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und dann wandte er sich zu Baghira, nicht zu Hathi.

      »Ich will eine Geschichte erzählen, die ich von dem Jäger vernahm, den ihr heute getrieben habt«, begann Mogli. »Um einen alten und weisen Elefanten handelt es sich, der in eine Fallgrube geriet, und der spitze Pfahl im Boden der Grube brachte ihm eine große Wunde bei, und sie hinterließ eine weiße Narbe, die ihm von der Fessel bis zum Schulterblatt reicht.«

      Mogli streckte seine Hand aus, und als Hathi sich zur Seite drehte, erglänzte im Mondlicht eine lange weiße Narbe, die, wie von einer rotglühenden Peitsche geschlagen, sich über die schiefergraue Haut hinzog. »Männer kamen, um ihn aus der Fallgrube zu ziehen«, fuhr Mogli fort, »aber die Stricke zerriß er, denn er war stark, und er zog von dannen, bis seine Wunde geheilt war. Dann, eines Nachts, kehrte er zornerfüllt zurück zu den Feldern dieser Jäger. Und jetzt fällt mir auch ein, er hatte drei Söhne. Das alles geschah vor vielen, vielen Regen, und sehr weit weg von hier – in den Feldern von Bhurtpore. Was wurde aus den Feldern bei der nächsten Ernte, Hathi?«

      »Ich erntete sie ab und meine drei Söhne«, sagte Hathi.

      »Und was wurde mit dem Pflügen, das dem Ernten folgt?«

      »Es wurde nicht gepflügt«, sagte Hathi.

      »Und was wurde aus den Menschen, die bei den grünen Feldern in der Ebene lebten?«

      »Sie zogen fort.« »Die Dächer rissen wir in Stücke, und die Dschungel verschlang die Mauern«, sagte Hathi.

      »Und was geschah noch außerdem?« fragte Mogli weiter.

      »Soviel guten Boden nahm die Dschungel ein, wie ich in zwei Nächten durchwandern kann, von Osten nach Westen und in drei Nächten von Norden nach Süden. Die Dschungel ließen wir kommen über fünf Dörfer; und in den Dörfern, auf den Feldern und Wiesen, Weidegründen und weichen Äckern ist heute kein Mensch mehr, der dort Nahrung findet. Das war die Verwüstung der Felder von Bhurtpore durch mich und meine drei Söhne; und jetzt frage ich, Menschenjunges, wie dir davon Kunde wurde?« endete Hathi.

      »Ein Mensch erzählte sie mir, und nun sehe ich, daß selbst Buldeo einmal Wahrheit sprechen kann. Gut getan war es, weißnarbiger Hathi; aber zum zweitenmal wird es noch besser geschehen, denn ein Mensch wird nun alles leiten. Du kennst das Dorf des Menschenvolkes, das mich ausstieß. Träge sind sie, unverständig und grausam; sie spielen mit ihren Mäulern, und sie töten die Schwächeren nicht zur Nahrung, sondern zum Spaß. Sind sie vollgefressen, wollen sie die eigene Brut in die Flamme werfen. Das alles habe ich gesehen. Es ist nicht gut, daß sie hier noch länger leben. Ich hasse sie!«

      »So töte sie!« rief der jüngste von Hathis drei Söhnen, riß ein Büschel Gras aus, schlug es um seine Vorderbeine und warf es wieder fort; und die kleinen roten Augen blinzelten verstohlen von einer Seite zur anderen.

      »Was soll ich mit weißen Knochen?« antwortete Mogli heftig. »Bin ich ein Wolfsjunges, um mit einem nackten Schädel in der Sonne zu spielen? Ich habe Schir Khan getötet, und seine Haut modert nun auf dem Rätefelsen; aber – aber ich weiß nicht, wohin Schir Khan geraten ist, und mein Magen ist leergeblieben. Nun will ich nehmen, was ich sehen kann und berühren. Laß die Dschungel los gegen das Dorf. Hathi!«

      Baghira schauderte und duckte sich nieder. Er konnte, wenn es zum Schlimmsten kam, sich wohl einen plötzlichen Einbruch in die Dorfstraße denken, mit Tatzenhieben rechts und links in die Menge, oder auch ein lustiges Töten von Menschen, die in der Dämmerung hinter den Pflügen gehen – aber ein ganzes Dorf mit Vorbedacht auslöschen vor den Augen von Mensch und Tier, das erschien ihm fürchterlich. Nun verstand er, warum Mogli nach Hathi geschickt hatte. Nur der langlebende Elefant allein vermochte es, einen solchen Krieg zu planen und durchzuführen.

      »Mache, daß sie davonfliehen, wie die Menschen aus den Feldern von Bhurtpore! Das Regenwasser allein soll der einzige Pflug sein, und das Rauschen des Regens auf den festen Blättern soll das Schnurren ihrer Spindeln ersetzen. Baghira und ich wollen lagern im Haus des Brahmanen, und der Bock soll aus der Zisterne des Tempels trinken. Laß die Dschungel los, Hathi!«

      »Aber ich – aber wir haben keinen Streit mit ihnen; und erst der roten Raserei großer Schmerzen bedarf es, ehe wir Plätze niederreißen, wo Menschen wohnen«, sagte Hathi und wiegte sich nachdenklich.

      »Seid ihr die einzigen Grasfresser in der Dschungel? Treibt eure Völker hinein. Lasset das Wild und die Sauen und die Nilghai die Sache besorgen. Keine Handbreit deiner Haut brauchst du zu zeigen, bis die Felder nackt sind. Laß die Dschungel los, Hathi!«

      »Wird da kein Töten sein? Rot wurden meine Hauer bei der Verwüstung der Felder von Bhurtpore, und den Geruch möchte ich nicht wieder erwecken.«

      »Auch ich nicht. Nicht einmal ihre Knochen will ich auf unserer reinen Erde bleichen sehen. Fortwandern sollen sie und sich ein neues Lager suchen. Nicht länger sollen sie hierbleiben! Das Blut der Frau, die mir Nahrung gab, habe ich gesehen und gerochen; und sie hätten die Frau getötet, wäre ich nicht gekommen. Nur der Duft frischen Grases auf den Schwellen ihrer Hütten kann diesen Geruch tilgen – er verbrennt mir den Mund. Laß die Dschungel los. Hathi!«

      »Ja«, sagte Hathi, »so auch brannte die Narbe von dem spitzen Pfahl in meiner Haut, bis wir ihre Dörfer untergehen sahen im Blühen des Frühlings. Nun verstehe ich! Dein Krieg sei unser Krieg! Die Dschungel lassen wir los!«

      Mogli hatte kaum Atem geschöpft – er bebte vor Wut und Haß –, als auch schon der Platz leer war, wo eben noch die Elefanten gestanden hatten. Baghira aber blickte voller Entsetzen auf Mogli.

      »Beim gesprengten Schloß, das mich befreite!« rief der schwarze Panther nach einer Pause. »Bist du der nackte Frosch, für den ich sprach vor dem Rudel, als alles jung war? Meister der Dschungel, wenn meine Kraft von mir geht, sprich für mich – sprich für Balu – sprich für uns alle. Junge sind wir vor dir! Zerknacktes Gesträuch unter deinen Füßen! Rehkitze sind wir, von der Ricke verlassen!«

      Sich Baghira als verirrtes Rehkitz vorzustellen, brachte Mogli aus der Fassung; er lachte, rang nach Atem, schluchzte und lachte wieder, bis er zuletzt, um sich zu beruhigen, in den nahen Teich sprang. Dort schwamm er in Kreisen, tauchte zwischen den Mondstrahlen hindurch, wie sein Namensvetter, der Frosch.

      Indessen waren Hathi und seine drei Söhne von dannen gezogen, jeder in einer anderen Richtung der Windrose, und schritten geräuschlos durch die Täler. Weiter und weiter zogen sie, zwei Tagesmärsche – das sind sechzig Meilen – durch die Dschungel; und jeder Schritt, den sie machten, jeder Schwung der Rüssel, wurde bemerkt, beachtet und besprochen von Mang und Tschil, von dem Affenvolk und allen Vögeln. Dann begannen sie zu weiden – ruhevoll, etwa eine Woche lang. Hathi und seine Söhne sind darin wie Kaa, der Felsenpython. Niemals eilen sie, ehe es not tut. Am Ende dieser Zeit durchdrang ein Geraune die Dschungel, und niemand wußte, woher es kam; bessere Nahrang und besseres Wasser sei zu finden in dem und dem Tal. Die Wildschweine – die um eines besseren Futterplatzes willen bis ans Ende der Welt zu laufen bereit sind – zogen zuerst in Scharen, grunzend, fort über die Felsen. Dann machte sich das Rotwild auf den Weg, gefolgt von den kleinen wilden Füchsen, die von den Toten und Sterbenden der Herde leben; in gleicher Richtung mit dem Wild zogen die schwerschultrigen Nilghai, und hinter den Nilghai stampften die wilden Büffel aus den Morästen. Der geringste Anstoß hätte ausgereicht, die zerstreuten weidenden Herden, die grasten, dahinschlenderten, tranken und wieder grasten, zur Umkehr zu bestimmen; aber sobald Unruhe ausbrach, war immer einer da, der sie besänftigte. Manchmal war es Ikki, das Stachelschwein, mit guter Botschaft über reiche Nahrung nur ein kleines Stück weiter; bald erschien Mang; die Fledermaus, pfiff ermutigend und flatterte über eine Lichtung hin, um zu zeigen, daß alles frei war; oder Balu, das Maul voller Wurzeln, trottete längs einer schwankenden Reihe dahin, und halb scheuchte, halb drängte er sie wieder auf den richtigen Pfad zurück. Viele der Tiere brachen dennoch aus, liefen weg und verloren die Lust am Weiterwandern; aber sehr viele blieben und drängten vorwärts. Nach etwa zehn Tagen stand es so: Das Wild, die Sauen und die Nilghai bildeten, immer weiterziehend, einen Kreis von acht bis zehn Meilen im Durchmesser, die Fleischfresser scharmützelten außen herum, und der Mittelpunkt dieses Kreises war das Dorf. Rings um das Dorf aber reiften die Saaten, und

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