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Die Frau in Weiss. Уилки Коллинз
Читать онлайн.Название Die Frau in Weiss
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Уилки Коллинз
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Daran ist keinen Augenblick zu denken,« unterbrach mich Miß Halcombe auf ihre entschiedenste Weise.
»Dann lassen Sie mich vorschlagen,« fuhr ich fort, »daß Sie selbst mit Anna Catherick sprechen und ihr Vertrauen zu gewinnen suchen, was mich betrifft, so mag ich nicht daran denken, das arme Geschöpf zum zweiten Male so zu erschrecken, wie ich es leider schon einmal gethan. Haben Sie irgend etwas dagegen, mich morgen nach dem Gehöfte zu begleiten?«
»Durchaus Nichts. Ich will gehen, wohin es sei, und thun, was es sei, um Laura zu dienen. Wie nannten Sie den Ort?«
»Sie müssen ihn ganz gut kennen. Er heißt Todd’s Ecke.«
»Allerdings. Todd’s Ecke ist eins von Mrs. Fairlie’s Gehöften. Unsere Milchmagd hier ist die zweite Tochter des Pächters. Sie geht sehr häufig nach dem Gehöfte und mag vielleicht etwas gehört oder gesehen haben, das uns von Nutzen sein dürfte zu wissen. Soll ich mich gleich versichern, ob sie da ist?«
Sie klingelte und befahl dem Diener, nachzusehen, ob sie da sei. Er kam mit der Nachricht zurück, daß die Milchmagd nach dem Gehöfte gegangen sei. Sie sei seit drei Tagen nicht dort gewesen und die Haushälterin habe ihr Erlaubniß gegeben, den Abend auf ein paar Stunden nach Hause zu gehen.
»Ich kann morgen mit ihr sprechen,« sagte Miß Halcombe, als der Diener das Zimmer verlassen hatte. »Inzwischen lassen Sie mich wohl verstehen, welchen Zweck wir bei meiner Unterredung mit Anna Catherick im Auge haben. Hegen Sie selbst keinen Zweifel darüber, daß es Sir Percival Glyde war, der sie in die Irrenanstalt schaffte?«
»Auch nicht den Schatten eines Zweifels. Das einzige Geheimniß, was uns noch zu lösen übrig bleibt, ist das Geheimniß seines Beweggrundes dazu. Wenn man den großen Unterschied zwischen seiner Stellung im Leben und der ihrigen bedenkt, welcher jeden Gedanken selbst an die entfernteste Verwandtschaft zwischen ihnen ausschließt, so ist es von der größten Wichtigkeit – gesetzt sogar, daß ihr Zustand wirklich Aufsicht und Haft erheischte – zu wissen, warum er die ernstliche Verantwortlichkeit auf sich geladen haben sollte, sie in Gewahrsam bringen zu lassen –«
»In eine Privatirrenanstalt, glaube ich, sagten Sie?«
»Ja, in eine Privatirrenanstalt, wo eine Summe für ihre Aufnahme und ihren Unterhalt bezahlt werden mußte, welche eine arme Person nicht erschwingen konnte.«
»Ich sehe, wo der Zweifel liegt, Mr. Hartright, und verspreche Ihnen, daß derselbe gelöst werden soll, gleichviel ob Anna Catherick uns morgen dazu behilflich ist oder nicht. Sir Percival Glyde soll nicht lange im Hause sein, ohne Mr. Gilmore sowohl wie mich zufrieden zu stellen. Die Zukunft meiner Schwester ist die höchste Sorge meines Lebens, und ich habe hinreichenden Einfluß auf sie, um die Macht zu besitzen, dieselbe in Bezug auf ihre Heirat zu bestimmen.«
Wir trennten uns für diese Nacht.
Nach dem Frühstück folgenden Morgens stellte sich unserem sofortigen Aufbrechen nach dem Gehöfte ein Hinderniß entgegen, das mir in den Ereignissen des Abends gänzlich entfallen war. Es sollte dies mein letzter Tag in Limmeridge House sein und es war daher nothwendig, sowie die Briefe ankamen, Miß Halcombe’s Rath zu befolgen und Mr. Fairlie zu bitten, mein Engagement einen Monat verkürzen zu dürfen in Rücksicht auf unvorhergesehene Umstände, welche meine Rückkehr nach London nothwendig machten.
Glücklicherweise, um dieser Entschuldigung wenigstens äußerlich den Anschein der Wahrheit zu geben, brachte die Post mir diesen Morgen zwei Briefe von Freunden in London. Ich nahm sie sofort mit auf mein Zimmer, schickte den Diener mit meiner Empfehlung an Mr. Fairlie und ließ ihn fragen, wann ich ihn in einer Geschäftsangelegenheit sprechen dürfte.
Ich erwartete des Mannes Rückkehr, ohne mich im Allergeringsten darüber zu beunruhigen, wie sein Herr möglicherweise mein Ersuchen aufnehmen werde. Ich mußte fort – ob nun mit Mr. Fairlie’s Bewilligung oder ohne dieselbe. Das Bewußtsein, jetzt den ersten Schritt auf diesem öden Wege gethan zu haben, der hinfort mein Leben von Miß Fairlie’s Leben trennen sollte, schien mich gegen Alles Andere, was mich betraf, abgestumpft zu haben. Ich war fertig mit meinem empfindlichen Armenmannesstolz – fertig mit allen kleinen Künstlereitelkeiten. Reine Impertinenz von Mr. Fairlie – falls es ihm gefallen sollte, impertinent zu sein – konnte mich jetzt verletzen.
Der Diener kehrte mit einer Botschaft zurück, auf die ich nicht unvorbereitet war. Mr. Fairlie bedauerte, daß der Zustand seiner Gesundheit gerade an diesem Morgen derart sei, daß er ihn aller Hoffnung beraube, das Vergnügen zu haben, mich zu sehen. Er bitte mich daher, seine Entschuldigungen entgegen zu nehmen und ihm gütigst meine Wünsche brieflich mitzutheilen. Ich hatte während der drei Monate meines Aufenthaltes im Hause in verschiedenen Zwischenräumen ähnliche Botschaften erhalten, während dieser ganzen Zeit war Mr. Fairlie hoch erfreut gewesen, mich zu »besitzen«, aber niemals wohl genug, um mich ein zweites Mal zu sehen. Der Diener trug jedes neue Paket beendeter Zeichnungen mit einer »achtungsvollen Empfehlung« zu seinem Herrn und kehrte mit leeren Händen und Mr. Fairlie’s »bester Empfehlung«, »freundlichem Danke« und »aufrichtigem Bedauern« zurück, daß der Zustand seiner Gesundheit ihn noch immer zum einsamen Gefangenen auf seinem Zimmer mache. Die Sache hätte nicht befriedigender für beide Theile eingerichtet werden können. Es wäre schwer zu entscheiden, wer von uns Beiden Mr. Fairlie’s gefälligen Nerven die größte Dankbarkeit schuldete.
Ich setzte mich sofort und schrieb den Brief, indem ich mich so höflich, deutlich und kurz wie möglich ausdrückte. Mr. Fairlie übereilte sich nicht mit der Antwort. Es verging beinahe eine Stunde, ehe mir dieselbe überbracht wurde. Sie war mit sehr schöner, regelmäßiger und zierlicher Handschrift, mit veilchenfarbener Tinte auf Briefpapier geschrieben, das so glatt wie Elfenbein und beinahe so steif wie Pappe war, und lautete wie folgt:
»Mr. Fairlie’s Empfehlungen an Mr. Hartright.
Mr. Fairlie fühlt sich durch Mr. Hartright’s Anliegen mehr überrascht und getäuscht, als er (in seinem gegenwärtigen Gesundheitszustande) zu beschreiben vermag. Mr. Fairlie ist kein Geschäftsmann, aber er hat seinen Haushofmeister – der ein Geschäftsmann ist – befragt und derselbe bestätigt seine Ansicht, daß Mr. Hartright’s Wunsch, seinen Contract zu brechen, durch keine Art von Notwendigkeit zu rechtfertigen ist, außer etwa in einem Falle von Leben und Tod. Wenn Mr. Fairlie’s hohe Schätzung der Kunst und ihrer Jünger, die ihm in seinem leidenden Dasein Trost und Glück gewähren, leicht zu erschüttern wäre, so würde Mr. Hartright’s gegenwärtiges Verfahren sie erschüttert haben. Doch ist dies nicht der Fall – außer in Bezug auf Mr. Hartright selbst.
Nachdem Mr. Fairlie seine Meinung ausgesprochen – das heißt, insoweit sein heftiges nervöses Leiden ihm erlaubt, überhaupt irgend etwas auszusprechen – bleibt ihm Nichts weiter hinzuzufügen übrig, als seinen Entschluß in Bezug auf das an ihn ergangene höchst irreguläre Ersuchen mitzutheilen. Da Mr. Fairlie’s Zustand die vollkommenste Ruhe des Körpers und Gemüthes fordert, so will er Mr. Hartright nicht erlauben, diese Ruhe dadurch zu stören, daß er unter Verhältnissen in seinem Hause bliebe, welche für beide Theile im höchsten Grade aufregend sein wurden. Demzufolge leistet Mr. Fairlie Verzicht auf sein Recht der Verweigerung, ausschließlich in Rücksicht auf die Erhaltung seiner eigenen Ruhe – und benachrichtigt Mr. Hartright, daß er gehen mag.«
Ich legte den Brief zusammen und zu meinen übrigen Papieren. Es hatte eine Zeit gegeben, wo ich ihn als eine Beleidigung geahndet hatte; jetzt nahm ich ihn als eine geschriebene Entlassung auf. Ich hätte ihn mir aus dem Sinne geschlagen, ja fast aus dem Gedächtnisse verloren, als ich ins Frühstückszimmer hinunter ging, um Miß Halcombe zu sagen, daß ich bereit sei, mit ihr nach dem Gehöfte zu gehen.
»Hat Mr. Fairlie Ihnen eine befriedigende Antwort gegeben?« frug sie, als wir das Haus verließen.
»Er hat mir zu gehen erlaubt, Miß Halcombe.«
Sie schaute schnell zu mir auf und nahm dann zum ersten Male, seit ich sie kannte, von selbst meinen Arm. Keine Worte, die sie hätte sprechen können, hätten mir auf so zartfühlende Weise ihr Verständniß der Manier,