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du den Wagen, Hansjörg?«

      »Welchen Wagen? Es ist ja doch alles ganz stille, Ruth!«

      »Und das Jauchzen und Schießen, hörst du nichts?«

      »Nichts, Ruth.«

      »Jawohl, es ist alles ganz still, und es sollte doch nicht still sein!« sagte sie mit bebenden Lippen. »Da – da –!« sie streckte die leeren Hände vor sich hin. »Dein Weib ist bettelarm, Hansjörg!«

      Er preßte sie an sich und verschloß den klagenden Mund mit seinen Lippen.

      Lange standen sie wortlos.

      Dann machte sich die Braut frei, barg ihr Haupt an seiner Brust und flüsterte: »Jetzt müßte die Mutter kommen und mir das Krönlein bringen. Ach, Hansjörg, das Krönlein mit den langen roten Bändern aus der blauen Truhe. Alle Bräute auf dem Zant haben's getragen zu ihrer Zeit, alle, und nur ich muß ohne Krönlein gehen. Und 's ist doch auch mein Ehrentag!«

      »Sei ruhig, Ruth, meine liebe, tapfere Ruth!«

      »Oft bin ich vor der Truhe gestanden, Hansjörg, und die Mutter hat mir das Krönlein mit den zwölf Sternlein gezeigt, hat mir's auch zuweilen auf den Kopf gesetzt und geschwinde wieder abgenommen, – ich höre sie: ›Jetzt noch nicht, Kind, will's Gott, noch lange nicht!‹«

      Hansjörg fuhr liebkosend über ihren Scheitel: »Nicht weinen, Ruth, nicht weinen!«

      »Nicht weinen?« sagte sie und versuchte zu lächeln, während ihr die heißen Thränen über die Wangen liefen. »Lachende Braut –?«

      »Weinendes Weib,« stieß Hansjörg hervor. »Ruth, wein', was du kannst!«

      »Aber Hansjörg!«

      »Damit es wahr werde: Weinende Braut, glückliches Weib!«

      Ruth mußte lachen, warf sich an seine Brust und schluchzte und lachte und zitterte am ganzen Leibe. –

      Auf der Gasse erklang der Hufschlag eines galoppierenden Rosses.

      »Und dann müßte ich jetzt das weiße Tüchlein auf den Schemel breiten,« sagte Ruth und hob ihr verweintes Gesichtchen, »und müßte draufknieen, und der Vater käme und gäbe mir seinen Segen. – O Hansjörg,« schrie sie leise auf, »ohne den Segen des Vaters, es ist nicht auszudenken!«

      An der Thüre pochte es.

      Ruth wandte sich ab und trat ans Fenster und preßte die Stirne ans Kreuz.

      Auf der Schwelle stand Georg Portners Töchterlein, steckte den Finger ins Mündlein und starrte neugierig auf die Braut am Fenster.

      »Was giebt's?« fragte Hansjörg und streichelte die Wange des Kindes.

      »Du sollst kommen, Ohm. 's ist einer angeritten, der will dich haben,« klang das helle Kinderstimmlein in die düstere Stube. »Und, Ohm, der Herr Prädikant kommt auch schon im Chorrock die Gasse herunter, läßt die Mutter wissen.«

      »Dorel, komm zu mir!« sagte Ruth und wandte sich nicht vom Fenster.

      Hansjörg ging aus der Stube.

      »Dorel, Dorel!«

      Das Kind drückte sich an die Mauer und sah mit großen Augen zum Fenster hinüber und zu der Braut in ihrem Schmucke.

      »Aber, Dorel, wo bleibt denn meine Dorel?« fragte Ruth und wandte sich um.

      »Du bist's – Muhme? Bist du's?« fragte das Kind und ging zaudernd einen Schritt vorwärts.

      »Aber freilich, Dorel, wer denn?« sagte Ruth, ging auf das Kind zu, kniete nieder und schloß es in ihre Arme.

      »Bist du's wirklich?« fragte das Kind enttäuscht. »Aber die Mutter hat ja doch eben zum Vater gesagt –«

      »Was denn, Dorel?«

      »Der Hansjörg heiratet einen Engel, hat sie gesagt. Und wo ist denn der Engel, sag?«

      Ruth lachte und küßte das Kind. »Da thät' er mir von Herzen leid, der Hansjörg!«

      »Und gelt, Engel haben doch goldene Kronen, Muhme?«

      Die Augen der Braut füllten sich wieder mit Thränen, schnell erhob sie sich, nahm das Kind auf den Arm und trat ans Fensterlein. –

      Leise öffnete sich die Thüre, auf der Schwelle stand Hansjörg.

      »Sag, Muhme, heiratet der Ohm wirklich einen Engel?« fragte das Kind ganz laut.

      »Ja!« sagte Hansjörg mit seiner tiefen Stimme hinter den beiden, hob ein funkelndes Ding und setzte es seiner Braut auf den Scheitel.

      »Aber, Hansjörg, wie bin ich erschrocken!« klagte Ruth und wandte sich.

      Mit verschränkten Armen stand Hansjörg Portner und sah mit glückstrahlendem Antlitz auf seine Braut.

      »Was ist denn?« fragte sie verwirrt und stellte das Kind sachte auf den Boden und tastete an ihrem Haupte. »Hansjörg!?«

      »Muhme,« sagte das Kind und blickte wie gebannt nach der goldenen Krone auf Ruths Haupte, »jetzt bist du ja doch auf einmal ein Engel, Muhme?«

      »Hansjörg?« fragte Ruth, und ihre Brust hob und senkte sich heftig.

      »Von der Mutter, liebe Ruth!«

      »Hansjörg!«

      »Ohm, ich fürcht' mich!« klagte das Kind und umklammerte seine Kniee.

      »Nicht, nicht fürchten, Dorel,« tröstete die Braut und kniete neben dem Kinde auf die Dielen. »O Hansjörg, wie bin ich glücklich!«

      »Und vom Vater ein Brief,« sagte Portner.

      »Vom Vater? Gott sei gelobt!«

      Es war ein jauchzender Jubelschrei, und lachend und weinend herzte und küßte die Braut das Kind.

      Tiefe Dämmerung hatte sich herabgesenkt auf die herbstliche Erde. Und auf dem Scheitel der Braut funkelte die uralte Brautkrone vom Zant, wie Recht war.

      *

      Am Abende dieses Tages brannte in der Studierstube des Prädikanten eine Kerze, und bedächtig schrieb der alte Mann in sein Traubuch diese Worte:

      »1631, am 2. Novembris, hab' ich inter privatos parietes oder im Hause eingeleitet den edeln, gestrengen und vesten Johann Georg Portner von Theuern, welcher samt seinem Bruder derzeit ums reinen Worts Gottes willen allhier ein Fremdling ist, mit der edeln, ehrentugendreichen Jungfern Anna Ruth, des edeln und vesten Wilhelm von Zant ehelicher Tochter. Und ich hab' ihnen dieses mit auf ihre Straße gegeben: ›Dennoch bleibe ich stets an Dir; denn Du hältst mich bei meiner rechten Hand, Du leitest mich nach Deinem Rat und nimmst mich endlich mit Ehren an. Wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist Du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.‹«

      Dann wischte er die Feder bedachtsam aus, streute Sand über die nassen Zeilen und klappte das Buch zu.

      Er war ein alter und einsamer Mann, der gerne mit sich selber sprach, wenn ihn etwas bewegte.

      So faltete er auch jetzt die Hände über dem dunkeln Buche und murmelte in tiefem Sinnen:

      ›Und sie freiten und ließen sich freien.‹

      ›Nein,‹ sagte er nach einer Weile, stand auf, nahm das Licht und ging in seine Kammer, ›bei den zweien da ist's doch ein ander Ding, wenn auch – die Flut kommt.‹

      *

      Am finstern Morgen waren die Nürnberger Reiter von Hersbruck die Straße heraufgeritten, ihren Fähnrich zu holen und sein junges Weib. Jetzt saßen sie in der Schenke und tranken und sangen, daß die Scheiben klirrten:

      Es geht die Trommel durch die Welt

       Von einer Ecke zur andern,

       Ein Lump, wer sich zu Hause hält,

      

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