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hat mich auch gekränkt, war ja nicht minder auch mein Stammhaus. Von Theuern!« Er lachte kurz auf. »Aber vergieb, ich habe nunmehr einen wichtigen Gang. Ich wünsche dir alles Gute, mein Sohn.«

      Georg stand ruhig da und heftete die Augen auf das Gesicht des kleinen Mannes.

      »Ja so, ich habe vergessen, Jörg, freilich – aber du wirst mir zugeben, Bargeld ist rar, und ich bin ein Familienvater mit Weib und vier Kindern – doch soll's mir nicht ankommen auf – na, ich will's der Magd sagen; könntest übrigens gleich selber, ist ja dunkel draußen – einen Topf voll Sauerkraut –«

      »Ich danke Euch, bemüht Euch nicht,« sagte Georg Portner mit gebrochener Stimme, wandte sich und ging aus der Thüre, tastete sich mit schweren Schritten die Stiege hinab und durch den dunkeln Flur.

      »Jörg, so war's ja nicht gemeint, komm doch!« rief der andre von oben herunter.

      »Gute Nacht!« sagte Georg mit fester Stimme und schloß die Hausthüre hinter sich.

      ›Der echte Bettelstolz!‹ murmelte Hans Andre verdrießlich, ging in die warme Stube und zog die Stiefel aus. »Na, um so besser, Hans Andre Portner von und auf Theuern!«

      *

      Eilig war das Kind über den gefrorenen Schnee getrippelt und hatte die alte Magd hinter sich hergezogen bis zur Straßenecke an des Bäckers Haus. Dort blieb es stehen und streckte sich zum Schiebfenster empor – aber das Fingerlein konnt's nicht erreichen.

      »Nein, Dorel, nit so, nit so,« flüsterte die Alte, »wir gehen in die Stube, so, da komm!«

      Und sie bog mit Zögern in den finstern Hausflur und klopfte an der Thüre. Dann standen die zwei in der heißen Bäckerstube.

      Begehrlich schaute das Kind auf die Körbe voll Weißbrot an den Wänden, und der Bäcker am Schiebfenster wandte mürrisch das feiste Gesicht herüber: »Was giebt's?«

      »Verzeiht schon,« stieß die alte Magd hervor und trat einen Schritt näher, »ich stell mich dumm an zum Borgen, aber –«

      »Ich hab' dir's heut' früh schon gesagt, ich borg' nicht,« knurrte der Bäcker, »'naus da!«

      »Hernach muß ich was thun, was ich noch meiner Lebtag nit gethan hab',« sagte die Magd mit bebender Stimme. »Schaut Euch das unschuldige Kind an und gebt ihm um Gottes willen ein Stückel Brot, es hat Hunger, daß ihm der Magen weh thut.«

      »Das kann jeder sagen,« kam die Antwort zurück, während das Kind unverwandt auf das Brot starrte, »'naus, Bettelvolk!«

      »Ich bitt' Euch mit aufgehobenen Händen, Herr, seid barmherzig, wie Euch Gott barmherzig sein soll in Eurer letzten Stund'!«

      Der feiste Mann sprang von seinem Sitz auf, daß der Stuhl polternd auf den Boden stürzte, und griff nach einem Stecken: »Heiligs Dunnerwetter, ob du jetzt gleich machst, daß du 'nauskommst mit deinem Balg!«

      Wortlos zog die Greisin das Kind aus der Stube durch den Hausflur auf die Straße.

      »Bscht, nit weinen, Dorel, nit weinen, du kriegst 'n Weck, so wahr ich Liesi Fischerin heiß'. Aber nit weinen, bscht!«

      Und sie zog das Kind um die Ecke und ging hastig weiter bis an das nächste enge Gäßlein. »Nit weinen, Dorel, nit weinen! So, Dorel, da stell dich her, da hinter den Prellstein in Schatten – so. Und nit fürchten – ich bring' dir 'n Weck, ich bin gleich wieder da.« Das Kind drückte sich an die Mauer und hielt den Atem an.

      Und eilig lief die Magd den kurzen Weg zurück, schlüpfte wieder in den Hausflur und blieb einen Augenblick lauschend an der Stubenthüre stehen. Reden und Lachen klang heraus. Die Greisin aber öffnete vorsichtig die Thüre und spähte durch den Spalt hinein. Dann ballte sie die Hände, atmete tief, murrte vor sich hin – stieß die Thüre auf, schoß wie ein Habicht auf den nächsten Korb, griff ein Brötchen heraus und rannte zurück in den Hausflur, hinaus ins Freie.

      »Die war's – Dibio!« kreischte der Bäcker und stürzte ihr nach, und mit Hallo und Dibio rannten die Leute aus der Stube hinter ihm drein.

      »Dibio, Dibio!« keuchte der Bäcker. »Die dort ist's – Dibio, festhalten!«

      Und Dibio gellte es die Gasse hinunter. –

      Wie eine schwarze Furie mit ausgebreiteten Armen stand die Greisin vor dem bebenden Kinde am Eingange in das Gäßlein.

      »Die war's!« keuchte der Bäcker und schüttelte sie heftig an der Schulter. »'raus damit!«

      Und ein Knäuel von schreienden, schimpfenden, gaffenden Menschen ballte sich vor dem engen Gäßlein zusammen.

      Schwer atmend, wortlos, mit funkelnden Augen stand die alte Magd vor dem zornigen Manne.

      »Was giebt's denn da?« fragte einer mit tiefer Stimme, und es drängte sich ein großer, vornehm gekleideter Mann durch die Menge.

      »Eine Diebin haben wir,« sagte der Bäcker, »nicht einmal mehr das Brot in den Ladenstuben ist sicher vor dem Emigrantengesindel, Herr.«

      »Ich bin keine Diebin, ich bin des Herrn Portners von Theuern Magd, die Liesi Fischerin, dürft fragen, wen Ihr wollt!« schrie nun die Greisin.

      »Aus der Ladenstube hat sie mir das Brot geraubt!« brüllte der Bäcker.

      »Weil des Herrn Georg Portner von Theuern Kind nit Hungers verkommen darf!« kreischte die Magd, zog das weinende Kind aus dem Schatten und stellte es vor den Fremden. »Da, Herr, schaut Euch den Wurm an und helft, wenn Ihr ein Herz habt!«

      Der Vornehme fragte: »Nochmal, wie hast du gesagt – Georg Portner von Theuern? Ist das nicht ein Oberpfälzischer vom Adel?«

      »Da hört Ihr's, der Herr kennt uns, und ich bin keine Diebin!« rief die Magd und bückte sich, die Hand des Fremden zu küssen.

      »Was hast du genommen?« fragte dieser und entzog ihr die Hand.

      »Einen Arm voll Wecken hat mir das Vieh gestohlen!« schrie der Bäcker.

      »Das da hab' ich genommen, weil er mich mit dem Kind aus dem Laden gejagt hat wie einen Hund,« sagte die Greisin und zog das Brötchen aus der Tasche und hielt es dem Fremden hin.

      »Nicht wahr ist's!« kreischte der Bäcker.

      »So sucht meine Taschen aus!« sagte die Alte mit Abscheu.

      Der Fremde zog den Beutel und reichte dem Bäcker ein Geldstück. »Ist das auf Euern Haaren Mehlstaub oder sind sie von Natur so weiß?«

      Der Bäcker ließ das Geldstück in die Tasche gleiten, murmelte etwas Unverständliches, wandte sich ab und schob sich durch den Haufen.

      »Iß, Dorel!« raunte die Magd, bückte sich und brach das Brötchen. »Tausendmal vergelt's Gott, Herr!«

      »Georg Portner von Theuern?« fragte der Fremde noch einmal und strich liebkosend über das Köpflein des Kindes. »Platz da!« herrschte er die Gaffer an. »Und du,« befahl er der Magd, »führst mich zu deinem Herrn!« – –

      Es war spät am Abende. Der Mond stand hinter den Dächern, und in der Kammer der Wöchnerin brannte ein kleines Licht.

      Georg Portner saß am Lager seines Weibes und lauschte auf die ruhigen Atemzüge der Schläfer.

      Da regte sich das Kindlein in der Wiege und begann zu weinen. Frau Anna Felicitas erwachte und richtete sich auf. »Du?« sagte sie schlaftrunken und tastete mit der Hand nach ihrem Manne. »Gieb mir das Kind!«

      Georg hob das Kind aus der Wiege und legte es behutsam an ihre Brust.

      »Es hat mir so wundervoll geträumt,« murmelte sie nach einer Weile, während das Kindlein in tiefen Zügen trank, »und nun ist alles ganz anders.«

      Georg schwieg.

      »Es war ein schöner Sommerabend in Theuern. Ich trug dir das Kind entgegen, und neben mir trippelte das Dorel. Da kamst du vom Hammer und nahmst mir das Kind ab, und selbviert gingen wir unterm

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