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paar Häuser weiter, und wir sehen uns jeden Tag. Dann kommt der Hannes. Er ist vierzehn und geht aufs Gymnasium. Er ist ein mächtig lieber großer Bruder. Wenn ich auch groß bin, dann heirate ich ihn mal.«

      Otto Behrend lauschte, von eigenartigen Gefühlen bewegt, dem kindlichen Geplauder. Bambi war entzückend in ihrer Natürlichkeit und von einem so bezaubernden Charme, dass selbst sein müdes Herz wieder kräftiger zu schlagen begann.

      »Und die Kleinste bist du«, sagte er.

      »Das Nesthockerle«, bestätigte sie strahlend. »Es ist sehr schön, wenn man die Kleinste ist. Ich möchte immer die Kleinste bleiben. Henrik ist natürlich noch kleiner, aber ich bin ja auch schon seine Tante. Möchtest du auch viele Enkelkinder haben?«

      »Ja, sehr gern«, erwiderte er, und ein sehnsüchtiger Klang war in seiner Stimme.

      »Es gibt sehr viele Kinder, die sehr froh wären, wenn sie einen lieben Opa hätten. Wir haben ja einen und auch eine Omi. Da sind wir auch mächtig froh, und am meisten, weil wir alle beisammen sein können.«

      Und da kam Inge mit der Suppe.

      »Hat unsere Kleine Sie unterhalten?«, fragte sie lächelnd.

      »Sehr nett. Ein gescheites Kind ist das. Sie sind beneidenswert.«

      Bambi trollte sich, nachdem sie guten Appetit gewünscht hatte. Sie wusste immer den richtigen Zeitpunkt abzupassen, und der war besonders dann, wenn von ihr selbst die Rede war.

      »Es bedrückt mich, dass Sie meinetwegen Mehrarbeit auf sich nehmen«, sagte Otto Behrend. »Ich bin doch ein ganz Fremder für Sie.«

      »So ganz fremd sind Sie uns schon nicht mehr«, entgegnete Inge herzlich. »Außerdem haben wir gern mal Gäste. Machen Sie sich um Himmels willen keine Gedanken, sondern kommen Sie jetzt erst mal wieder zu Kräften.«

      Er warf ihr einen richtig demütigen Blick zu. Erbarmungswürdig sah er aus, und die tolerante Inge empfand jetzt doch einen leisen Groll gegen die jungen Behrends.

      *

      Bambi hatte sich eben die Erlaubnis geholt, mit Jonny ihren täglichen Spaziergang zu machen, als Herbert Kerst kam.

      »Wie geht es Sabine?«, erkundigte sie sich sogleich.

      »Sie muss im Bett bleiben, weil sie sich erkältet hat«, erwiderte Herbert Kerst.

      »Wenn sie Langeweile hat, könnte ich sie mal besuchen«, meinte Bambi zögernd.

      »Warte bis morgen, Kleines.«

      »Ist gut«, sagte Bambi. »Dem Opa geht es schon besser. Ich habe mich gut mit ihm unterhalten. Er ist ein netter Mann.«

      Ist das ein wonniges Kind, dachte auch Herbert Kerst. Bei den Auerbachs schien eben alles zu stimmen.

      Inge verstand es auch, ihm die Hemmungen zu nehmen, aber sie hielt mit ihrer Meinung, dass man Otto Behrend Verständnis entgegenbringen müsse, auch nicht hinter dem Berg. Er versprach ihr, um eine gerechte Lösung bemüht zu sein. Als er ihr nähere Erklärungen geben wollte, winkte sie ab.

      »Herr Behrend hat mir alles erzählt. Ich wüsste schon eine Lösung.«

      »Welche?«, fragte er.

      »Indem man ihm nicht nur die Möglichkeit gibt, Großvater zu sein, sondern eventuell auch so etwas wie ein Vater für den lebenden Stefan Behrend.«

      Er sah sie staunend an.

      »Damit es ausschaut, als wolle man nach seinem Vermögen greifen?«

      »Herr Behrend könnte ein paar hundert Jahre alt werden, bis er bei seinen eigenen bescheidenen Ansprüchen sein Geld verbraucht. Geld bedeutet ihm eigentlich gar nichts.«

      »Dann müssten Sie mal sein Haus sehen«, bemerkte Herbert Kerst.

      »Großer Gott, das hat ihm auch einer aufgeschwatzt, der an ihm verdienen wollte. Er fühlt sich doch gar nicht wohl darin. Er hat mir viel erzählt. Er hat ja gedacht, dass sein Sohn einmal sein Erbe sein würde. Für ihn wollte er alles schön haben, und als das Haus dann stand, starb dieser Sohn. Man muss sich in ihn hineindenken, wie ihm zumute war und ist. Möchten Sie einmal ganz allein sein, Herr Kerst?«

      Nein, das konnte er sich nicht vorstellen.

      »Glauben Sie bitte nicht, dass ich nicht auch darüber nachgedacht habe, wie ihm zu helfen ist«, sagte er.

      Dann hatte er ein langes Gespräch mit Otto Behrend, das sie nicht nur zu Verbündeten machte, sondern fast schon zu Freunden, und danach war der Ältere so voller Tatendrang, dass die Auerbachs nur staunen konnten.

      *

      Bambi war an diesem Nachmittag nicht nach Gesellschaft zumute. Der Besuch in der Sternseeklinik musste aufgeschoben werden, und so beschloss sie, mal wieder ganz für sich allein über all das nachzudenken, was das Leben so mit sich brachte.

      Von Zeit zu Zeit gab es in ihrem jungen Leben solche Tage, an denen sie sich dann am liebsten mit Jonny unterhielt.

      Sie ging mit ihm am See entlang.

      »Wir haben schon so allerhand erlebt, Jonny«, sagte sie gedankenverloren. »Ich werde mal ein Buch darüber schreiben, wenn ich groß bin. Was meinst du?«

      »Wuwu«, machte er.

      »Du meinst, dass ich das kann?«

      Er stupste seine Schnauze an ihre Hand. Sie nahm das als Bestätigung.

      »Ich würde sehr gern viele Bücher schreiben«, fuhr sie fort. »Man erlebt ja so schrecklich viel. Weißt du noch, wie Jerry in den Sonnenwinkel gekommen ist? Nein, das kannst du nicht wissen, da warst du ja noch gar nicht da. Aber dein Vater, der Charly, hat das alles schon miterlebt. Er hat ja auch mitgeholfen, dass Ricky und Fabian sich kennengelernt haben. Du hast einen sehr gescheiten Vater, Jonny. Ich möchte auch ganz gescheit sein. Was meinst du, wie man den Opa und Sabine zusammenbringen kann? Da müssen wir uns wirklich etwas ausdenken, Jenny. Da steckt außerdem ein ganz großes Geheimnis dahinter.«

      »Jetzt gehen wir mal zum Seeblick«, erklärte sie. »Da kriegst du einen schönen Knochen, und ich kann mit Carla reden. Die hat manchmal auch gute Einfälle.«

      So wurde denn Carla Richter von Bambis Besuch beglückt, und dies im wahrsten Sinne des Wortes.

      *

      Der kleine Toni, Adoptivkind der Richters, zeigte seine weißen Zähnchen, als Bambi erschien. Er kreischte vor Vergnügen, als Jonny sich zu seinen kleinen Füßen niederließ.

      »Ja, was macht denn unser Toni?«, fragte Bambi. »Geht es ihm gut?«

      »Danz dut«, plapperte er. »Anstellt Toni was hat.«

      »Was hat er denn wieder angestellt?«, fragte Bambi.

      Carla Richter lachte. »Die Blumen hat er mit Milch begossen. Er meint wohl, dann wachsen sie schneller.«

      »Milch gut is«, sagte Toni. »Toni groß un stark, wenn Milch trinkt.«

      »Er wird so ein Schlingel sein«, bemerkte Bambi.

      Jonny bekam seinen Knochen, und Bambi setzte sich zu Carla, die Servietten faltete.

      »Kann ich helfen?«, fragte sie.

      »Wenn du willst? Wie geht es zu Hause, Bambi?«

      »Gut. Den Opa päppeln wir wieder auf«, erwiderte Bambi. »Was hat eigentlich der Taxifahrer gestern noch geredet, Carla?«

      »Dummes Zeug. Männer sind manchmal schwatzhafter als Frauen.«

      »Er wollte wohl wissen, ob Sabine noch hier ist«, sagte Bambi nachdenklich. »Es ist doch aber auch ein starkes Stück, wenn man sie einfach ins Taxi gesetzt hat. Weißt du, was das für eine Frau war?«

      »Eine Tante scheint es gewesen zu sein«, antwortete Carla, die genau wusste, dass Bambi auf den Busch klopfen wollte.

      »Dann hätte sie Sabine doch auch herbringen

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