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Ast inmitten runder Blätter, die dicht an dicht wuchsen. Die Fremde folgte seinem Blick, ohne mit dem Lächeln aufzuhören.

      »Ich würde mich nicht um das Schwimmzeug kümmern«, sagte sie, wobei ihre grünen Augen in der Sonne funkelten.

      »Und wieso nicht?«

      »Weil es sowieso zu spät ist.

      Hawke sah sie mehrere Sekunden an, nicht ohne ein Schmunzeln zu unterdrücken, bevor er fortfuhr: »Was zum Kuckuck tun Sie an meinem Strand, wenn ich so vermessen sein darf, zu fragen?«

      »Das ist Ihr Strand?«

      »Sozusagen.«

      »Was ich hier tue? Wonach sieht's denn aus?«

      Sie hatte ein Tasche aus durchsichtigem Plastik mit Kordel dabei, die unter anderem kleine, pinkfarbene Muschelschalen enthielt. Hawke bemerkte außerdem ein Seil, das sie um ihre Taille trug und an dem mehrere kleine Fische festgemacht waren. Er hatte sich viel zu lange an ihrem außergewöhnlichen Körper geweidet, um auf die Harpune in ihrer rechten Hand zu achten.

      »Also«, hob er wieder an. »Entlang der Küste gibt es sehr viele andere Buchten genau wie diese. Sie hätten sich doch wohl eine aussuch–«

      »Solche Muscheln findet man nur hier«, warf sie ein, während sie die Tasche hochhielt, sodass der Kunststoff Hawke in der Sonne blendete. »Sie heißen auch Pink Chinese.«

      »Was Sie nicht sagen«, erwiderte Hawke. »Gibt es die auch in Rot?«

      »Rote Chinesen?« Sie musste lachen, obwohl sie sich bemühte, es zurückzuhalten.

      Erst jetzt fiel ihm der slawische Akzent in ihrem ansonsten perfekten Englisch auf. War sie Russin? Sicher, antwortete er sich selbst, da ihm plötzlich wieder der Doppeladler über dem Monogramm in den Sinn kam, das alte Wappen des russischen Kaiserreichs.

      Sie betrachtete ihn weiter von oben herab. Er rutschte nervös unter ihrem forschen Blick herum. Ihr eindringliches Starren löste eine allzu vertraute Erregung aus, sowohl innerlich als auch äußerlich. Er erwog, sich die Hände vor die Scham zu halten, sah dann aber ein, dass er zu lange damit gewartet hatte, um dabei nicht noch lächerlicher zu wirken, als es ohnehin bereits war. Dennoch wünschte er sich, sie würde nicht so starren. Er fühlte sich wie ein präpariertes Insekt, das auf ein Brett gesteckt wurde, verdammt noch mal.

      »Sie haben einen außerordentlich schönen Körper«, sagte sie, als sei es eine wissenschaftlich belegte Tatsache.

      »Ach ja?«

      »Er zieht auf interessante Art und Weise Licht an.«

      »Was soll das denn bitteschön heißen?«, fragte Hawke stirnrunzelnd, doch sie hatte sich auf der Stelle umgedreht, schritt leichtfüßig über den Strand zu dem blauen Handtuch und ließ sich mit so anmutigen Bewegungen darauf nieder, dass man sie für eine Ballett- oder Seiltänzerin hätte halten können. Nachdem sie sich mit ihren langen Beinen wie eine Yogini im Schneidersitz aufgerichtet hatte, öffnete sie die Tasche und nahm ein Päckchen Marlboro-Zigaretten heraus. Auf einmal hielt sie ein goldenes Feuerzeug in der Hand – ein altes Dunhill, vermutete Hawke und fügte seinen spärlichen Kenntnissen über sie das Stichwort »reiches Gör« hinzu. Sie klappte das Feuerzeug auf und steckte sich eine Zigarette an. Nach dem ersten Zug blies sie den Qualm als dünne Fahne aus.

      »Schmeckt wunderbar. Wollen Sie eine?«, bot sie an, während sie Hawke aus dem Augenwinkel anschaute.

      Er brauchte dringend eine Zigarette. »Ihnen ist wohl das Rauchverbotsschild entgangen, das ich dort draußen in der Uferströmung aufgestellt habe?«

      Darauf erhielt er keine Antwort. Sie pickte eine der pinkfarbenen Muscheln aus der Tasche, ließ sie neben sich in den Sand fallen und begann, etwas auf einem kleinen Spiralblock zu zeichnen. Währenddessen pfiff sie leise und schien Hawke völlig vergessen zu haben.

      Er war der Ansicht, dass das unzureichende Dreieck aus weißem Stoff an ihrem Unterleib ihr einen ungerechten Vorteil verschaffte. Um dem Mädchen ins Gesicht schauen zu können, wälzte er sich auf den Bauch und stützte sein Kinn auf einen Unterarm. Um ehrlich zu sein hätte er gern mitgeraucht – irgendetwas getan, um seiner Verstörung Herr zu werden. Er stellte fest, dass er sich nicht an ihr sattsehen konnte. Sie neigte sich nun nach vorne und rauchte mit den Ellbogen auf den Knien weiter, sodass ihre Brüste mit den korallenroten Warzen hervorragten, sich abwechselnd hoben und senkten beziehungsweise leicht wackelten, wenn sie Rauch ein- oder ausatmete.

      Während er beobachtete, wie sie sich bewegte, wenn sie die Muschel verschob oder auf den Boden aschte, war ihm, als ob sein Herz vorübergehend zu schlagen aufhören und dann umso vehementer hämmern würde. Sein Puls schien sich zusehends zu beschleunigen, und je länger dies andauerte, desto unruhiger wurde er.

      Beim Rauchen achtete sie nicht mehr auf ihn, sondern blickte hin und wieder nachdenklich aufs Meer hinaus, bevor sie ihren Stift wieder vom Boden aufhob und mit dem Zeichnen fortfuhr. Hawke schaute gebannt zu und bemerkte gar nicht, dass sie wieder sprach.

      »Ich komme jeden Tag hierher«, sagte sie beiläufig. »Meistens sehr früh morgens wegen des Lichts. Heute bin ich spät dran, weil … ach, das braucht Sie nicht zu interessieren. Wie steht's mit Ihnen?«

      »Ich übernehme quasi die Nachmittagsschicht.«

      »Aha. Und wer sind Sie?«

      »Ein Brite.«

      »Das erkennt man. Tourist?«

      »Ich wohne von Zeit zu Zeit hier.«

      »Wo denn?«

      »Ich habe ein kleines Haus. Oben auf dem Hügel an der Hungry Bay.«

      »Tatsächlich? Hätte nicht gedacht, dass dort außer diesen fiesen Klammeraffen, die ständig in den wild wachsenden Bananenpalmen schnattern, noch jemand lebt.«

      »Das Haus ist sehr klein und steht am höchsten Punkt – Teakettle Cottage. Kennen Sie es?«

      »Die alte Zuckerfabrik, ja. Ich dachte, einer der letzten Wirbelstürme hätte die Bude weggeweht.«

      »Nein, nein. Sie hat's überstanden«, entgegnete Hawke. Er konnte sich nicht erklären, weshalb er seine bescheidene Bleibe in Schutz nahm.

      »Dann sind Sie berechtigt, sie zu besetzen, schätze ich. Sie dürfen von Glück reden, wenn die Polizei Sie nicht rauswirft. Obdachlose und Landstreicher schaden dem Image des Fremdenverkehrs von Bermuda.«

      Hawke ließ ihr diese beleidigende Spitze durchgehen. Sie starrte ihn abermals dreist an, ihre Augen leuchteten beinahe begierig. Er konnte diesen neugierigen Smaragden nur ausweichen, indem über den Ozean schaute – am Horizont entlang – und so tat, als suche er weiß Gott was.

      »Für einen Obdachlosen am Strand haben Sie eine ziemliche Menge Narben. Was machen Sie beruflich?«

      »Schaukämpfe mit Alligatoren? Raubkatzen?«

      Das Mädchen verzog keine Miene, sondern sagte nur: »Wenn es Ihnen so schrecklich unangenehm ist, gehen Sie Ihre Badehose holen. Ich verspreche, Ihnen nichts abzuschauen.«

      »Sehr nett, danke.« Er blieb liegen.

      »Wie heißen Sie?«, wollte sie wissen.

      »Hawke.

      »Hawke. Der Name gefällt mir. Kurz und prägnant.«

      »Wie lautet Ihrer?«

      »Korsakowa.«

      »Wie Russlands berühmter Komponist Rimski-Korsakow.«

      »Wir rühmen uns lieber damit, Sibirien erobert zu haben.«

      »Ihr Vorname lautet?«

      »Anstasia, aber nennen Sie mich Asia.«

      »Klingt sehr kontinental.«

      »Ich bin mir sicher, dass man das in Ihren Kreisen witzig findet, Mr. Hawke.«

      »Wir versuchen, humorvoll zu sein.«

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