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lieben, wenn es ihm Vergnügen macht, warum nicht? Aber ein Weib kann das nicht. Ich sage Ihnen, so ein Weib möchte erwiedern, was ein Mann für sie fühlt – erwiedern möchte sie es, aber wo ist die Möglichkeit?

      Wenn ich mein Pferd liebe, wie sieht es mich an, so menschlich fast und möchte gleichsam sprechen zu mir und kann nichts weiter thun als mich liebkosen. Und scheint traurig darüber und trägt doch morgen einen anderen Herrn ebenso lustig. Kann ich sie Beide deshalb verklagen? und bei wem?« Kolanko lächelte tückisch mit ineinander gekniffenen Lippen. »Ja der Jude weiß wohl,« sprach er, »warum er täglich betet: ich danke dir Herr, daß du mich nicht zum Weibe erschaffen.« »Wer eine Liebe hat, so eine herzliche Liebe,« fuhr der Capitulant fort, muß sich bei Zeiten fügen und entsagen oder er wird auf die lustigste Weise angeführt werden, denn das Weib ist in der Liebe, wie der Jude im Handel.«

      »Was sagt Ihr vom Juden?« meckerte mein Kutscher.

      Der Capitulant sah ihn an und spuckte aus.

      »Ueberhaupt,« sagte er still, »ist zuletzt unsere ganze Weisheit: entsagen, dulden, schweigen.

      Und wenn Ihr Euch wundert, daß ich diese Katharina so lange lieb behalten habe, wer sagt Euch denn, daß eine ehrliche Liebe ihren Gegenstand um jeden Preis besitzen muß? Man liebt eine Person nicht, weil sie gut oder schlimm ist oder etwa moralisch. O! Nein! – Ich liebe sie auch nicht, weil sie gut gegen mich handelt oder nicht. Man liebt sie nur, wenn man muß, wenn uns die Natur gleichsam keine Wahl läßt, gleichsam zu einer Person zwingt. Und nur eine solche Liebe erträgt Alles, Spott, Gelächter, Schläge, Mißhandlung, Grausamkeit und fragt oft nicht einmal, ob man sie erwiedert; und nicht einmal die Zeit tödtet sie, die doch Alles tödtet.«

      »Ihr wärt ein vortrefflicher Ehemann geworden,« sagte der Alte nach einer Pause. »Warum nehmt ihr kein Weib? Jeder möchte Euch mit Freuden seine Tochter geben und ein Haus und Grund und gute Groschen dazu.«

      »Es ist unhöflich abzulehnen,« entgegnete der Capitulant, »aber habe ich Einen von Euch gebeten? – Wie soll ich ein Weib nehmen? Ich habe das erstemal so zu Euch gesprochen, Ihr kennt mich jetzt. Habe ich so aufrichtig mit dem Herzen geliebt, wie soll ich dann eine Andere lieben und gibt es keine solche Liebe – wozu ein Weib? Bin ich ein Thier?«

      »Näher betrachtet, habt Ihr Recht,« fügte Kolanko hinzu, »um so mehr, als Alles mit der Zeit vergeht.«

      »Alles nicht,« sprach der Capitulant mit seinem schönen leuchtenden Blick.

      »Und doch,« seufzte er später, »Ihr habt die Wahrheit gesprochen, Ihr am meisten. Ja, unser Empfinden sogar wird immer schwächer; später macht uns das, was uns weh gethan hat, beinahe eine Freude. Man denkt so an verstorbene Menschen wie an verstorbene Gefühle. Was sagt Ihr dazu, Kameraden? – Es ist so traurig, wenn man endlich weiß, was du da fühlst, dauert nicht. Wie hat mir das Herz weh gethan, als ich meine Eltern begrub und jetzt träume ich manchmal, daß ich z. B. mit meinem Vater Branntwein trinke und er ist ganz besoffen. Wie gefällt euch das? – Oder ich weiß, wenn heute etwas ist, ist es in einem Jahre vielleicht nicht mehr. Alles geht vorüber, wie die Wolken, die gegen Abend ziehen, so auch das Schlechte.

      Alles kann der Wille. Nur gegen Krankheit und Tod kann er nichts.

      Wenn so der Feldwebel am Samstag beim Rapport gleichmüthig eine Woche aus dem Kalender strich, war ich immer traurig, aber was ist das! – trauriger als die Vergänglichkeit der Zeit, des Lebens, ist die Vergänglichkeit, welche wir an uns selbst, unserem Denken, unserem Fühlen wahrnehmen. Das ist das wahre Sterben. Ist das nicht natürlich? Täglich siehst du etwas Neues, Alles verändert sich um dich, anders ist es, wenn du ein Kind bist, anders, wenn du ein Mann, und so, kannst du derselbe bleiben? und verlangst von Anderen, daß sie sich nicht verändern?«

      Einen Augenblick war Alles still, dann hörte man leise ein Glöckchen wimmern, weit, weit, unendlich kläglich.

      »Da stirbt Einer,« sagte der Greis und bekreuzte sich.

      »Was fällt Euch ein,« rief Mrak. »Das ist die Schlachta, die heimkehrt von der Verschwörung in Tulawa. Paßt auf!«

      Der Capitulant erhob sich, verlöschte bedächtig seine Pfeife und schob sie in den Stiefel; dann ging er langsam in das Freie hinaus, blieb stehen, nahm die Mütze ab, zog Luft durch Mund und Nase und hielt die Hand flach hin.

      Das Glöckchen kam näher und näher.

      Der Capitulant setzte die Mütze wieder auf.

      »Die Kälte läßt nach. Der Wind hat umgeschlagen.«

      Er kehrte hierauf zum Feuer zurück und ergriff seine Flinte.

      »Nun. Leute, thut Eure Schuldigkeit.«

      Alle waren sofort auf den Beinen und umgaben mit ihren Sensen und Dreschflegeln den Capitulanten.

      »Ein Schlitten. Habt Acht!« rief Mrak von der Waldecke herüber.

      Das verzweifelte Geläute ertönte schon ganz nahe, wir hörten die Peitsche des Kutschers wie einen Pistolenschuß knallen, die Pferde schnauben.

      Jetzt tönte das »Halt!« der Bauernwache.

      »Halt! Halt!« schrieen die Anderen und liefen hin.

      Da stand jetzt der Schlitten und aus den Bärenfellen, die denselben bedeckten, erhob sich eine schlanke schöne Dame in einem kostbaren Pelze. Wie sie den Schleier von ihrem Capuchon zurückschlug, war sie noch schöner, aber furchtbar bleich. Ihre blauen Augen fieberten vor Zorn.

      »Was wollt ihr,« rief sie mit wutherstickter Stimme.

      »Paß,« antwortete die Bauernwache lakonisch.

      »Ich habe keinen.«

      »Legitimation.«

      »Ich habe keine.«

      »Dann seid Ihr arretirt,« rief Mrak und fiel den Pferden in die Zügel.

      Da trat der Capitulant vor, die Flinte auf der Schulter und nahm Mrak bei Seite.

      Die Andern steckten schnell die Köpfe dazu.

      »Lassen wir sie fahren,« sagte der Capitulant halblaut.

      »Lassen – ohne Paß – weßhalb?«

      »Ich kenne Sie,« entgegnete er. »Laßt sie fahren.«

      »Ich glaube dir gerne, daß du sie kennst,« sagte jetzt bedeutsam der Alte. »Laßt sie nur fahren.«

      Der Capitulant war an das Feuer zurückgekehrt und schürte die Flammen desselben.

      Die Andern folgten langsam.

      »Fahr zu,« rief die Bauernwache spöttisch.

      Die Dame sank in ihre Pelze zurück, der Kutscher knallte mit der Peitsche, der Schlitten flog auf der Schneebahn dahin.

      Der Jude lachte.

      »Wer war es?« fragte ich bei Seite.

      »Sie.«

      »Sie?«

      Der Pappendeckelmann nickte und arbeitete dann in dem Feuer herum.

      »Das war die Herrin von Zawale,« flüsterte der Alte. »Sie, die er geliebt hat und die er jetzt noch liebt.«

      Wir schwiegen lange Zeit.

      Dann sagte der Pappendeckelmann: »Sie soll auch nicht glücklich sein mit ihm, sie hat immer Hofschneider und habt ihr gesehen, wie bleich sie war?«

      »Ah! seht mir den Schlitten an und die Pferde,« rief der Capitulant. »Hat sie nicht Krakusen und Kosaken? Die großen Herren küssen ihr die Hand – und den schönen Pelz, den sie hat. Warum soll sie denn nicht glücklich sein?«

      Der Wanderer

       Inhaltsverzeichnis

      »Gott

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