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wenn er nicht verscherzen wollte die Freuden des gemeinsamen Lebens. Und wie träumend wiederholte er halblaut den Ruf, und von fernher klang aus den tiefer gelegenen Gassen der Ruf der französischen Trompete zur Antwort.

      6. Zertreten

       Inhaltsverzeichnis

      Vor dem Rathause hielten in langer Reihe leere Bauernwagen, und am Brunnen qualmte noch einmal ein Feuer zum Himmel.

      Neben der Treppe stand der kleine Kommissär mit seinen Soldaten, schimpfte und fluchte, und die Bürger schleppten Brotlaibe herbei und Stiefel und Weinfässer. Der Kommissär zählte die erpreßte Ware, fuchtelte mit seinem Degen, tat, als ob er dem und jenem die Brust durchbohren wollte, und kreischte, daß es zuweilen das Geschrei und Getöse der aufbrechenden Mannschaft übertönte. Ein elsässischer Soldat machte den Dolmetsch.

      Der Doktor stand in seiner Stube am Fenster und blickte hinüber. Die Wache war von seinem Hause gezogen, die Türe verschlossen.

      Der Kommissär stand vor derselben Bank, über der seit zwei Tagen der Aufruf des Generals Jourdan hing, vor derselben Bank, auf der vorgestern Schneider Koram seine Rede an die Bürger gehalten hatte. Aber das Schriftstück des Franzosen war auf einer Seite losgerissen und flatterte im Morgenwinde.

      »Hundertundzwanzig Paar Stiefel – ihr deutschen Hunde? Wieviele Stiefel sollt ihr liefern?« Der Kommissär kritzelte etwas in sein Taschenbuch. Dann ließ er seine Augen rollen und fuhr auf den Schultheiß los.

      Der antwortete Unverständliches und stand mit gesenktem Kopfe vor dem schreienden, fauchenden Männlein.

      »Zwölfhundert Paar!« kreischte der Franzose, und der Dolmetsch brüllte es auf deutsch. »Eine Unmöglichkeit? Es gibt keine Unmöglichkeit. Aber wartet nur, man wird euch –« Seine Augen spähten suchend umher. »Habt ihr nicht selber noch gute Schuhe an den Füßen? Allez!!« Er wandte sich an die Soldaten. Im Nu saß ein halbes Dutzend deutscher Bürger auf dem Pflaster, und die Franzosen rissen ihnen mit Hohngeschrei die Schuhe samt den Strümpfen von den Füßen.

      Die Bürger rafften sich vom Pflaster auf und standen barfüßig vor ihrem Herrn und Gebieter. Die Schuhe kollerten in den Wagen.

      »Fünfhundert Laib Brot?« kreischte der Kommissär. »Und wieviele sind euch auferlegt? Zweitausend – sehr wohl. Und wo sind die fünfzehnhundert? Was? Drei Bäcker haben die ganze Nacht gebacken? Ei, wißt ihr denn nicht, daß es um eure Köpfe geht? Aufladen, das Brot!« Die Brotlaibe kollerten auf die Schuhe, und der Franzose vollendete seine Rede: »Man wird euch die Häuser über den Köpfen anzünden, man wird eure Weiber und Kinder hinausjagen und euch Hängebäuche in die Flammen werfen, daß euer Fett gen Himmel stinkt.«

      Brüllend übersetzte der Dolmetsch.

      Der Schultheiß aber, der riesige Mann, sank auch vor diesem Peiniger aufs Pflaster und streckte ihm die gefalteten Hände entgegen. Und der Franzose erlustierte sich an ihm und fuhr ihm mit der Degenspitze vor der Nase hin und her. Und so lag der rote, struppige Schultheiß auf den Knieen vor dem kleinen, fremden Männchen, das er mit einem Faustschlage hätte zu Boden schmettern können. Der Franzose aber genoß die Wollust des Augenblicks und konnte sich's nicht versagen, dem Riesen die flache Klinge über die Schulter zu schlagen.

      Da kam der Handelsmann mit großen Schritten heran, trat hart hinter den knieenden Schultheiß und zerrte ihn empor. »So kann's freilich nichts werden! – Geben Sie mir Vollmacht?«

      Der Schultheiß wandte schwerfällig den Kopf, sah den Helfer mit verdrehten, blutgeröteten Augen an und nickte. »Nix conspirez!« kreischte der Franzose und packte den Handelsmann am Ärmel. Der aber riß sich los und donnerte auf französisch: »Wagen Sie es, mich anzurühren!«

      Der Franzose wich zurück: »Ich muß Sie warnen, mein Herr.«

      Der Handelsmann stand mit geballten Fäusten und spuckte aufs Pflaster. »Sie aber bleiben nun stehen, Herr Schultheiß,« befahl er auf deutsch. Und französisch fügte er drohend bei: »Auch der Feind weiß, daß unter den Besiegten das Ansehen der Obrigkeit gewahrt werden muß; denn sonst geht alles in Scherben.«

      Wortlos stand der Schultheiß, der Kommissär aber sagte fast höflich: »Mein Herr, Sie wundern mich.«

      »Wäre es nicht besser, wir träten zur Unterredung ins Stadthaus?« fragte nun der Handelsmann. Und als sich der Franzose einen Augenblick unschlüssig besann, setzte Ehrhardt verbindlich hinzu: »Man spricht freier unter vier Augen.«

      Der Kommissär warf ihm einen geschwinden Blick zu. Dann nickte er, und die drei gingen die Freitreppe hinan.

      Sie standen in dem düstern Stiegenhause. Der Handelsmann aber zog seine Brieftasche hervor und fragte: »Worüber sind Sie uneins?«

      Der Franzose sagte: »Zweitausend Brote sind requiriert, fünfhundert geliefert.«

      »Ist das richtig?« Ehrhardt wandte sich an den Schultheißen und übersetzte die Worte. »Gut, also richtig. Und es ist unmöglich, diese Anzahl zu liefern? Sie hören, Herr Kommissär, es ist eine Unmöglichkeit.«

      Da begann das Männchen wieder die Augen zu rollen und wieder zu schreien: »Ich will's euch zeigen – – ihr – ihr –!«

      Aber der Handelsmann donnerte ihn an: »Unmöglich – haben Sie gehört? Also betragen Sie sich wie ein Mann und nicht wie ein Schuljunge.«

      Entsetzt starrte der Schultheiß auf seinen Helfer, der in der fremden Sprache also auf den Feind hinein zu wettern wagte.

      Der Franzose aber sah verdutzt auf seinen Gegner. Dann schrie er: »Was meinen Sie, mein Herr? Ich werde mir wohl von Ihnen Lebensart lehren lassen?«

      »Wenn Sie so schreien, dann ist es unmöglich zu verhandeln,« bemerkte Ehrhardt und sagte dem Schultheißen einige deutsche Worte. Der nickte. »Also, wir bieten Ihnen für die fehlenden Brote acht Gulden unter der Hand, wovon niemand außer uns etwas zu wissen braucht.«

      Das grimmige Gesicht des Franzosen hellte sich auf, und während der Schultheiß erwartete, daß er nun den Deutschen mit seinem Degen durchstoße, sagte er leichthin etliche Worte, die Ehrhardt mit unbewegter Miene verdeutschte: »Zehn Gulden verlangt er.«

      »Um Gottes willen, sagen Sie ja!« drängte der Schultheiß.

      »Neun Gulden und keinen Heller mehr,« rief Ehrhardt auf deutsch und französisch und vermerkte die Zahl. »Haben Sie verstanden, mein Herr?«

      Mürrisch nickte der Kommissär; verwundert schwieg der Schultheiß.

      Und so fragte der Handelsmann nach allen weiteren Requisitionen und setzte den Preis fest, der auch gewöhnlich nach einigem Feilschen angenommen wurde. Dann sagte er: »Bleibt noch die Geldrequisition. Wieviel?«

      »Vierzigtausend Taler,« brachte der Schultheiß stotternd hervor.

      Der Handelsmann lachte laut auf, übersetzte und fragte den Franzosen: »Wann soll die Summe gezahlt werden?«

      Wieder begannen die Augen des Fremden zu rollen, und wieder begann er mit dem Degen zu fuchteln: »Jetzt auf der Stelle!«

      Mit verbindlichem Lächeln erkundigte sich der Handelsmann, ob der Herr Kommissär Theater zu spielen wünsche oder ob er weiter verhandeln wolle, und bot – dem Schultheiß blieb der Mund offen stehen und krampfhaft schlossen sich seine Hände – fünfzig Gulden Abfindung für die vierzigtausend Taler, sofort zu zahlen, unter sechs Augen. Der Kommissär begann zu fluchen; aber ganz gegen seine Gewohnheit mit gedämpfter Stimme. Und dabei rannte er hin und her im dämmerigen Hausflur. Der Handelsmann beachtete ihn weiter nicht, zählte die einzelnen Posten der Abfindung halblaut zusammen, riß das Blatt aus seinem Buche und hielt es dem Kommissär hin.

      Der hatte sich nun vollkommen beruhigt. Aufmerksam las er das Rechenexempel. Dann gab er das Blatt fast höflich zurück: »Es stimmt.«

      »Nun können wir's gleich ins reine bringen,« wandte

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