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      Kapitel 7

      Medora, Norddakota

      Paddy Strelnikow stürzte um 23 Uhr ins Büro des Aufsehers der Haftanstalt Little Miss. Eisregen prasselte gegen die Fensterscheiben. Stumpys mitternächtliches Date mit dem Schnitter sollte in etwas über einer Stunde weiter unten auf demselben Korridor stattfinden. Als Paddy die Treppe zum Büro hochgekommen war, hatte er sogar etwas von den Vorbereitungen gesehen.

      Die Tür am Ende des Gangs stand offen, also konnte man in die Todeszelle schauen, deren Wände hellgrün gekachelt waren. Dazu grelles Licht wie in einem Operationssaal und Arztbesteck … Man war emsig beschäftigt gewesen, und Paddy hatte einen Blick auf die Liegebank erhascht. Er fand das Ganze zwar sehr spannend, musste jedoch seine Pflicht leisten.

      Er hatte zehn Minuten gebraucht, um mit dem Mustang durch den Pulk aus Pressevertretern und Demonstranten vor dem Tor zu gelangen, dann weitere zwanzig Minuten zum Passieren des Checkpoints am Flügelblock D, dem Hochsicherheitsgebäude im hinteren Bereich des Gefängniskomplexes.

      Es war lang, dreistöckig und gänzlich aus Betonplatten gebaut mit je einem Wachturm an beiden Enden. In Block D befand sich nicht nur die Direktion, sondern auch der Todestrakt. 61 Häftlinge warteten auf ihre Hinrichtung, darunter einige der berüchtigtsten Pädophilen, Sexualstraftäter und Serienmörder westlich des Mississippi.

      Der Knast übernahm die Funktion der spezialisierten staatlichen Verwahrstätte für Verbrecher, die auf Bundesebene zum Tod verurteilt wurden, von der Besserungsanstalt Terre Haute in Indiana. Mehrere stümperhafte Hinrichtungsversuche mit der Giftspritze – durchstochene Adern, Injektion des Natriumchlorids in Muskeln – hatten zu öffentlichen Protesten und der Schließung jener Einrichtung geführt. Einflussreiche Lobbyisten in Washington waren dafür eingetreten, dass ein Gefängnis in Norddakota zum Nachfolger erkoren wurde.

      Niemand kam je dahinter, wer all diese kostenaufwendigen Interessenvertreter anheuerte, aber es war den meisten auch ziemlich egal. In Washington ließ immer irgendwer Beziehungen spielen. Oft blieben die wahren Entscheider unsichtbar beziehungsweise unbemerkt – wie drüben in Russland.

      Scheinwerfer – auch von Fernsehsendern – strahlten in den Himmel wie bei einer Hollywood-Premiere, während Schnee fiel. Wenn einem weltberühmten Mann wie Charles Edward Stump der Garaus gemacht werden und er seinen Gang zum sprichwörtlichen Schafott antreten sollte, musste die Aufregung groß sein.

      Der Gefängnisaufseher hieß Warren Garmadge und war eine kleine, beleibte Kröte von Mensch mit einer breiten Krawatte mit Paisley-Muster. Er stand sogleich auf, als die Hilfspolizisten Paddy Strelnikow in sein mit Flaggen geschmücktes Büro brachten. Er streckte seine wurstige Rechte aus und grinste. Wie es aussah, war er bei bester Laune, weil er sich in letzter Zeit oft im Fernsehen zeigen durfte. Interviews hatte er für CNN, Fox und auch jeden anderen großen Sender gegeben. Außerdem sah er den hübschen Koffer aus Krokodilleder in der Hand seines Gastes und vermutete, er sei für ihn bestimmt.

      Die beiden schüttelten Hände.

      »Mr. Strelnikow, willkommen im Gefängnis Little Missouri. Ich fühle mich geehrt, weil Sie sich trotz Ihres vollen Terminkalenders Zeit genommen haben, um uns einen Besuch abzustatten«, flötete der Direktor, dessen weiße Beißerchen aussahen wie Kaugummi-Dragees. Der Kerl war ein Politiker, wie er im Buche stand, was man am festen, wenn auch leicht feuchten Druck seiner kleinen, fetten Hand erkannte.

      »Ich habe mir eine spannende Nacht zum Herkommen ausgesucht, Mr. Garmadge«, entgegnete Paddy und nahm auf einem der beiden Stühle mit roten Lederpolstern vor dem Schreibtisch des Aufsehers Platz. Den Koffer stellte er neben sich ab – ganz lässig, keine große Sache. Er wollte den Typen hinhalten.

      »Alles verläuft nach Plan, was zu hören Sie freuen dürfte«, sagte Garmadge und ließ sich in seinen großen, drehbaren Chefsessel fallen.

      »In einer Stunde kann eine Menge passieren«, gab Paddy zu bedenken, bevor er sich eine dicke kubanische Zigarre anzündete, die er eigens für dieses Gespräch mitgebracht hatte. Eine zweite ragte neben einem Schnupftuch aus seiner Brusttasche, doch er enthielt sie dem Direktor absichtlich vor. Um dies zu unterstreichen, schlug er die Beine übereinander und lächelte, nachdem er einen Schwall angenehm duftenden Tabakrauchs ausgeatmet hatte.

      »Also ist alles fertig?«, fragte Paddy. »Es kann losgehen?«

      »Ja, keine Sorge. Der Gouverneur wurde nicht müde, mir zu versichern, dass es keine Überraschungen geben wird. Wie Sie wissen, haben er und ich letzten Monat die Köpfe wegen dieses Themas zusammengesteckt.«

      Paddy lachte. »Richtig, ein teurer Spaß für uns. Was hat die Überzeugungsarbeit am Ende gekostet: 250 Riesen? 275?«

      »Ich glaube, das war der Betrag.«

      »Welcher nun?«

      »Letzterer.«

      »Ja, letzterer, das ist richtig.« Wenn sich Scheißkerle wie dieser so gewählt ausdrücken wollten, würde er sie am liebsten ungespitzt in den Boden rammen. Paddy sah sich scheinbar belanglos im Raum um. Eine Wand war mit Fotos des Aufsehers gemeinsam mit vielen anderen Personen dekoriert, die wohl niemand aus seinem Bekanntenkreis kennen dürfte. Lokalpolitiker, hohe Tiere bei der Polizei und so weiter. Marsmenschen.

      »Sind Sie schon bei einer Hinrichtung zugegen gewesen, Mr. Strelnikow?«, wollte Garmadge wissen.

      »Sie meinen, abgesehen von denen, wo ich selbst der Scharfrichter war?«

      Der Direktor verlagerte sein Gewicht auf der Sitzfläche, lachte verlegen und erwiderte: »Genau, ich meine eine … amtlich beschlossene Hinrichtung.«

      »Nur einmal. Bei Allen Lee Davis 1999. Kennen Sie die Hintergründe?«

      »Elektrischer Stuhl. Unten in Starke, Florida.«

      »So ist es. Die Grillparty in Starke war bisher die einzige, die ich aus nächster Nähe miterlebt habe. Als sie den Schalter umlegten, begann Allen Lees Kopf zu brennen und zu qualmen. Die Flammen waren bestimmt einen Fuß lang, vielleicht sogar länger. Sie kamen wie blaue Blitze unter dem kleinen Metallhütchen auf seinem Schädel heraus; versengten ihm in Nullkommanichts die Augenbrauen und Wimpern. Ziemlich krasser Anblick, ich sag's Ihnen. Man fuhr die Spannung wieder runter und noch zweimal hoch, bevor er endlich verreckte. Insgesamt dauerte es wohl 20 Minuten, bis er den Löffel abgegeben hatte. Sie hätten ihn auch mit 'ner Gabel anstechen können, um zu bestätigen, dass er gar war.

      Das beeindruckte Garmadge, man konnte es sehen. »Sei's drum, hier in Little Miss wickelt man das jetzt mehr oder weniger souverän ab. Was seinerzeit geschah, lag an dem Schwamm in dem kleinen Metallhütchen auf dem Kopf, müssen Sie wissen. Der wird für bessere Leitfähigkeit in Salzwasser getränkt, bestand damals aber aus synthetischem Gewebe, was zu Problemen führte. In Starke benutzt man jetzt reine Naturschwämme, also kann es praktisch nicht mehr zu solchen Missgeschicken kommen.«

      »Auf dem Öko-Trip, was? Reine Naturschwämme?«

      Der Direktor lächelte. »Die Todesspritze ist wesentlich humaner, wie Sie in ein paar Minuten selbst sehen werden.« Er schaute auf die Uhr, ein Zeichen seiner Ungeduld.

      »Humaner, sagen Sie? Ich weiß nicht, ob ich das gut oder schlecht finden soll, Mr. Garmadge, denn einige dieser Tiere, die hier auf ihr Ende warten, haben kein humanes Ende verdient.«

      »Na ja, das ist ein Thema für sich.« Der Direktor hüstelte in eine seiner Fäuste.

      Strelnikow stand auf. »Egal, ich werde sowieso nicht bleiben, bis Stumpy abdankt. Mir geht es nur darum, Ihnen etwas von meinen Auftraggebern beziehungsweise Ihren Gönnern zu überbringen.«

      Er bückte sich nach dem Lederkoffer und hob ihn hoch. Dann ging er damit um den Tisch herum und stellte ihn dem Aufseher vor die Nase.

      »Unsere Organisation dankt Ihnen sehr für Ihre Hilfe, insbesondere auch für Ihre Arbeit mit dem Gouverneur, um in die Wege zu leiten, was heute Nacht so großes Aufsehen erregt. Die Unternehmensleitung hat mich darum gebeten, mich stellvertretend für sie mit

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