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ich doch, Herr Geheimrat!« sagte Hackendahl vorwurfsvoll. »Habe ich doch gleich gesehen. Ich habe doch den Herrn Sohn Ostern sieben zum Anhalter gefahren, zum Münchener Schnellzug, sechs Uhr elf, wissen Sie nicht noch, junger Herr …?«

      »Richtig!« rief der Sanitätsrat. »Ja, mein Hackendahl, der hat noch ein Gedächtnis! – Aber, Hackendahl, nun ist mein Sohn ein Mann geworden, nun will er nicht mehr mit Ihnen fahren. Ein Auto hat er sich gekauft (von meinem Gelde, Hackendahl!) … und nun will er nur noch Auto fahren …«

      »Er wird’s schon bleibenlassen, Herr Geheimrat«, sagte Hackendahl und sah mißgünstig Auto und frech grinsenden Chauffeur an. »Wenn er erst mal gegen einen Baum gefahren ist oder ein paar Menschen unglücklich gemacht hat, dann wird er’s schon bleibenlassen!«

      »Also, Papa«, sagte der junge Mann ungeduldig und ignorierte das subalterne Kutschergeschwätz vollkommen, »steig ein, und in vier Minuten hältst du vor deiner Charité.«

      »Ja, mein Junge, das sagst du so. Aber ich muß in einer halben Stunde operieren, und wenn ich dann Herzklopfen von eurer Raserei habe, oder meine Hand zittert …«

      »Papa! Mein Ehrenwort! Du fährst wie in einer Wiege, du merkst überhaupt nichts von Schnelligkeit. Wenn chirurgisch etwas Neues aufkommt, versuchst du es doch auch …«

      »Ich weiß nicht«, sagte der alte Herr bedenklich. »Was meinen Sie, Hackendahl?«

      »Wie der Herr Geheimrat befehlen«, sagte Hackendahl förmlich. »Aber wenn ich etwas sagen darf, in acht Minuten sind Sie auch mit mir in der Charité – und bei mir passiert nichts, bei mir ist noch nie was passiert!«

      »Ja, Papa, wenn du dich freilich über Autos von deinem Droschkenkutscher beraten lassen willst …«

      Viel Kummer und Ärger hatte der alte Hackendahl an diesem Morgen schlucken müssen, aber Droschkenkutscher, das war ihm doch fast zuviel. Gottlob sagte auch gleich der Geheimrat: »Du weißt gut, mein lieber Junge, daß Hackendahl kein Droschkenkutscher ist. Und nun will ich dir etwas sagen: Ich werde mit Hackendahl fahren, und du wirst mit deinem Automobil fahren, ganz ruhig nebenher, und ich werde mir vom sicheren Port dein Schifflein anschauen, und ist es mir nicht zu stürmisch, dann darfst du mich von der Charité nach Haus fahren.«

      Geheimer Sanitätsrat Buchbinder hatte milde, aber entschlossen gesprochen. Der Sohn antwortete etwas ärgerlich: »Wie du meinst, Papa«, und wandte sich zu seinem Auto.

      Der alte Herr aber stieg in Hackendahls Droschke, legte die leichte Staubdecke über die Knie, rückte behaglich zurecht und sagte: »Also, dann fahren Sie langsam los, Hackendahl. Er wird uns ja mit seinen zwanzig oder vierzig Pferdekräften doch gleich einholen!«

      Es war gut, daß Hackendahl solche Weisung bekam; der Schimmel war schon längst empört gewesen über das Schreckgespenst, das direkt vor ihm hielt. Gerade hatte der Chauffeur angefangen, an der Kurbel zu drehen, aus dem Auspuffrohr unter des Schimmels Nase kamen kleine, dicke, stinkende, blaue Wölkchen …

      »Sachte, Hackendahl, sachte!« schrie der Geheimrat, den es fast vom Sitz geschleudert hatte. »Fahren Sie langsam! – Sie sollen langsam fahren, Hackendahl, ich will keine Wettfahrt …!«

      Hackendahl wollte auch keine, es war nur schade, daß man dies dem Schimmel nicht begreiflich machen konnte. Das aufgeregte Tier raste die Bendlerstraße im Galopp hinunter, bog so scharf in die Tiergartenstraße ein, daß die Räder gegen die Bordkante schrammten, und ging nun, ein wenig ruhiger, aber immer noch ins Gebiß schäumend, an den grünen Rasenflächen entlang.

      »Ich glaube, Sie sind des Teufels, Hackendahl!« stöhnte der Geheimrat von hinten.

      »Das ist der Schimmel«, rief Hackendahl. »Der haßt Automobile.«

      »Ich dachte, Sie führen nur sanfte Tiere?«

      »Tu ich auch, Herr Geheimrat! Aber wenn solch ein Ding ihm direkt in die Nase stinkt und knallt!«

      »Also immer langsam, keinesfalls eine Wettfahrt«, befahl der Geheimrat.

      Gottlob war keine Aussicht auf Wettfahrten. Hackendahl fuhr schon um den Rolandsbrunnen, er sah sich vorsichtig um: Von dem Automobil war keine Spur zu sehen.

      Kriegt den Kasten natürlich nicht in Gang! frohlockte Hackendahl bei sich. Der Geheimrat soll schon sehen, was zuverlässiger ist, ein anständiges Pferd oder solche Maschine, die immer gerade dann streikt, wenn sie am nötigsten gebraucht wird! Und er grinste, da er an den kurbelnden Chauffeur dachte.

      In gutem Trab fuhren sie die Siegesallee entlang, freundlich standen die weißen Puppen im Grünen, viele sommerlich gekleidete Menschen waren unterwegs.

      »Menge Leute unterwegs!« rief der Geheimrat.

      »Das macht das gute Wetter«, antwortete Hackendahl.

      »Und die Aufregung! Haben Sie auch schon von dem Mord in Serajevo gelesen, Hackendahl?«

      »Jawohl, Herr Geheimrat. Glauben Sie, daß es Krieg gibt?«

      »Krieg – wegen der Serben? Nie, Hackendahl! Sie sollen mal sehen, wie die kuschen! Wegen so was gibt es doch keinen Krieg!«

      Noch in weiter Ferne tönte die Autohupe. Hackendahl hörte es, der Schimmel hatte es auch gehört, er spitzte kriegerisch die Ohren.

      Hackendahl nahm die Zügel fester. »Ich glaube, da kommt Ihr Herr Sohn, Herr Geheimrat!« rief er nach hinten.

      »Hat er also doch noch seinen Kasten in Gang gekriegt. Aber keine Wettfahrerei, wenn ich bitten darf, Hackendahl!«

      Näher und näher tönte die Hupe, fast ununterbrochen klang ihr Schrei, Warnung und Alarm für alle Pferdeherzen. Für den Schimmel war es nur Alarm, er trabte straffer, warf den Kopf ungeduldig von rechts nach links, von unten nach oben …

      Direkt hinter ihm ging der Gummiball: tut, tut, langsam schob sich der grüne Kasten neben die Droschke, erreichte den Kutschersitz, die Hinterhand des Pferdes, den Kopf …

      Der Schimmel machte einen Satz in der Schere, dann schien die Droschke einen Augenblick stillzustehen, und nun raste der Gaul los …

      »Sie sollen nicht …«, klang von hinten die Stimme des Geheimrates.

      Das Automobil hielt sich genau neben dem Pferde, knatternd, hupend und stinkend. Obwohl Hackendahl immer nur starr geradeaus sah, immer über die Ohren des Pferdes weg, die Zügel fest in der Hand, nach allen Hindernissen ausspähend – trotzdem meinte Hackendahl das höhnische Gesicht des Chauffeurs zu sehen, dieses Verbrechers, der ihn »Genosse« angeredet hatte und der ihn ausstopfen lassen wollte! Kein Zeichen von Schwäche sollte dieser Bursche sehen – weiter, und dem Schimmel würde es schon leid werden!

      Schon war die Siegessäule glücklich umrundet, da zeigte sich eine neue Gefahr in der Gestalt eines pickelhelmigen Schutzmannes. Die wilde Jagd, das galoppierende Pferd hatten seinen Unwillen erregt, in der einen Hand ein dickes Notizbuch, die andere hoch erhoben, trat er auf die Fahrbahn, Einhalt gebietend solch verkehrswidrigem Tun.

      Er hatte gut gebieten, Hackendahl gehorchte jeder Obrigkeit, der Schimmel gehorchte nur dem Instinkt der Pferde, er raste weiter.

      Der Schutzmann machte einen ganz unmilitärischen Schrecksatz zurück – und alles war vorüber. Weiterrasend wußte Hackendahl, er wurde aufgeschrieben, er bekam eine Strafe – er war vorbestraft!

      Mit einem verzweifelten Ruck riß er den Kopf des Pferdes nach rechts in die stille Hindersinstraße, das überlistete Automobil schoß geradeaus weiter, der Schimmel machte noch zehn, fünfzehn Galoppsprünge, fiel in Trab, in Schritt …

      Hackendahl merkte, daß ihn der Geheimrat von hinten am Arm riß. »Sie sollen anhalten, Kerl! Verstehen Sie nicht?!« schrie der Alte, kirschrot vor Wut.

      Hackendahl hielt an.

      »Verzeihen Sie, Herr Geheimrat«, rief er aus. »Der Schimmel ist mir durchgegangen. Das Automobil hat ihn wild gemacht, der Chauffeur hat das mit Absicht getan!«

      »Wettraserei!« sagte der alte Herr noch immer zitternd. »Alte Leute, und Wettfahrten!« Er stieg aus, mit zitternden Knien. »Wir sind das letzte Mal zusammen gefahren,

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