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Flamme wallte züngelnd, und wie die Teufel tanzten die Soldaten um das bläuliche Licht. Andere und andere wurden hineingezogen in den Strudel der Singenden, Schreienden, Jauchzenden, und zuletzt wogte alles in einem einzigen, hüpfenden, unentwirrbaren Knäuel. Rings in den offenen Fenstern drängte sich Kopf an Kopf. Wachtfeuer brannten allüberall, und die Giebelwände leuchteten im roten Widerscheine. Drunten aber brannte züngelnd, als wollte sie überquellen über den Kesselrand, die blaue Flamme, und die Fremdlinge rasten in wahnwitzigem Wirbel um sie herum und tobten im Dienst einer Gottheit, die sich ihnen geoffenbart hatte im brennenden Schnapse. Und es war, als ob die Giebelwände der biederen, alten, deutschen Häuser erglühten vor Scham bis unter die Schindeln.

      »Pfui Teufel, die Hunde!« sagte der Arzt auf deutsch. Dann aber besann er sich und übersetzte die Worte in die französische Sprache.

      »Was wollen Sie, mein Herr Doktor? Jeder auf seine Art.«

      »Ich habe nun die Ehre, mich zu empfehlen, Herr Oberst.«

      »Sie sind ein guter Schachspieler, mein Herr,« sagte der Franzose und hielt ihm die Hand hin. »Man wird die Schutzwache nicht von Ihrem Hause nehmen, solange wir hier sind. Und Sie sind nicht nur ein guter Spieler – die Tapferkeit grüßt die Tapferkeit.«

      Der Arzt nahm die Hand nicht. Und er bedankte sich nicht für die Schutzwache. Er schüttelte nur den Kopf und sagte: »Ich bin getröstet, mein Herr Oberst. Ihre Soldaten mögen fürchterlich sein – aber Sie kommen mit ihnen nicht weit.«

      Gleichmütig antwortete der Offizier der französischen Republik: »Bestien sind's, aber sie schlagen sich gut.«

      *

      Der Doktor schlich nahe an den Häusern um den stinkenden Marktplatz. Er schämte sich der allgemeinen Schmach.

      Als er die Freitreppe an seinem Hause emporstieg, tönte aus dem Fenster zur Rechten wilder Gesang trunkener Männer.

      Er sperrte auf.

      Aus der offenen Türe des Zimmers schrieen sie ihm entgegen, was er wolle. Und einer kam auf die Schwelle, schwankte, hielt sich am Pfosten und rief auf welsch, er solle hinaus, dies Haus werde von ihnen bewacht.

      Mit verhaltener Stimme erklärte der Arzt, er sei hier der Hausherr. Aber der Franzose zog den Säbel und vertrat ihm den Weg.

      Da schrie einer aus der Stube, er wisse, daß der Mann recht habe, und ein anderer schrie, der Doktor solle hereinkommen und mit ihnen trinken. Und sie streckten ihm die Gläser entgegen. Da mußte er hinein und einem jeden Bescheid tun. Sie lachten und schlugen ihn auf die Schulter, schrieen wirr durcheinander und verlangten Wein, immer noch mehr Wein.

      In der Küche saß der Knecht und machte ein jämmerliches Gesicht. »Ich täte ihnen schon Wein holen, aber die Klara hat die Kellerschlüssel.«

      »Wo sind die Frauen?«

      »Haben sich eingesperrt in der Gaststube droben.«

      »So komm!«

      Er sprang die Treppe empor. Er pochte: »Liebste, ich bin's, mach auf!«

      Schritte näherten sich der Türe. Aber eine angstvolle Stimme rief: »Nicht aufmachen, Klara!«

      »Frau Doktor, der Herr ist's.«

      Zaghafte Schritte kamen ganz nahe an die Türe.

      »Ich bin's, mach doch auf!«

      »Ich glaub' nun fast, er ist's.« Sie schob den Riegel zurück und öffnete einen Spalt.

      »Aber Liebste!« Ungeduldig drängte er sich in die Stube.

      »O gelt, Hermann, jetzt bleibst du immer bei uns?« Sie umklammerte ihn.

      »Du Arme, ich war ja wie ein Gefangener.«

      Sie schluchzte, sie bebte am ganzen Leibe: »Gottlob, sie haben dir doch nichts getan!«

      Liebkosend strich er über ihren Scheitel: »Die Franzosen haben euch hoffentlich nicht geängstigt?« Er wandte sich gegen das Fenster, wo die Magd stand.

      Klara kam heran. »Nicht, gar nicht, Herr Doktor. Aber die Frau hat sich so sehr vor dem Singen gefürchtet.«

      »Wenn sie nichts Böseres täten, Liebste!« Der Arzt beugte sich zu seinem Weibe hinab.

      »Ach, wenn ich die Klara nicht gehabt hätte –,« flüsterte sie. »Du, vor der hab' ich Respekt!«

      »Ich bleib' immer bei Ihnen, Frau Doktor,« tröstete die Magd.

      »Draußen steht der Knecht, gib ihm den Schlüssel, Klara; die Soldaten wollen Wein.«

      Sie flüsterte: »Ich trau' ihm nicht, Herr Doktor. Ich will selber in den Keller gehen.«

      »Nein, du gehst mir nicht allein im Hause umher.«

      »Aber ich trau' ihm nicht.«

      »Gib ihm den Schlüssel, ich will es.«

      Der Doktor hatte seine Frau an einen Stuhl geleitet. Da saß sie nun, ließ die Arme schlaff herabhängen und sah unter halbgeschlossenen Augenlidern vor sich hin: »Weiß wohl – bin schwach – erbärmlich schwach und muß mich schämen. Aber ich fühl's ja doch, das Herz ist's, das Herz hält keinen Schrecken aus.«

      Er nahm ihre Rechte und fühlte den Puls.

      Eifrig flüsterte die Magd auf der andern Seite: »Aber wir sind ja bei Ihnen. Da ist der Herr, und da bin ich. Wer sollte Sie denn erschrecken?«

      »Geh zur Ruhe, Liebste,« sagte er und trat an das eine von den beiden Betten.

      »Bleibst du jetzt auch ganz gewiß bei uns?« flüsterte die Frau.

      »Gewiß, wenn man mich nicht zu einem Kranken ruft.«

      Er stand vor dem Bette. Da lagen seine Knaben nebeneinander und schliefen. Sie hatten rote Wangen, und ihre Mündlein waren halb geöffnet. Sie atmeten tief und ruhig. Er stand und sah mit feuchten Augen auf die zarten Kinder herab. Hinter ihm tröstete die Magd leise an seiner Frau. Da faltete er die Hände.

      Die Magd war auf die Knie gesunken und streichelte die Hände der Frau. Die Hände der Frau waren schmal und weiß, die Hände der Magd stark und rot und rauh.

      Und aus weiter Ferne kroch an die beiden Frauen das Unheil heran. Die eine saß mit geschlossenen Augen, ihre feinen Nasenflügel zitterten, es war, als witterte sie das Kommende, und lang ehe es kam, war sie zusammengebrochen. Die andere aber sah mit hellen Augen auf das Nächstliegende und hatte keine Zeit, sich vor dem, was etwa kommen konnte, zu fürchten. Während sie tröstete, bedachte sie, daß der Herr wohl noch etwas zu essen wünsche. Und sie erhob sich.

      Er ließ sie nicht allein auf die Stiege und schloß die Frau und die Kinder ein.

      Oben an der Stiege blieb sie stehen und sah mit großen Augen zu ihm empor: »O Herr, wie bin ich froh, daß Sie da sind!«

      »Du sollst dich nicht fürchten, Klara.«

      Trotzig schüttelte sie den Kopf. »Fürchten? O nein. Aber es graut mir. Da drunten ist ein Soldat, größer um einen Kopf als Sie, und vor dem, jawohl, vor dem graut mir.« Sie hatte es geflüstert. Und nun ging sie voran. Er antwortete nur das eine: »Jetzt bin ich im Hause.«

      Sie trug das Licht und schützte die Flamme. Als sie die Kammer neben der Küche aufsperrte, hielt er das Licht, und sie brachte Brot heraus. Mehr war nicht vorhanden. Dann gingen sie beide zurück.

      Aus dem Zimmer zu ebener Erde tönte Gesang. Aber es waren nur noch zwei Stimmen, die ein schwermütiges Lied sangen.

      »Bring nun die Frau zu Bett,« befahl der Arzt. »Ich wache im Zimmer nebenan.«

      »Die arme Frau,« murmelte sie.

      Und aufrecht ging sie dem Unheil entgegen. Ihr graute, aber sie sparte unbewußt ihre Kraft. Und sie blieb stark, das Unheil zu überwinden.

      *

      Schneider Koram gehörte zu den wenigen, die mit den

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