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Nein, sie wollte nicht nach Hause! Nicht jetzt schon!

      Irgend etwas muß mir einfallen, damit ich diese Entlassung verhindern kann, dachte sie verzweifelt. Irgend etwas…

      *

      Sarina von Gehrau erschrak zutiefst, als sie Brigitte Klein sah. Blaß und schmal lag sie in ihrem Bett, starrte blicklos vor sich hin und erweckte den Eindruck, als wäre sie schwer krank, jedenfalls aber keine werdende Mutter.

      »Brigitte«, sprach Sarina sie leise an.

      Die junge Frau hob den Kopf und zwang sich zu einem Lächeln, das ihr kläglich mißlang. Spontan setzte sich Sarina auf die Bettkante und griff nach Brigittes Hand.

      »Dr. Daniel hat gesagt, daß es dir nicht gut geht«, erklärte sie.

      Brigitte seufzte. »Das ist noch untertrieben, Sarina. Ich fühle mich miserabel. Ich habe Schwangerschafts-Diabetes – so schlimm, daß ich Insulin spritzen muß.« Mit einer fahrigen Handbewegung wischte sie sich über die Augen. »Oliver ist so lieb zu mir…, er will mir helfen, dabei sehe ich ihm an, wie schwer er selbst unter der ganzen Last trägt. Ich bin schwanger, zuckerkrank, und er steht mit den vielen Schulden allein da. Sarina, ich wünschte, Dr. Daniel hätte einer Abtreibung zugestimmt.«

      Doch Sarina schüttelte ernst den Kopf. »Das hättest du niemals wirklich gewollt. Erinnerst du dich noch, wie wir uns einmal über dieses Thema unterhalten haben?«

      Wieder seufzte Brigitte. »Natürlich erinnere ich mich. Ich habe gesagt, wenn Mutter und Kind gesund sind, dann gibt es immer einen Weg, und dieser Ansicht bin ich auch jetzt noch, aber…, ich bin nicht gesund, und ich weiß nicht, ob mein Kind es sein wird.«

      »Das kann Dr. Daniel feststellen, und wenn für dich oder das Kind auch nur die geringste Gefahr bestehen sollte, dann würde er einer Abtreibung zustimmen, das weißt du so gut wie ich.«

      Ein wenig verlegen senkte Brigitte den Kopf. »Er ist so gut…, so fürsorglich zu mir, und ich danke es ihm so schlecht.«

      »Dafür hat er Verständnis«, versicherte Sarina. »Er weiß genau, in welch schlimmer Situation du steckst, und ich glaube, er macht sich große Sorgen um dich.«

      »Aber wirklich helfen kann er mir leider auch nicht«, entgegnete Brigitte niedergeschlagen, und Sarina wußte, daß sie dabei nicht so sehr an den medizinischen Aspekt dachte.

      »Ist die finanzielle Belastung denn wirklich so schlimm?« wollte sie wissen.

      Brigitte nickte. »Wir haben einfach zu knapp kalkuliert. Es hätte sicher geklappt, wenn das mit der Schwangerschaft nicht passiert wäre. Oliver und ich hätten ungefähr fünf Jahre lang gemeinsam verdienen müssen, dann wäre das Ärgste überstanden gewesen, aber jetzt…, im ungünstigsten Fall müssen wir verkaufen, und das womöglich auch noch mit Verlust. Wer will schon einen Rohbau – auch wenn das Haus noch so idyllisch liegt.«

      Sarina dachte eine Weile angestrengt nach.

      »Vielleicht gibt es doch eine Möglichkeit«, murmelte sie, dann griff sie nach Brigittes Hand und drückte sie sanft. »Mach dir im Augenblick noch keine Sorgen darüber.« Sie lächelte. »Ich weiß schon, das ist jetzt leichter gesagt als getan, aber du solltest versuchen, erst mal an dich und dein Baby zu denken. Für das andere wird sich schon eine Lösung finden lassen.«

      »Das sagt Dr. Daniel auch, aber…, es sieht doch alles so hoffnungslos aus, Sarina.« Wieder strich sie über ihre Augen. »Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.«

      *

      Als Sàndor das Zimmer von Eva-Maria betrat, fiel ihm sofort der beißende Geruch auf.

      »Fräulein Neubert, fühlen Sie sich nicht gut?« fragte er besorgt.

      »Mir war gerade furchtbar übel«, erklärte Eva-Maria mit gequältem Blick. »Mein ganzes Mittagessen habe ich erbrochen.«

      »Es ist heute schon das zweite Mal, daß Sie sich übergeben müssen«, meinte er. »Das Frühstück konnten Sie ja auch nicht behalten. Haben die Tropfen, die Schwester Bianca Ihnen gegeben hat, denn nichts genützt?«

      Eva-Maria schüttelte den Kopf, dann brach sie in Tränen aus. »Morgen sollte ich entlassen werden. Daraus wird nun bestimmt nichts.«

      »Ich werde Dr. Parker informieren«, beschloß Sàndor kurzerhand. »Er hat Wochenenddienst.«

      Es dauerte nur wenige Minuten, bis Sàndor mit dem jungen Anästhesisten zurückkehrte.

      »Ich habe gerade erfahren, daß Sie sich heute schon zweimal übergeben mußten«, erklärte Dr. Parker. »Haben Sie außer der Übelkeit noch andere Beschwerden?«

      Eva-Maria zögerte kurz, dann nickte sie. »Ich habe schreckliche Magenschmerzen…, es ist, als würde mir jemand mit einem Messer die Magenwände aufschneiden.«

      »Das klingt aber gar nicht gut«, urteilte Dr. Parker besorgt, dann tastete er Eva-Marias Bauchdecke ab. Obwohl sie mehrere Male wie im Schmerz zusammenzuckte, hatte er nicht den Eindruck, daß sie tatsächlich Beschwerden hatte.

      »Sàndor, rufen Sie bitte Dr. Scheibler an«, erklärte Dr. Parker. »Er hat heute Bereitschaft und ist in einem solchen Fall wohl qualifizierter als ich.«

      Der junge Mann kam der Aufforderung des Arztes umgehend nach, während Dr. Parker schon in die Eingangshalle hinunterging. Es dauerte nicht lange, bis der Oberarzt die Klinik betrat.

      »Was ist los, Jeff?« wollte er wissen. »Sàndor hat sich am Telefon ja so angehört, als würde die Welt gleich untergehen.«

      »Das nun nicht gerade«, entgegnete Dr. Parker. »Es geht um Fräulein Neubert, die Fehlge-burtspatientin, die Robert beinahe auf dem OP-Tisch weggestorben wäre. Sie hat sich heute zweimal übergeben und klagt über schneidende Magenschmerzen«. Er schwieg kurz. »Die Bauchdecke ist weich und auch nicht druckempfindlich, soweit ich das beurteilen kann.«

      »Sie glauben, daß sie simuliert?«

      Dr. Parker zuckte die Schultern. »Ich kann es ihr nicht unterstellen, ausschließen kann ich es aber auch nicht. Und Tatsache ist nun einmal, daß sie sich übergeben hat. Der Geruch, der im Zimmer hing, war deutlich.«

      »Ich sehe sie mir an«, beschloß Dr. Scheibler, doch er kam bei seiner Untersuchung zu dem gleichen Ergebnis wie Dr. Parker. Kurzerhand nahm er eine Blutuntersuchung vor, machte Ultraschall- und Röntgenaufnahmen, doch er konnte keinen krankhaften Befund erheben. Nach einigem Überlegen zog er schließlich Dr. Daniel zu Rate.

      »Es tut mir leid, wenn ich Sie am Sonntagnachmittag störe«, entschuldigte er sich am Telefon. »Aber Fräulein Neubert…«

      Weiter kam Dr. Scheibler gar nicht, denn Dr. Daniel sagte zu, sofort zu kommen. Aufmerksam hörte er sich den Bericht der beiden Ärzte an, dann schüttelte er den Kopf.

      »Eva-Maria ist keine Simulantin«, meinte er. »Wenn sie über Schmerzen klagt, dann hat sie auch ganz sicher welche.«

      »Ihr angebliches Schmerzempfinden war bei der Untersuchung durch mich anders als bei Jeff – abgesehen davon, daß wir beide das Gefühl hatten, als wäre der Bauch überhaupt nicht druckempfindlich.« Er zögerte ganz kurz. »Aber wie auch immer – wir werden wohl nicht darum herumkommen, einmal in den Magen hineinzuschauen, da alle anderen Untersuchungsmethoden nicht das Geringste ergeben haben.«

      Dr. Daniel nickte nachdenklich, dann beschloß er: »Ich gehe jetzt mal zu ihr hinauf und spreche mit ihr. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, daß sie simuliert, aber wenn doch, dann wird die Aussicht auf eine Magenspiegelung sie rasch wieder zur Vernunft bringen.«

      Zusammengekrümmt lag Eva-Maria im Bett und schluchzte leise vor sich hin.

      »Herr Doktor«, brachte sie mühsam hervor. »Ich hatte mich schon so auf meine Entlassung gefreut, und nun…, ständig ist mir übel. Und dazu diese Schmerzen…«

      »Leg dich mal auf den Rücken, Eva-Maria«, bat Dr. Daniel, dann tastete auch er den Bauch des jungen Mädchens ab, und obwohl es ihm

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