.«

      »Vielleicht hat die junge Dame Grund, ein Inkognito zu wählen –«, forschte Marbod, doch Adele winkte beruhigend ab.

      »Keineswegs. Sie lebt in so klaren, geordneten Verhältnissen wie selten jemand. Ist die Schwester des sehr angesehenen Adalbert Fahrenroth, eines vornehmen Menschen und äußerst korrekten Kaufmanns mit einem guten Batzen Geld. Ich lebe schon fünfzehn Jahre in diesem großzügigen Hause. Kam als Almuts Erzieherin dort hin, als sie sechs Jahre zählte. Seitdem betrachtet sie mich so sehr als ihr persönliches Eigentum, daß sie mich nicht mehr von ihrer Seite läßt, obgleich sie mich in ihrer Selbständigkeit bestimmt nicht mehr braucht. Wenn ich ihr nicht ständig am Rock baumele, ist ihr einfach nicht wohl –«

      »Dann muß das kleine Fräulein Sie doch wohl lieben«, warf der Hausherr ein, und Adele sah nachdenklich vor sich hin.

      »Lieben? Ich weiß nicht, ob sie überhaupt dazu fähig ist, einen andern Menschen zu lieben. Es ist wohl nur die Gewöhnung an mich. Sie muß eben jemand haben, der ihre Dummheiten wieder ins reine bringt. Jedenfalls bin ich der einzige Mensch, auf den sie hört und von dem sie sich lenken läßt.«

      »Also liebt die Kleine Sie doch«, lächelte die Gräfin. »Was ist sie sonst für ein Charakter?«

      »Großzügig und warmherzig. Nur sehr eigenwillig und unberechenbar. Das kommt daher, weil sie von klein auf in voller Freiheit gelebt, da es den Eltern und dem um zehn Jahre älteren Bruder zu unbequem war, dem Eigenwillen der kleinen Person energischen Widerstand entgegenzusetzen. Dazu kommt noch, daß ihre bezaubernde Art die Menschen wieder entwaffnet. Sonst dürfte sie sich all die kapriziösen Dinge gar nicht erlauben, ohne dabei auf Befremden zu stoßen. Doch so ist man von den Ungezogenheiten noch entzückt, findet sie originell und charmant.

      Schon wie sie mit ihren Verehrern umspringt, das ist ein Kapitel für sich. Man sollte es kaum für möglich halten, was die Herren sich von ihr so alles bieten lassen. Wenn sie diese mit ihrem Charme so richtig betört hat, so daß sie ihr einen Antrag machen, dann weist sie sie mit einer Liebenswürdigkeit ab, die einfach entwaffnet. Ohne ihr etwas nachzutragen, bleiben die Abgeblitzten ihr gewogen.«

      »Also eine Circe –«, lächelte Marbod ironisch. »Stimmt’s, gnädiges Fräulein?«

      »Ja und nein. Um es unbedingt zu sein, dazu ist sie viel zu offen und zu ehrlich. Es gibt nichts Verstecktes in ihrem Charakter.

      So – und nun ist mir wohl, daß ich alles vom Herzen herunter habe, was mich peinigte. Ich hätte nicht froh sein können, bei so großmütigen Gastgebern als Frau Niemand zu gelten. Sogar zur Witwe hat das übermütige Mädchen mich gemacht –«, lachte sie so herzlich, daß sie die andern mitriß.

      »Kommen Sie, Fräulein Aldermann, ich schenke Ihnen frischen Mokka ein«, erbot sich die Gräfin liebenswürdig. »Der in der Tasse ist gewiß kalt und schal geworden –.

      Bitte

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