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spiegelte den Unterschied zwischen ihnen beiden wider, und wenn sie auf der Bond Street oder in einem der Modegeschäfte Bekannte ihrer Mutter trafen, dann verriet der Tonfall dieser Leute bei der Begrüßung, wie sie über dieses ungleiche Paar dachten. Wenn es nicht so kränkend für Susanna gewesen wäre, hätte sie sich vielleicht über das ganze Getue lustig machen können.

      „Daisy, Liebste!“ riefen sie aus. „Wie reizend du wieder aussiehst! Wie der junge Frühling! Oh, das ist wohl Susanna?“

      Bevor sie das sagten, gab es meistens eine vielsagende Pause, die Erschrecken über das unvorteilhafte Aussehen von Daisys Tochter verriet.

      Susanna wußte auch, daß die Schneiderinnen es im Grunde für reine Zeitverschwendung erachteten, sie herauszuputzen, und nur deshalb gute Miene zum bösen Spiel machten, weil sie ihr Bemühen, das häßliche Entlein wenigstens einigermaßen auszustaffieren, durch gesalzene Rechnungen wettmachen konnten.

      Sie schnürten sie so eng in das mit Fischbeinstäbchen versehene Korsett ein, daß ihr beinahe die Luft wegblieb, packten sie in Mieder und Untertaillen mit Rüschen und Stickereien und erreichten mit all dem Firlefanz doch nur, daß Susanna plump wirkte wie eh und je.

      Haarkünstler kamen ins Haus, um neue Frisuren an ihr auszuprobieren, die kleidsamer waren, aber das Urteil ihrer Mutter fiel jedes Mal vernichtend aus, was die Haarkünstler mit vielsagendem Achselzucken quittierten, das ausdrücken sollte, wie wenig geeignet dieses unattraktive Haar für irgendwelche kunstvolle Kreationen war.

      Von einem Geschäft ins andere wurde Susanna in diesem einen Monat in London geschleppt und mußte eine Anprobe nach der anderen über sich ergehen lassen. Der März neigte sich bereits dem Ende zu, und der erste Empfang bei Hofe sollte Anfang April stattfinden.

      Sie ertappte sich dabei, wie sie die Tage zählte, bis die Saison vorüber war und sie aufs Land zurückkehren konnten. Dort könnte sie endlich wieder ausreiten und müßte nicht stundenlang in muffigen Modeateliers herumstehen. Sie würde im Garten spazieren gehen können, ohne daß ihre Mutter oder die Haushälterin, die Lady Lavenham gelegentlich als Anstandsdame vertrat, jeden ihrer Schritte überwachten.

      Sie vermißte Miss Harding schrecklich. Da sie spürte, daß es ihrer Erzieherin Freude bereiten würde, bestand sie jedes Mal, wenn sie mit irgendjemand ausging, darauf, einen Buchladen aufzusuchen. Nur wenn ihre Mutter bei ihr war, verkniff sie sich diesen Wunsch.

      Der Stoß von Büchern in ihrem Schlafzimmer wuchs zusehends an, nur fand sie viel zu wenig Zeit, um alle lesen zu können.

      Zum Glück erlaubte man ihr bis zu ihrer Einführung bei Hofe nicht, an den Abendgesellschaften im Haus teilzunehmen. Sie durfte das Abendessen nur unten im Speisezimmer einnehmen, wenn ihr Vater und ihre Mutter allein waren oder wenn Verwandte zu Besuch weilten.

      Während bei Tisch die neuesten Klatschgeschichten ausgetauscht wurden und Susanna sich redlich bemühte, zu begreifen, worüber sie redeten und welche Skandalgeschichte sie mit gesenkter Stimme durchhechelten, hatte sie oft das Gefühl, einer fremden Sprache zu lauschen, die sie nur unvollkommen beherrschte. Zuweilen kam es ihr auch so vor, als läse sie einen billigen Roman.

      Die Tatsache, daß Henry Isobel den Laufpaß gegeben hatte, nachdem er ihr über ein Jahr lang den Hof gemacht hatte, wäre für Susanna vielleicht ganz aufschlußreich gewesen, wenn sie gewußt hätte, wer Henry und Isobel überhaupt waren.

      Und daß ein gewisser Bertie auf Großwildjagd gegangen war, weil er eines Tages früher als erwartet nach Hause gekommen war und seinen schon lange gehegten Verdacht bestätigt fand, sagte ihr überhaupt nichts.

      Ach, wären wir doch erst wieder in Lavenham, dachte sie sehnsüchtig.

      Der Gedanke an all die Schönheiten der Natur, das Flimmern der Sonnenstrahlen auf dem Wasser des Sees, den Duft der Wälder und den blauen Dunst über den Bergen war für sie wie ein Strohhalm, an den sich ein Ertrinkender klammert.

      Doch jetzt war ihr auf erschreckende, niederschmetternde Weise begreiflich gemacht worden, daß sie nie wieder nach Hause zurückkehren würde. Man würde sie mit dem Herzog vermählen, wie es damals mit May geschehen war, und sie all der Dinge berauben, mit denen sie vertraut war, die ihr in ihrer kleinen freudlosen Welt ein wenig Geborgenheit vermittelt hatten.

      Das ist unmöglich. Ich kann es nicht ertragen. Ich werde niemals einen Mann heiraten, der es nur auf mein Geld abgesehen hat, dachte Susanna verzweifelt.

      Sie hatte es zwar gewußt, aber beinahe vergessen, daß ihre Patin ihr ein Vermögen hinterlassen hatte, als sie zehn Jahre alt war.

      „Warum ausgerechnet Susanna?“ hatte ihre Mutter damals ihrem Mißfallen Ausdruck verliehen, und ihre Stimme hatte schrill geklungen vor Neid.

      Als Susanna später dann erfahren hatte, daß ihr Vater bis zum Tag ihrer Vermählung das Geld treuhänderisch verwalten würde, hatte sie jegliches Interesse daran verloren.

      Lord Lavenham war selbst ziemlich vermögend und sehr großzügig. Ihre Mutter bekam jeden Wunsch erfüllt, und obwohl die Gesellschaften, die sie ständig in Lavenham Park gab, sündhaft teuer sein mußten, erhob er nie Einspruch.

      Nicht selten weilten dreißig Gäste mit sechzig besuchsweise anwesenden Dienern und ihrem eigenen zahlreichen Hauspersonal in dem riesigen im gotischen Stil errichteten Herrenhaus, das zu ihres Großvaters Zeiten mit zusätzlichen Türmchen, Wasserspeiern und Mauerwerk versehen worden war.

      Es war ein geschmackloser Bau, das wußte Susanna, aber es war ihr Zuhause, und sie liebte es.

      Weil sie ein Vermögen besaß und Herzogin werden sollte, würde sie irgendwo anders wohnen müssen, und ihre Mutter würde zum ersten Mal in ihrem Leben zufrieden mit ihr sein.

      Oben im Schulzimmer, das so leer wirkte ohne Miss Harding, warf Susanna sich in den Sessel vor dem Kamin.

      Sie sah immer wieder Mays todunglückliches Gesicht vor sich und hörte die Schwester mit tränenerstickter Stimme ihr Schicksal beklagen. Sie überlegte, ob sie sich May anvertrauen, sie um Rat fragen sollte, doch dann sagte sie sich, daß von ihr, die ihre eigene Vermählung mit einem ungeliebten Mann nicht hatte verhindern können, keine Hilfe zu erwarten war.

      Was soll ich nur tun? überlegte Susanna fieberhaft, und ihre Gedanken irrten zu Miss Harding. Wenn sie zu ihr hätte gehen können, um mit ihr darüber zu sprechen, wäre ihr wohler gewesen. Miss Harding hätte sie verstanden und einen Ausweg gewußt.

      Vor zwei Tagen war ein Brief von ihr gekommen, in dem sie Susanna mitteilte, daß sie eine Anstellung bei der Herzogin von Northumberland gefunden habe und deshalb nach Nordengland gereist sei.

      Ich muß nachdenken, sagte sich Susanna. Ich muß ganz ruhig und vernünftig überlegen, wie ich dieses Übel von mir abwenden kann.

      Ihr war, als sei sie einen schnurgeraden Weg entlanggegangen und unvermittelt, ohne Vorwarnung, an einen tiefen Abgrund gelangt.

      Ich darf nicht in Panik geraten, redete sie sich gut zu. Ich werde einen Ausweg finden.

      Sie wußte jedoch, daß es ein aussichtsloses Unterfangen war. Wie sollte sie sich den Wünschen ihrer Mutter widersetzen, die zweifellos genügend Druck auf den Herzog ausgeübt hatte, sich ihrem Willen zu beugen, weil er dringend Geld brauchte. Abgesehen davon gab es immer noch den König als letzte Instanz.

      Susanna hatte gesprächsweise vernommen, daß der König einigen seiner engsten Freunde dabei geholfen hatte, ihre Töchter standesgemäß mit einem angesehenen Edelmann zu vermählen.

      „Ich habe zum König gesagt, Seine Majestät sind so klug und diplomatisch und sollten Vera dabei helfen, ihre Tochter mit dem Grafen Bexley zu vermählen“, hatte Susanna ihre Mutter einmal sagen hören. „Du weißt, daß er alles tut, worum man ihn bittet. Man braucht ihm nur die richtigen Worte ins Ohr zu flüstern, dann hat man schon gewonnen.“

      „Was hat Seine Majestät erwidert?“ erkundigte sich Lord Lavenham.

      „Er war natürlich entzückt, daß ich ihn um Hilfe bat“, antwortete ihre Mutter. „Er hält sich für

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