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wie nie. Immer wieder lief sie zum Fenster und sah hinaus. Hans hatte sich für den Abend zu Besuch bei ihren Eltern und Großeltern angesagt.

      »Was will er denn?« hatte ihr Großvater gefragt. »Nur so wird er ja nicht kommen.«

      Nanni hatte mit den Schultern gezuckt und gesagt, genau wisse sie es auch nicht. Als dann der Wagen vorfuhr, stieg Hans aus und kam zum Haus, in seinen Händen hielt er zwei große und einen kleinen Blumenstrauß. Einen Strauß überreichte er Nannis Großmutter und einen Nannis Mutter.

      »Für dich«, sagte er zu Nanni, »hab’ ich heute Wiesenblumen gepflückt. Ich bin nicht so geschickt im Umgang mit Blumen wie du, aber sie kommen von Herzen.«

      Nanni bekam einen roten Kopf, wußte einen Augenblick lang nicht, wie sie reagieren sollte, dann flog sie Hans um den Hals. Ihrem Großvater wäre fast die Pfeife aus dem Mund gefallen, und ihre Eltern sahen verlegen zur Seite.

      Gustl Burgner räusperte sich, und wer ihn kannte, der wußte, daß er was sagen wollte.

      »Lassen S’ mich erst was loswerden«, sagte Hans. »Mein Besuch heute hat nämlich einen ganz besonderen Grund.«

      Daraufhin starrten ihn alle an. »Und?« sagte schließlich Gustl Burgner. »Was ist der Grund?«

      Da zog Hans ein kleines Kästchen aus der Tasche seiner Weste, öffnete es, nahm einen Brillantring heraus und sagte: »Ich wollte Marianne bitten, meine Frau zu werden.«

      Es war mucksmäuschenstill im Wohnzimmer der alten Burgners, denn dort hatten sich alle versammelt.

      »Mach dich nicht lustig über mein Mädchen, Hoheit…!« Der Gustl hatte seine Sprache wiedergefunden.

      »Mir war nie was so ernst wie dieser Moment«, murmelte Hans, dann steckte er den Ring Marianne an den Finger. »Diesen Ring haben alle Adelsbacher Fürstinnen getragen. Meine Großmutter läßt ganz herzlich grüßen.« Dann sah er Marianne verliebt an. »Sie hat gesagt, sie wüßt’ keine Frau, der sie den Ring eher gönnen würd’ als dir…!«

Morgen wirst du um mich weinen

      Leises Lachen klang aus dem blauen Zimmer, und Amanda, die Zofe, lächelte, als sie dies hörte. Ja, Gräfin Ludovica war völlig verändert, wenn Baroness Ulrike zu Besuch auf Pallenberg war.

      »Ich möchte wissen, wo der Tee bleibt?«, hörte Amanda die Gräfin sagen.

      Die Zofe schnitt eine Grimasse. Himmel, den Tee hatte sie völlig vergessen! So rasch sie konnte, begab Amanda sich ins Souterrain, in dem die Wirtschaftsräume untergebracht waren.

      »Amanda kann nicht alles machen, Tante Ludovica.« Ulrike Baroness von Menden nahm die Zofe in Schutz. »Es ist an der Zeit, dass Otto wieder gesund wird.«

      »Papperlapapp«, murrte die alte Dame. »Was heißt hier gesund? Er soll sich zur Ruhe setzen. Immerhin ist er ein Jahr älter als ich.«

      Ulrike lachte über Tante Ludovicas Art, doch wer sie nicht kannte, konnte die Gräfin gut und gern für einen weiblichen Dragoner halten. Sie verstand es meisterhaft, ihr gutes Herz hinter einer rauen Schale zu verbergen.

      »Ich kann mir schon denken, warum Otto seinen wohlverdienten Ruhestand hinausschiebt, Tante Ludovica. Er hat einfach Angst davor, Pallenberg verlassen zu müssen. Es ist seit vierzig Jahren seine Heimat.«

      Ludovica Gräfin von Permont zupfte an den dunklen Spitzen des schwarzen Kleides. Sie trug mit Vorliebe Schwarz oder verschiedene Grautöne und ließ sich durch nichts und niemanden davon überzeugen, dass man in ihrem Alter auch noch andere Farben wählen konnte.

      »Das soll es auch bleiben.« Tante Ludovica räusperte sich. »Obwohl ich nicht die Absicht habe, Schloss Pallenberg zu einem Altersheim zu machen. Ich habe lange darüber nachgedacht und mich dazu entschlossen, ihm das ehemalige Verwalterhaus zur Verfügung zu stellen. Natürlich werde ich auch eine kleine Miete von Otto verlangen. Er ist sehr stolz, musst du wissen.«

      Ulrike betrachtete die alte Dame liebevoll. Dass sie sogar daran dachte, den Stolz des alten Dieners nicht zu verletzen, zeugte besonders von ihrer großherzigen Gesinnung.

      »So, und jetzt lass uns nicht länger von Otto reden.« Tante Ludovica griff nach dem Gehstock aus Ebenholz, dessen reichverzierter Griff aus Elfenbein gefertigt war.

      »Was möchtest du, Tante Ludovica? Bitte, sag es, und ich hole es dir!«, rief die Baroness und wollte aufstehen.

      »Potzblitz und Hagelkorn!«, rief die Gräfin und klopfte mit dem Gehstock mehrmals auf den Boden. »Ich bin fünfundsechzig, aber noch nicht scheintot. Also werde ich mir meinen Sherry auch selbst holen.«

      »Verzeih …«, antwortete Ulrike leise und senkte den Kopf. »Es war gut gemeint …«

      »Das weiß ich«, gab die Gräfin zu. Es klang schon wieder versöhnlich. »Aber ich kann es nun mal nicht leiden, wenn man mich so behandelt, als gehörte ich schon zur Ausschussware. Wenn du erst mal in mein Alter kommst, wirst du auch merken, dass man sich noch viel jünger fühlt.«

      Gräfin Ludovica war eine große hagere Frau. Trotz ihres Alters zeigte sich in ihrem pechschwarzen, straff zurückgekämmten Haar noch kein einziger Silberfaden. Das lange schmale Gesicht war von tiefen Furchen durchzogen, den grauen Augen schien nichts zu entgegen, und die große hervorspringende Nase ließ den Betrachter sofort an einen Adler denken.

      »Nimmst du auch einen?«, fragte Tante Ludovica über die Schulter.

      »Danke, nein, es ist mir noch zu früh.«

      »Zu früh …, als ob es für einen Sherry je zu früh wäre«, nuschelte Tante Ludovica so leise, dass ihre Besucherin sie nicht verstehen konnte.

      »Verzeih, Tante Ludovica, ich kann nicht verstehen, was du sagst!«, rief Ulrike.

      »Oh, es war auch nichts Wichtiges«, antwortete die alte Dame und kam zum Tisch zurück. Sie pflegte den Sherry aus Weingläsern zu trinken. In diesen entfaltete sich die Blume besser, behauptete Tante Ludovica. Doch nicht nur Ulrike hatte den Verdacht, dass die Gräfin die etwas größeren Gläser aus einem ganz anderen Grund bevorzugte.

      Nachdem sie den ersten Schluck getrunken hatte, nahm die alte Dame das Gespräch wieder auf. »Gerhard scheint es auf Capri zu gefallen. Er wollte heute zurückkommen, aber wie er mir vorhin am Telefon sagte, sind die Geschäfte noch nicht abgeschlossen.«

      »Er …, er kommt nicht?«, Ulrike, die seit fast einem Jahr mit Tante Ludovicas Neffen Gerhard Graf von Permont eng befreundet war, konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen.

      »Du machst dir Gedanken?«, die Gräfin runzelte die Stirn. »Das brauchst du nicht, Kind, denn Gerhard schlägt in die Familie der Permonts, und die sind absolut treu.«

      »Hoffentlich hast du recht!« Ulrike hielt es plötzlich nicht mehr im Sessel, sie musste sich bewegen, um ihrer Erregung Herr zu werden.

      Die Baroness wusste, wie anfällig Gerhard für weibliche Reize war, denn sie hatte ihn in Gesellschaft schöner Frauen häufig genug beobachtet.

      Ein ironisches Lächeln kräuselte Ulrikes Lippen, denn sie erinnerte sich daran, dass sie Gerhard darauf aufmerksam gemacht hatte. Wie sehr hatte er sich gegen diese Verdächtigungen gewehrt, tausend Eide hatte er ihr geschworen, dass Ulrike sich alles nur einbilde.

      Doch die Baroness hatte ein feines Gespür dafür. Außerdem war sie nicht das, was man eine außergewöhnliche Schönheit nannte. O ja, sie war nicht ohne Reiz, doch gegen manche Frauen wirkte sie einfach farblos.

      Die Baroness nahm einen kleinen Rokokospiegel von einer Kommode und betrachtete sich. Das halblange kastanienbraune Haar betonte die Blässe ihres Teints, und für Ulrikes Geschmack waren ihre braunen Augen viel zu sanft.

      Capri … Ulrike seufzte. Vielleicht hatte Gerhard dort eine glutäugige Schöne kennen- und liebengelernt? War das denn so ungewöhnlich?

      Die

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