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machte den Fremden aufmerksam. Er wandte sich rasch herum, erblickte mich, stand auf, riß seine runde Schaffellmütze vom Kopfe und entschuldigte sich in verbindlichster Weise. Wir begrüßten uns. Die russische Menschenfreundlichkeit hat sich in Sprache und Sitte so verkörpert, daß der Einzelne die zärtlich schmeichelnde Redensart nicht mehr zu überbieten vermag. Aber in der That begrüßten wir uns noch artiger, als es gewöhnlich geschieht.

      Nachdem wir uns gegenseitig unzählige Male als die elendesten Knechte bezeichnet hatten und zu den Füßen gefallen waren, setzte sich der Gefährliche mir gegenüber und bat, seine Pfeife stopfen zu dürfen. Es rauchten die Bauern, es rauchte der Diak, endlich rauchte auch der Ofen, aber er bat und ich bewilligte Alles »aus Erbarmen«. Er stopfte also seine lange türkische Pfeife.

      »Diese Bauern!« sagte er heiter, »aber ich! – Sagen Sie selbst, würden Sie mir das auf hundert Schritte anthun und mich für einen Polen halten?«

      »Gewiß nicht.«

      »Nun sehen Sie, lieber Bruder!« setzte er in überströmender Dankbarkeit hinzu, »aber reden Sie mit denen da.« Er zog einen Feuerstein aus dem Sack, legte ein kleines Stückchen Schwamm darauf und schlug damit auf sein Messer.

      »Nun, aber der Jude nennt Sie doch einen gefährlichen Menschen.«

      »Ja so.« Er sah vor sich auf den Tisch und lächelte. »Mein Moschku meint – den Weibern. Haben Sie gesehen, wie er seine Frau hinausgeschickt hat? Das fängt so leicht Feuer.«

      Auch der Schwamm fing Feuer. Er legte ihn in die Pfeife und hüllte uns bald in dichte blaue Wolken. Er hatte die Augen bescheiden niedergeschlagen und lächelte nur so.

      Ich hatte Muße, ihn zu betrachten.

      Er war offenbar ein Gutsbesitzer, denn er war sehr gut gekleidet; sein Tabaksbeutel reich gestickt, seine Art vornehm; aus der Nähe oder doch aus dem Kreise von Kolomea – denn der Jude kannte ihn. Ein Russe, das hatte er gleich gesagt, und war auch nicht schwatzhaft genug, um für einen Polen gelten zu können. Es war ein Mann, der den Frauen gefallen konnte. Er hatte nichts von jener plumpen Kraft, von jener rohen Schwerfälligkeit, welche andern Völkern als Männlichkeit gilt, er war durchaus edel, schlank und schön; aber seine elastische Energie, seine unverwüstliche Zähigkeit sprach aus jeder Bewegung. Das braune schlichte Haar, der etwas gekräuselte, kurz geschnittene Vollbart, warfen ihre vollen Schatten in ein wetterbraunes, aber wohlgebildetes Gesicht.

      Er war nicht so ganz jung mehr, aber hatte fröhliche blaue Augen wie ein Knabe. Unauslöschliche, gütige Menschenliebe lag milde in diesem dunkeln Antlitz, dunkel in so viel Linien, welche das Leben tief hineingeschnitten.

      Er stand auf und ging ein paarmal durch die Schenke. Die weiten Hosen in die faltigen gelben Stiefel gesteckt, den Leib unter dem offenen weiten Rocke mit einer bunten Binde gegürtet, die Pelzmütze auf dem Kopfe, sah er wie einer jener alten weisen, tapferen Bojaren aus, welche zu Rathe saßen mit Wladimir und Jaroslaw, in die Schlacht zogen mit Igor und Roman.

      Den Frauen konnte er gefährlich sein; ich glaubte es ihm gerne, und wie er so auf-und abging und lächelte, war es auch mir ein Vergnügen, ihn anzusehen. Auch kam die Jüdin mit der Flasche Wein, setzte sie auf den Tisch und hockte wieder hinter den Ofen, das Auge unverwandt auf ihn gerichtet. Mein Bojar kam herbei, sah die Flasche an und schien etwas zu erwarten.

      »Eine Flasche Tokai,« sagte er heiter, »ist noch der beste Ersatz für das heiße Blut eines Weibes.«

      Er rieb sich mit der flachen Hand die Brust; es machte mir den Eindruck, als ob ihm etwas auf dem Herzen brenne.

      »Sie haben gewiß« – ich fürchtete unzart zu sein, er aber fiel lebhaft ein: »Ein Rendezvous? Freilich!« schloß die Augen halb, stieß dichte Wolken aus der Pfeife und nickte mit dem Kopf »Ein Rendezvous, verstehen Sie mich, und was für ein Rendezvous. O ich habe Glück bei den Weibern, verstehen Sie mich, ganz außerordentliches Glück. Sie sollen mich in den Himmel lassen unter die heiligen Frauen und Jungfrauen, so wird allenfalls der Himmel so ein – Haus. Gott verzeih’ mir die Sünde! Thun Sie mir die Gnade und glauben Sie es mir.«

      »Ich glaube es Ihnen gerne.«

      »Nun sehen Sie. Aber das soll wahr bleiben, wie das Sprichwort sagt: »»Was du dem besten Freunde nicht sagst und deinem Weibe nicht sagst, sagst du dem Fremden auf der Heerstraße.«« Mach’ die Flasche auf, Moschku, gib zwei Gläser – und Sie erbarmen sich, trinken mit mir den Tokai und hören meine Liebesabenteuer an, köstliche, seltene Liebesabenteuer, Raritäten von Liebesabenteuern, wie ein Autograph von Goliath dem Philister, denn die Silberlinge, um die Judas Ischariot unsern Herrn verkauft hat, sind gar nicht selten. Das glauben Sie mir aufs Wort, ich habe schon so viele in Galizien und in Rußland in den Kirchen gesehen, daß er eigentlich keinen so schlechten Handel gemacht hat. Aber Moschku –«

      Der Schenkwirth hüpfte heran, stieß ein paarmal nach rückwärts aus, holte einen Korkzieher aus der Tasche, klopfte das Siegellack herab, blies darauf, nahm dann die Flasche zwischen die mageren Beine und zog unter furchtbaren Verzerrungen des Gesichtes den Kork heraus. Blies dann zum Ueberfluß noch einmal in die Flasche und schenkte den gelben Tokai in die reinsten zwei Gläser, welche in Israel geduldet werden. Der Fremde hob sein Glas gegen mich. »Auf Ihre Gesundheit!«

      Er meinte es aufrichtig, denn er leerte das große Glas auf einen Zug. Ein Trinker war er nicht, dazu hatte er den Wein zu wenig gekostet, auf die Zunge genommen, an den Gaumen emporgeschnalzt.

      Der Jude sah ihm zu und sprach schüchtern: »Das ist eine Ehre, daß der Herr Wohlthäter wieder einmal bei mir einsprechen und wie gut aussehen, immer noch ganz am Fleck!« Moschku versuchte, sich bei dieser Bemerkung die Haltung eines Löwen zu geben, und dazu schien es ihm unentbehrlich, seine mürben Arme wie die zerbrochenen Henkel einer Vase von Pompeji auseinander zu spreizen und wie in der Tretmühle die Füße abwechselnd zu heben und wieder aufzustampfen.

      »Nun, und wie befinden sich die gnädige Frau Wohlthäterin und die lieben Kinder?«

      »Gut! Gut!« Mein Bojar schenkte sich das zweite Glas ein und trank es aus, aber Alles mit niedergeschlagenen Augen, wie beschämt. Und als der Jude längst fort war, blickte er schüchtern nach mir herüber und war über und über roth. Lange war er stille, rauchte so vor sich hin, schenkte mir ein, endlich sagte er ganz leise: »Ich muß Ihnen ziemlich lächerlich erscheinen. Sie denken gewiß, der alte Esel hat Weib und Kinder zu Hause und will mich da von seinen Romanen unterhalten und von Rendezvous und Liebesbriefen. Ich bitte Sie, sagen Sie gar nichts, ich weiß es ja doch. Aber sehen Sie, einmal ist es eine angenehme Pflicht, einen Fremden zu unterhalten, und da dachte ich – dann wieder – verzeihen Sie – es ist eigentlich recht sonderbar. Man begegnet sich, um sich vielleicht nie wieder zu sehen. Man könnte denken, was liegt daran, was der von dir meint. Aber es ist nicht so. Bei mir wenigstens nicht. Freilich, ich will mich nicht schön machen, wer so ein Verführer ist, der ist es gewiß halb nur aus Wollust und halb aus Eitelkeit. Wenn man von meinen Abenteuern nichts wüßte, wäre ich der unglücklichste Mensch von der Welt, und da erzähle ich sie so Jedem und sie beneiden mich Alle, aber heute hab’ ich mich lächerlich gemacht.«

      Ich wendete etwas ein.

      »Bemühen Sie sich nicht, es ist einmal so, – lächerlich, denn Sie kennen ja meine Geschichte nicht. Der ganze Kreis weiß, was mir passirt ist, aber Sie wissen es nicht. Und dann wird man so lächerlich eitel, wenn man den Frauen gefällt, lächerlich eitel, will, jeder Mensch soll gut von uns denken, und verschenkt sein Geld an die Bettler auf der Straße und seine Geschichten an die Fremden in den Einkehrhäusern. O! es ist recht lächerlich. Aber nun muß ich Ihnen doch das Ganze erzählen. Haben Sie die Gnade und hören Sie mich an. Ich weiß nicht, ich habe so etwas Zutrauen zu Ihnen.«

      Ich bedankte mich.

      »Nun gut. Und dann, was fangen wir sonst an? Karten sind keine da! – Also will ich – aber nein! – und doch – Bedenken Sie – »»ein guter Vogel beschmutzt sein Nest nicht,«« das sagt jeder Bauer bei uns. Aber ich bin kein guter Vogel. Ich bin ein leichter Vogel, ein lustiger Vogel. Noch eine Flasche Tokai, Moschku! – Ich will Ihnen meine Geschichte erzählen.«

      Er

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