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Uniform des Regiments in Form einer eng anschließenden grünen Samtjacke mit rotem Aufschlag und goldener Borte, auf dem hohen schneeweißen Toupet einen kleinen dreieckigen Hut mit wallender weißer Feder und frischem Eichenlaub, an der Seite den Degen, in der Hand den langen Rohrstock mit Elfenbeinknopf, wie er damals bei Offizieren, Standespersonen und vornehmen Damen Mode war. Sie schritt, während die Fahne gesenkt wurde, die Trommeln wirbelten, die Pfeifen durcheinander schrillten, Musterung haltend die Front des Regiments ab, und blieb dann in der Mitte des Viereckes stehen, die Arme stolz auf der Brust gekreuzt.

      »Soldaten«, sprach sie, »Ihr seht in mir Euren neuen Obersten. Indem Ihre Majestät, unsere glorreiche Kaiserin Katharina II., mich zu diesem ehrenvollen Posten berief, wollte sie weniger mich und meine geringen Verdienste, als vielmehr ihr Geschlecht ehren, das bisher eine unverdiente Zurücksetzung erfahren hat. Meine Aufgabe ist es, Euch nun zu beweisen, daß die Hand einer Frau Euch sanft und gütig leiten kann, ohne jener Festigkeit zu entbehren, welche irrtümlich dem Manne als ein Vorzug seines Geschlechts zugeschrieben wird. Ich werde liebevoll gegen Euch sein, so lange Ihr Eure Pflicht thut, jederzeit gerecht – aber streng und unerbittlich, wo es der Dienst Ihrer Majestät, die Ehre unserer Fahne verlangt. Sie, meine Offiziere, ersuche ich, in meine Absichten einzugehen, Ihre Untergebenen als Menschen zu behandeln und, wo Strafen unvermeidlich sind, solche zu wählen, welche das Ehrgefühl des Soldaten schonen, insbesondere verbiete ich den Stock und will, daß, wo körperliche Züchtigung unvermeidlich ist, dieselbe durch die Peitsche oder das Gassenlaufen vollzogen wird. Die Peitsche ist poetisch, der Stock gemein und entehrend.«

      »Es lebe unser Mütterchen Oberst!« riefen die Soldaten nach dieser originellen Anrede.

      Zuletzt ließ sich Frau von Mellin die Offiziere vorstellen. Als die Reihe an Pauloff kam, heftete sie ihre schwarzen blitzenden Augen geradezu drohend auf ihn.

      »Nehmen Sie sich in Acht, Herr Kapitän«, sagte sie, »ich höre, Sie sind ein wenig leichtfertig, ein Nachtschwärmer und Spieler und dazu noch ein Feind meines Geschlechtes, von welchem doch alle Verfeinerung der Sitten kommt. Ich wünsche nicht, daß Sie sich nachlässig im Dienste oder in irgend einer Weise widerspenstig gegen meine Befehle zeigen, es würde die schlimmsten Folgen für Sie haben.« –

      Es wurde ihm nun eine Kompagnie zugeteilt, in der sich sehr viele Rekruten befanden. Der leichtlebige junge Offizier mußte in Folge dessen beinahe den ganzen Tag auf dem Exerzierplatze zubringen und fand Gelegenheit genug, sich in dem Reglement wie in Geduld zu üben. Sein schöner Oberst erschien auffallend oft auf dem Platze und sah mit einem ganz besonderen Interesse zu, wie Pauloff seine Rekruten drillte. Bis jetzt hatte sich der sonst so leidenschaftliche Mann keine Blöße gegeben, aber deshalb entsagte seine Feindin der Hoffnung nicht, ihn doch einmal zu fangen, und war er einmal nur in ihre Hand gegeben, dann Gnade Gott!

      Als der Kapitän wieder einmal damit beschäftigt war, seine Wilden zu drillen, geschah es, daß ein alter Korporal einen Rekruten, welcher sich besonders ungeschickt zeigte, mit dem Kolben seines Gewehres auf das Bein schlug. In diesem Momente erschien Frau von Mellin.

      »Herr Kapitän Pauloff!« begann sie kalt im Befehlshabertone. Der Kapitän grüßte mit dem Degen und näherte sich dann.

      »Wie können Sie dulden«, fuhr der weibliche Oberst fort, »daß dieser Mann so mißhandelt wird?«

      »Ich habe nichts bemerkt«, erwiderte Pauloff.

      »Sie sollen alles bemerken, was auf dem Exerzierplatze bei Ihren Leuten geschieht«, sprach Frau von Mellin trocken. – »Weshalb hast Du diesen Mann mit dem Kolben gestoßen?« wendete sie sich dann an den Korporal.

      »Zu Befehl, gnädige Frau Oberst«, entgegnete der alte Soldat, »weil er nicht begreifen will.«

      »Und da meinst Du, daß er den Kolben besser verstehen wird als Dich?« sagte Frau von Mellin, die Brauen zusammenziehend; zugleich trat sie rasch vor den Rekruten hin – blieb aber vor demselben geradezu sprachlos stehen.

      Es war ein Mann von zugleich so blendender und vollendeter Schönheit, wie ihn Frau von Mellin noch nie gesehen hatte und wie er um so weniger an dem Hofe Katharina’s zu finden war. Er mußte auf eine Frau, welche weder die Gemälde der großen Italiener, noch die Bildwerke der Griechen kannte, einen wahrhaft unbeschreiblichen Eindruck machen. Kaum älter als zwanzig Jahre, bartlos, duftig, weiß und voll wie ein Mädchen, erschien der junge Grenadier trotz seiner Höhe von beinahe sechs Fuß eigentlich nicht groß, so proportioniert war sein Bau im Ganzen wie in den Einzelheiten. Am überraschendsten wirkten jedoch der Adel und die harmonische Feinheit seiner Gesichtszüge. Kurz, es war ein Adonis im Soldatenrock, welcher vor der Rokoko-Venus stand.

      Nach einer Pause sagte Frau von Mellin zu dem Kapitän: »Wie nennt sich der Mann?«

      »Iwan Nahimoff«, erwiderte der Gefragte.

      »Wie lange dient er?«

      »Kaum vierzehn Tage.«

      »Um so mehr Nachsicht darf er für sich in Anspruch nehmen«, erwiderte der weibliche Oberst, »ich wünsche, daß Sie diesen prächtigen Rekruten nicht den rohen Händen und Stöcken der Korporale überlassen, sondern sich selbst mit seiner Ausbildung befassen!«

      »Ich?«

      »Ja, Sie.« Frau von Mellin nickte dem schönen Grenadier, der von dem Ganzen nicht viel verstand, gnädig zu und wendete sich nach einer anderen Abteilung ihres Regimentes.

      »Also ich soll persönlich das Vergnügen haben, Dein Exerziermeister zu sein?« murmelte Pauloff, als seine Tyrannin ihm den Rücken gedreht hatte. »Wohl nur deshalb, weil Du ein bißchen länger und hübscher bist als die anderen! – Meinetwegen. Aber nimm Dich zusammen, Bursche, denn ich habe noch weniger Geduld als der alte Schnauzbart mit seinem Kolben. Also: Habt Acht! Marsch! Einundzwanzig, zweiundzwanzig!«

      Der Kapitän nahm den schönen Grenadier tüchtig in die Arbeit. Anfangs war alles ganz gut, wie es aber an die Gewehrgriffe beim Laden ging, welche damals, nach preußischem Muster, sehr stramm und rasch eingeübt wurden, wollte es durchaus nicht klappen, und plötzlich pfiff das spanische Rohr Pauloff’s, das er gleich jedem Offizier der Rokokozeit trug, über Iwan’s Rücken. Zu seinem Unglücke hatte sich sein schöner Oberst ihm eben wieder unbemerkt genähert.

      »Pfui!« rief Frau von Mellin zornig, »habe ich meinen Offizieren nicht befohlen, ihre Soldaten gut zu behandeln? Ist dies das gute Beispiel, das Sie Ihren Unteroffizieren geben?«

      »Vergeben Sie, gnädige Frau,« erwiderte Pauloff, dessen Antlitz flammende Röte bedeckte, »aber der Mann ist ungeschickt und faßt schwer auf.«

      »Das wollen wir doch gleich sehen«, sprach Frau von Mellin. »Man muß eben Geduld haben und ein wenig Philanthropie.«

      Sie nahm das Gewehr aus Iwan’s Händen und zeigte ihm die Griffe, einen nach dem andern, indem sie jeden für sich von ihm wiederholen ließ.

      »Gut – sehr gut – sehen Sie, wie das geht – Sie haben keine Geduld – Sie haben Ihre Damen im Kopfe, anstatt Ihre Soldaten«, fielen inzwischen die Worthiebe auf Pauloff.

      »So – jetzt – alles zusammen«, befahl der weibliche Oberst. Iwan machte die Tempo’s.

      »Halt, Du hast vergessen, die Patrone abzubeißen«, rief Frau von Mellin. »Noch einmal!«

      Iwan schulterte und begann das Laden von vorne.

      »Halt, Du mußt den Ladestock aufsetzen«, unterbrach sie ihn, »so – kräftig – kräftiger – noch einmal!«

      Der schöne Grenadier schulterte und fing wieder mit der Wendung halblinks und dem Beifuß des Gewehres an.

      »Aber, Iwan«, rief Frau von Mellin schon ein wenig minder sanft, »Du hast wieder die Patrone nicht abgebissen.«

      Der Adonis machte ein unbeschreiblich dummes Gesicht; er begriff offenbar nicht, welche Bedeutung es für sein russisches Vaterland und sein Mütterchen, die Zarin, haben könne, ob er eine Patrone, die nur in der Einbildung seines Korporals, seines Kapitäns und seines Obersten existierte, abbeiße oder nicht.

      »Also

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