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ein Tag!« sagte er feierlich einmal über das anderemal und goß sich den schwarzen Trank aus der Kanne ein. Dann öffnete er eine geräumige Büchse und entnahm ihr eine Hand voll Zuckerstücke. »Daß ich den Tag erlebt habe!« fuhr er in seinem Selbstgespräche fort und warf den Zucker in die Tasse. Jetzt rührte er die Brühe mit dem Löffel, nahm eine weitere Hand voll Zucker aus der Büchse, rührte und rührte und murmelte unverständliche Worte in den Bart. Zuletzt schauten die Zuckerbrocken über den Rand der Tasse empor, und der Vater, der gleich mir mit Grausen zugesehen hatte, begann nun endlich mit seinem Anliegen herauszurücken.

      Aber kaum hatte er die ersten Worte gesagt, da unterbrach ihn der Greis und sagte feierlich: »Thut nichts zur Sache! Ich weiß, Sie bringen mir die Bitte Seiner Majestät des Königs, ich solle meinen Hammer wieder anzünden. Seien Sie willkommen. Der Tag ist groß. Ein altes Geschlecht ohne Hammer. Zum Lachen. . . .«

      Der Vater schwieg und schaute mich bedeutsam an, der Greis murmelte Worte, die wir nicht verstanden, und rührte geistesabwesend in seiner Tasse herum.

      Wir wollten uns entfernen; denn unsere Lage war sehr peinlich. Da ging die Thüre auf, und ein Mädchen trat in das Gemach. »Ach!« rief sie. »Wer hat denn . .?«

      Der Vater stellte sich und mich vor. Der Alte aber richtete sich wieder stramm in die Höhe und sagte laut und sehr aufgeregt: »Thut nichts zur Sache! Sieh', liebe Maria, diese Herren kommen vom König von wegen des Hammers. Du weißt ja!«

      Das Mädchen sah uns ängstlich an. Sie fürchtete wohl, wir möchten uns über den alten Mann lustig machen. Als sie aber meine ernste Miene wahrnahm und als der Vater sagte, es möchte da gewiß ein Mißverständnis vorliegen, gab sie uns unvermerkt mit bittenden Blicken ein Zeichen. Wir traten zurück, sie aber setzte sich auf das Sofa, legte ihre Hand auf den Arm des aufgeregten Greises und fragte ihn schmeichelnd: »Will Großvater, daß ich die Maschine hole?«

      Der Mann hob seine runzelige Hand, strich kosend über das schöne Gesicht seiner Enkelin und lächelte.

      Maria aber sprang auf und brachte aus der Nebenstube das ziemlich große Modell eines Eisenhammers, stellte es auf den Tisch vor den Alten und wandte sich dann zu uns: »Wollen die Herrn mit mir in den Garten gehen? Großvater erlaubt es schon.« »Nicht wahr?« fragte sie den Greis, der mit zufriedenem Gesichtsausdruck vor dem Spielzeug saß. »Thut nichts zur Sache,« entgegnete er. »Der Hammer wird wieder angezündet. Ein altes Geschlecht und keinen Hammer . . . zum Lachen . . .!« Und dabei ließ er aus einem Behälter Sand auf die kleinen Schaufelräder des Werkes laufen, sie drehten sich rasch und rascher, die hölzernen Hämmerchen begannen zu pochen, und als sich die Thüre schon wieder hinter uns geschlossen hatte, hörten wir immer noch die tiefe Stimme sagen: »Der Hammer wird wieder angezündet.«

      Wir standen im Garten mit dem Mädchen. Sie sah uns traurig an und sprach: »Es thut mir immer weh, wenn Fremde meinen armen Großvater sehen. So lange ich denken kann, ist er nie anders gewesen. Aber früher, da war er bekannt weit und breit im Lande. Von allen Seiten sind die Leute gekommen und haben sich seine Eisenwerke angeschaut und haben ihn um Rat gefragt. Das ist lange, lange her. Es ist eine böse Zeit über sein Haupt gegangen. Die kleine Hammerindustrie kam immer mehr zurück, allenthalben, nicht nur bei uns. Da mußte er sich endlich entschließen, seine Öfen auszulöschen und die großen Sägwerke einzurichten, die Sie sehen. Aber er hat die alte Zeit nie verschmerzen können – und namentlich seit er schwachsinnig geworden ist, glaubt er fest, daß sie wieder brennen werden.« »Vergessen Sie das Bild, und denken Sie an den kraftvollen Hammerherrn, von dem ich Ihnen erzählt habe,« bat sie leise, »und nicht an den Greis.«

      Die Nacht war angebrochen, als wir nach einem mehrstündigen Marsche vor der »Post« des nächsten Städtchens standen. Maria hatte uns gesagt, ihr Vater brächte den heutigen Abend dort zu. Da könnten wir ihn am besten sprechen.

      Eine Wagenburg war vor dem großen Hause aufgefahren. Alte Karrossen, elegante, hochgebaute Jagdwagen, moderne Landauer, bescheidene Einspänner standen da im trüben Lichte der Öllaternen. Das Haus war erleuchtet von unten bis oben, aus den weit geöffneten Fenstern zur ebenen Erde drang lautes Stimmengewirr; in den oberen Stockwerken waren die Fenster geschlossen.

      Der Landadel der Umgegend hatte sich heute in diesem Hause zusammengefunden, wie er es alle Wochen einmal zu thun pflegte.

      Wir traten unter den Thorbogen und fragten ein Schenkmädchen, das gerade eilig vorüberging, nach dem Herrenzimmer.

      »Alles voll, heut ist ja der Abend,« rief sie. »Schauen's ins Kutscherzimmer, da ist noch Platz.«

      Wir waren sehr hungrig und beschlossen, uns nicht lange zu besinnen und vorläufig anstatt zu den Herren zu ihren Kutschern zu gehen. Hernach konnten wir ja den Vetter in aller Gemütsruhe aufsuchen.

      »Ja, der Herr Baron ist schon droben,« antwortete die Kellnerin auf unsere Frage. »Der bleibt nach lang sitzen.«

      Bestäubt, wie wir waren, betraten wir das Kutscherzimmer. Wir legten unsere Tasche in eine Ecke und schritten durch den Qualm der Stube auf einen Tisch zu, an dem noch einige Plätze frei waren.

      Als wir uns setzten, hielten die glattrasierten Männer einen Augenblick in ihrer Unterhaltung inne und betrachteten uns.

      Unser »Guten Abend« wurde mit einem wohlwollenden Kopfnicken belohnt.

      Man hatte uns geprüft, und nun kam auch das unterbrochene Gespräch wieder in Fluß.

      Bescheiden und anspruchslos saß ich neben einem feisten Kutscher, der in gelb und blauer Livree stak, und machte meine Beobachtungen. Ich kannte keinen einzigen von all den Herren droben im Gesellschaftszimmer – aber mit welchen Manieren sich ein jeder durch sein Dasein zu bewegen gewohnt war, das glaubte ich in der Karikatur ganz genau an seinem Kutscher beobachten zu können. Ja, wenn ich zeitweise die Augen schloß oder mich in meinen Suppenteller vertiefte, dann war mir's fast, als säße ich mitten unter Herren. Denn da hieß es nicht »Christian«, »Johann«, »Xaver«, wenn einer den andern rief, sondern jeder trug den Geschlechtsnamen seines Gebieters, und es schwirrte hin und her von -heims, -burgs, -bergs, -ings, -ungs und -erns.

      Man schien mit der Zeit meine stumme Höflichkeit wohlgefällig wahrgenommen zu haben, und mein gelbblauer Nachbar »Kerdern« beschloß, mich ins Gespräch zu ziehen. Herablassend fragte er, ob wir Reisende wären.

      Ich bejahte ernsthaft.

      In was wir denn machten?

      »Der Herr neben mir in Geneanomie und Genealogie, ich in Heraldik und Sphragistik,« erwiderte ich sehr höflich. Es entstand eine Pause.

      Ob das gute Geschäfte wären? hieß es weiter.

      Ich that sehr verwundert, daß ihm die große Bedeutung dieser Branchen zumal in seiner Eigenschaft als Herrschaftsdiener nicht näher bekannt wäre, und mein Nachbar schwieg wieder.

      Ich biß mir auf die Lippen und fragte nach einer Weile, ob wir wohl seinen Herrn in unseren Angelegenheiten sprechen könnten.

      Da hatte der Bediente sofort wieder seine alte Würde gefunden und sagte erhaben, daß er bestimmt wisse, sein Herr sei in diesen Artikeln hinreichend versehen. Er beziehe sie immer direkt von Wien.

      Ich bezwang mich mit anerkennenswerter Energie und blieb ernsthaft.

      Inzwischen hatte auch der Vater seine Mahlzeit beendet und gab nun unserm Nachbarn die Karten, damit er uns bei seinem Herrn melde.

      Der nahm die kleinen Dinger in seine großen Hände, las die Schrift, besah uns, besah wieder die Schrift und machte sich dann langsam auf den Weg. Aber so lange ich ihn mit den Augen verfolgen konnte, schüttelte er sein dickes Denkerhaupt. Es war auch gar seltsam: er und sein Herr und wir bestäubte Landstreicher sollten einen und denselben Namen führen. Zu seltsam!

      Droben vor der Thüre des Herrenzimmers auf dem spärlich erleuchteten Korridore stand uns der Baron gegenüber und musterte uns von oben bis unten.

      »Wir suchen eine alte Urkunde, die uns vielleicht wichtige Aufschlüsse über die Geschichte unseres Geschlechts zu geben vermag,« sagte der Vater nach den einleitenden Worten.

      »Bedaure,

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