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auf die Uhr: Jawohl, es ist noch Zeit, er kommt noch auf seine Bank. Die Mappe unter dem Arm, marschiert Hackendahl los …

      Auf der Bank sieht es ein wenig leer aus hinter den Schaltern, aber noch begrüßt der gewohnte Angestellte Herrn Hackendahl mit der gewohnten nüchternen Höflichkeit: »Na, Herr Hackendahl, bißchen Geld holen?« Und hinter der Hand geflüstert: »Es ist eben reingekommen: Die Einlösungspflicht für Banknoten ist aufgehoben.«

      »Was heißt das?!« fragt Hackendahl, ein wenig ärgerlich. (Er ist immer ärgerlich, wenn er etwas nicht gleich versteht.) »Es gibt für die Banknoten kein Gold mehr. Das Gold wird aus dem Verkehr gezogen.«

      »Nun, es wird schon richtig sein«, sagt Hackendahl. »Alles, wie es die Regierung anordnet. Ich habe meine Gäule auch abliefern müssen.«

      Und er schiebt die Zahlungsanweisung über den Tisch.

      Der Angestellte sieht sie an. »Ein schöner Betrag«, sagt er anerkennend. »Aber es waren sicher auch schöne Pferde? Auf Kontokorrent, Herr Hackendahl? Vorläufig – natürlich, ich verstehe schon. Vielleicht später ein paar Papiere kaufen, ich glaube, gute Papiere werden bald billig zu haben sein, die Leute verkaufen!«

      »Ich werde es mir überlegen«, sagt Hackendahl. Und ganz plötzlich: »Vielleicht kaufe ich mir lieber ein paar Autotaxen …«

      Es war ihm plötzlich so eingefallen. Nicht, daß solcher Kauf etwa wirklich in Frage kam. Aber man konnte ja einmal hören, wie solch ein Bankmensch darüber dachte …

      Natürlich war der Mann Feuer und Flamme. »Ausgezeichnete Idee, Herr Hackendahl!« sagte er beifällig. »Sie sind ein wirklich fortschrittlicher Mann. Das Pferd ist tot, ein Auto ist viel schicker!«

      »Wenn das Pferd tot wäre, hätte die Militärverwaltung wohl nicht soviel dafür bezahlt, junger Mann!« sagte Hackendahl ein wenig grimmig. »Warum sind Sie denn eigentlich noch nicht bei den Soldaten?«

      »Vorläufig bin ich noch von meiner Bank reklamiert«, antwortete der junge Mann wichtig, »Unabkömmlich!«

      Er sagte das »Unabkömmlich« recht geschwollen, fand Hackendahl.

      »Na denn Mahlzeit!« sagte Hackendahl und ging.

      Ekelhafter Kerl! dachte er. Wichtigtuer! schalt er.

      An die Litfaßsäulen klebten sie schon die Bekanntmachung, daß Banknoten nicht mehr in Gold umgewechselt wurden. Es war bestimmt gleichgültig. Er hatte nie daran gedacht, mit seinen Scheinen zur Reichsbank zu gehen und auf Umwechslung zu bestehen. Er hatte bisher der Reichsbank vertraut und der Regierung. Und er würde es weiter so halten … Kein Gedanke an Unruhe. Geld war Geld, ob aus Papier oder Gold …

      Hackendahl geht jetzt durch die Kleine Frankfurter Straße. Ihm fällt ein, daß hier ein Lokal ist, wo oft Pferdehändler sitzen. Er wird einmal nachsehen, ob jemand da ist. Er kann dann hören, wie es mit Pferden steht. Ein paar Pferde mehr im Stall wäre nicht schlecht …

      Die kleine Kneipe ist gesteckt voll, und Hackendahl, der eiserne Gustav, wird mit Hallo empfangen.

      »Dich haben sie heute schön in der Mache gehabt, Gustav! Gaul auf Gaul, aber du hattest auch Pferde wie die Puppen!«

      »Wird eine Stange Gold kosten, die wieder zu kaufen! Da wirst du tüchtig was drauflegen müssen, Gustav!«

      »Gibt’s denn Pferde zu kaufen?«

      »Heut nicht, aber vielleicht in zwei, drei Wochen. Ich denk, ich kriege in Ostpreußen einen Transport zusammen.«

      »Ich geh nach Holland …«

      »Die Dänen haben auch ganz hübsche Pferdchen …«

      »Pferde wird’s schon wieder geben, aber was sie kosten werden …!«

      »Red doch nicht! Gustav ist doch der Mann, der zahlen kann!«

      »Wenn sie mir zu teuer werden …«

      »Mensch, Gustav, red nicht! Wie können die denn zu teuer werden? Deinen Stall hast du, deine Droschken hast du, also mußt du auch Pferde haben! Wie können da die Pferde zu teuer sein!? Du mußt sie doch haben!«

      »Oder er macht seinen Laden zu!«

      »Der Gustav? Daß ich nicht lache! Der läßt noch Droschken fahren, wenn mir kein Zahn mehr weh tut! Der ist doch eisern, der Gustav! Nicht wahr, das bist du doch, Gustav? Eisern!«

      Es tat gut, in soviel Anerkennung und Bewunderung zu sitzen. Die erkannten an, was er geleistet hatte. Es war keine Kleinigkeit gewesen, aus dem verlotterten Betrieb vom Schwiegervater solchen Musterstall zu machen! Das hatte Arbeit gekostet, Nachdenken, Sorgen – dreißig Kutscher in Ordnung halten, die immer mal gerne einen über den Durst trinken, das war schon eine Sache! Zu Haus fanden sie alles immer selbstverständlich. Hier erinnerten sie sich: »Und weißt du noch, Gustav, wie dir der alte Kublank den Fuchs aufreden wollte? Dem er Arsenik zu fressen gegeben hatte? Und du wolltest durchaus nicht …?«

      Geschichten von Pferden, die lange tot waren, von Händlern, die in keiner Gewerberolle mehr standen – uralte Geschichten. Aber man wurde warm dabei. Hackendahl blieb viel länger sitzen, als er gewollt hatte, aber was sollte er zu Haus?

      Sie aßen alle zusammen am Biertisch ihr Abendbrot, kalte Buletten oder warme Würstchen mit Kartoffelsalat. Dann gingen sie sogar noch weiter. Einer wußte ein kleines Bier-Varieté in der Nähe. Sie saßen um einen großen Tisch, neugierig, beifällig, unverwöhnt sahen sie zu der kleinen Bühne, auf der eine Chansonette schrill schrie, ein kümmerlicher Zauberer kümmerliche Kaninchen verschwinden ließ und zum Schluß Kartenkunststücke zeigte, die die Pferdehändler besser auszuführen wußten. Dann warf eine Tänzerin ihre spitzenbesetzten weißen Röcke in die Höhe und drehte sich zum Schluß rasend im Kreise, daß man ihre Hosen sah. Die Männer klatschten rasend Beifall.

      Aber es kam noch etwas, eine Zugabe. Der Unternehmer ging mit der Zeit. Auf der Bühne standen zwei Mädchen, die eine durch Gewehr und Helm als Soldat, die andere durch Säbel und Monokel als Leutnant gekennzeichnet. Der Soldat sollte exerzieren, aber der Soldat wollte nicht. Der Leutnant klirrte mit dem Säbel, er schnarrte viele Ähs, verlor sogar sein Monokel – aber der Soldat blieb dabei: Er wollte nicht exerzieren.

      Nicht mehr. Rasch stellte es sich heraus, daß der Soldat meinte, er könne genug, er wollte nach Paris! Nach Paris! Der Leutnant war begeistert von diesem Gedanken. Er faßte seinen Soldaten um, gemeinsam walzten die beiden den Siegeswalzer nach Paris – aus der Kulisse wurden schwarzweißrote Fähnchen geschwenkt, bengalisches Licht flammte auf.

      Das Klavier trommelte: »Heil dir im Siegerkranz«, stehend sang das Publikum mit, alle waren ernst und begeistert.

      Erst beim Nachhausegehen merkte Hackendahl, daß er nicht nur begeistert gewesen war. Man konnte es den beiden Mädchen nachsehen, daß ihr Griffekloppen nicht geklappt hatte. Davon verstanden Mädchen nichts. Aber man sollte so etwas doch lieber nicht machen. Siegeswalzer nach Paris – das sah ja so aus, als brauchte man nur einfach hinzutanzen, als könne es gar keine Kämpfe geben, als sei all die schwere Friedensarbeit am Militär ganz überflüssig gewesen! Nein, so nicht!

      Hackendahl versprach sich, nicht wieder in dieses Lokal zu gehen. Auch bei den Händlern würde er sich so bald nicht wieder sehen lassen. Die sollten erst einmal arbeiten, Pferde heranholen. Ein Mann, der auf sich hält, trinkt nicht mehr, als er vertragen kann.

      Er kommt auf seinen Fuhrhof, gewohnheitsmäßig geht er erst in den Stall. Nur eine Stallaterne brennt, Rabause ist nicht da. Logisch, es lohnt sich nicht, wegen fünf Pferden eine Stallwache zu bezahlen.

      Hackendahl tritt in den Stand des Schimmels; das Pferd steht müde da, mit tief hängendem Kopf. Es hat noch Heu genug in der Raufe, aber es hat ein paar Strohhalme von der Streu ins Maul genommen – und sie zu kauen vergessen. Da steht das Tier, abgetrieben, die Strohhalme spießen aus seinem Maul, es sieht jämmerlich aus. Es hat die Wettfahrt nicht überwunden, es hat sich damals überjagt. Hackendahl sagt sich, daß der Schimmel nie wieder zurechtkommen wird.

      Aber er braucht kein Stroh zu fressen, auch kein Heu; Hackendahl hat für seinen Schimmel etwas Besseres. Als sie vorhin zum Abschluß im Varieté eine Tasse Kaffee tranken, hat der

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