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Die Frau in Weiss. Уилки Коллинз
Читать онлайн.Название Die Frau in Weiss
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Уилки Коллинз
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Ich klingelte; ein neuer Diener trat geräuschlos ein – ein Ausländer mit einem stereotypen Lächeln und schön gebürstetem Haar – jeder Zoll ein Kammerdiener.
»Louis,« sagte Mr. Fairlie, indem er träumerisch mit einer der kleinen Bürsten über seine Fingerspitzen hin und her fuhr, »ich habe heute Morgen einige Memoranda in mein Notiztäfelchen eingetragen. Hole sie. Bitte tausendmal um Verzeihung, Mr. Hartright. Ich fürchte, ich langweile Sie.«
Da er, ehe ich ihm noch antworten konnte, ermüdet die Augen schloß und er mich ohne allen Zweifel unbeschreiblich langweilte, so saß ich stille und betrachtete mir die Jungfrau mit dem Christuskinde von Raphael. Unterdessen verließ der Kammerdiener das Zimmer und kehrte gleich darauf mit einem kleinen Buche von Elfenbeintäfelchen zurück. Mr. Fairlie ließ, nachdem er sich erst durch einen leisen Seufzer die Brust erleichtert, mit der einen Hand das Buch aufklappen und hielt mit der anderen die kleine Bürste empor als Zeichen für den Diener, auf weitere Befehle zu warten.
»Ja. Ganz recht!« sagte Mr. Fairlie, die Täfelchen befragend. »Louis, nimm jene Mappe herunter.« Er deutete, indem er sprach, auf mehrere Mappen, welche auf einem Mahagonitischchen neben dem Fenster lagen. »Nein, nicht die mit der grünen Rückseite – da habe ich meine Federzeichnungen von Rembrandt drin, Mr. Hartright. Interessiren Sie sich für Federzeichnungen? Ja? Sehr erfreut, daß wir noch einen Geschmack gemein haben. Die Mappe mit der rothen Rückseite, Louis. Lasse sie nicht fallen! Sie können sich keine Idee davon machen, Mr. Hartright, welche Qualen ich erdulden würde, wenn Louis die Mappe fallen ließe. Liegt sie sicher auf dem Stuhle? Denken Sie, daß sie sicher liegt auf dem Stuhle, Mr. Hartright? Ja? Sehr erfreut, wollen Sie mich verbinden, indem Sie sich die Zeichnungen ansehen, wenn Sie wirklich glauben, daß Sie dort ganz sicher liegen. Louis, geh hinaus. Was Du für ein Esel bist. Siehst Du nicht, daß ich die Täfelchen halte? Denkst Du dir, daß mir darum zu thun ist, sie zu halten? Warum nimmst Du sie mir da nicht ab, ohne daß man es dir erst sage? Bitte tausendmal um Verzeihung, Mr. Hartright; Bediente sind solche Esel, nicht wahr? Bitte, sagen Sie mir, wie Ihnen die Zeichnungen gefallen? Sie kamen in einem fürchterlichen Zustande aus einer Auction – es schien mir, wie ich sie das letzte Mal besah, als ob ihnen noch der Geruch abscheulicher Mäkler- und Trödlerfinger anhaftete. Können Sie sie wirklich in die Hand nehmen?«
Obgleich meine Nerven nicht zart genug waren, um den Geruch der plebejischen Finger, welcher Mr. Fairlie’s Nase so beleidigt hatte, wahrzunehmen, so war doch mein Geschmack hinlänglich gebildet, um mich in den Stand zu setzen, den Werth der Zeichnungen anzuerkennen. Sie bestanden größtenteils aus wirklich werthvollen Proben englischer Wasserfarbenmalerei und hätten weit bessere Behandlung von ihrem früheren Eigenthümer verdient, als ihnen anscheinend zu Theil geworden war.
»Die Zeichnungen sollten sorgsam ausgespannt und aufgeklebt werden,« entgegnete ich, »und sind meiner Ansicht nach wohl –«
»Bitte um Verzeihung«, unterbrach mich hier Mr. Fairlie. »Würden Sie etwas dagegen haben, wenn ich meine Augen schließe, während Sie sprechen? Selbst dieses Licht ist noch zu angreifend für sie. Nun?«
»Ich wollte nur bemerken, daß die Zeichnungen wohl der Mühe und Zeit werth sind –«
Mr. Fairlie öffnete plötzlich wieder die Augen und rollte sie mit einem Ausdrucke hilfloser Bestürzung in der Richtung nach dem Fenster zu.
»Ich beschwöre Sie, mich zu entschuldigen, Mr. Hartright,« sagte er mit schwachem Zittern. »Aber ich höre ganz gewiß entsetzliche Kinder im Garten – unten in meinem eigenen Garten?«
»Ich weiß nicht, Mr. Fairlie, ich selbst habe Nichts gehört.«
»Haben Sie die Güte – Sie sind so sehr freundlich gewesen, meinen armen Nerven zu willfahren – haben Sie die Güte, eine Ecke des Rouleaus aufzuheben, lassen Sie nicht die Sonne auf mich herein, Mr. Hartright! Haben Sie das Rouleau in die Höhe genommen? Ja? wollen Sie dann die Güte haben, in den Garten hinab zu sehen, um sich mit Sicherheit davon zu überzeugen?«
Ich erfüllte seinen Wunsch. Der Garten war rings mit einer Mauer umgeben. Kein menschliches Wesen, weder groß noch klein, war in irgend einem Theile der heiligen Stätte zu sehen. Ich unterrichtete Mr. Fairlie von diesem erfreulichen Umstande.
»Tausend Dank. Meine Phantasie vermuthlich. Wir haben im Hause, Gott sei Dank, keine Kinder; aber die Dienstboten (Leute, die ohne Nerven geboren werden) können es nicht unterlassen, die Dorfkinder herzubringen. Solche Rangen – o mein Gott, solche Rangen! Soll ich es Ihnen gestehen, Mr. Hartright? – Mir scheint eine Veränderung in dem allgemeinen Körperbau der Kinder wünschenswerth. Die Natur scheint bei ihnen nur den Zweck im Auge gehabt zu haben, Maschinen zum Hervorbringen fortwährenden Lärms zu erschaffen. Ist da nicht unseres entzückenden Raphael’s Auffassung unendlich vorzuziehen?«
Er deutete dabei auf das Bild der Madonna, dessen oberer Theil die conventionellen Cherubim der italienischen Schule darstellte, die auf himmlische Weise zur Sitzbequemlichkeit für ihre Knie mit Ballons von lederfarbenen Wolken versehen waren.
»Ein wahres Muster von einer Familie!« sagte Mr. Fairlie, die Engel anblinzelnd. »Solche hübsche runde Gesichter und solche hübsche weiche Flügel und – weiter Nichts. Keine schmutzigen kleinen Beine zum Umherlaufen und keine lärmenden kleinen Zungen zum Schreien. Wie unermeßlich der jetzigen Körperbildung überlegen! Ich will meine Augen wieder schließen, wenn Sie’s erlauben. Und Sie glauben wirklich, mit den Zeichnungen fertig werden zu können? Sehr erfreut. Ist da sonst noch irgend etwas zu besprechen? In dem Falle, glaube ich, habe ich es vergessen.«
Da ich mich jetzt bereits ebensosehr sehnte, der Unterredung baldmöglichst ein Ende zu machen, wie dies offenbar bei Mr. Fairlie der Fall war, so dachte ich, ich wollte versuchen, das Herbeirufen eines Dieners unnöthig zu machen, indem ich ihn auf eigene Verantwortung auf den erwünschten Gedanken brachte.
»Der einzige Punkt, der uns noch zu besprechen übrig bleibt, Mr. Fairlie,« sagte ich, »betrifft, wenn ich nicht irre, den Unterricht, welchen ich zwei jungen Damen im Landschaftsmalen ertheilen soll.«
»Ah! ganz recht,« sagte Mr. Fairlie. »Ich wollte, ich fühlte mich wohl genug, um in diesen Theil des Arrangements einzugehen – aber dem ist nicht so. Die Damen, die den Vortheil Ihrer freundlichen Dienste genießen sollen, Mr. Hartright, müssen für sich selbst entscheiden und bestimmen. Meine Nichte liebt Ihre bezaubernde Kunst. Sie versteht sie gerade hinlänglich, um sich ihrer eigenen Mängel bewußt zu sein. Bitte, geben Sie sich Mühe mit ihr. Jawohl. Ist sonst noch etwas da? Nein. Wir verstehen einander vollkommen – wie? Ich habe nicht das Recht, Sie noch länger von Ihrer schönen Beschäftigung abzuhalten – wie? Sehr angenehm, Alles angeordnet zu haben – solche Erleichterung, Geschäfte gemacht zu haben. Würde es Ihnen darauf ankommen, Louis zu klingeln, damit er die Mappe auf Ihr Zimmer trägt?«
»Ich werde sie selbst hintragen, Mr. Fairlie, wenn Sie es erlauben.«
»Wirklich? Sind Sie kräftig genug dazu? Wie angenehm, so kräftig zu sein! Wissen Sie es gewiß, daß Sie sie nicht fallen lassen werden? Sehr erfreut, Sie in Limmeridge zu haben, Mr. Hartright. Ich bin so leidend, daß ich kaum hoffen darf, viel von Ihrer Gesellschaft zu genießen. Käme es Ihnen darauf an, sich sehr vorzusehen, daß Sie nicht die Thüren knarren und die Mappe fallen ließen? Danke Ihnen. Leise mit den Vorhängen, bitte, das geringste Geräusch derselben geht wie ein Messer durch meine Nerven. Jawohl. Guten Morgen!«
Als sich die wassergrünen Vorhänge und die beiden beschlagenen Thüren hinter mir geschlossen hatten, stand ich einen Augenblick in der kleinen runden Vorhalle stille und that einen langen, tiefen Athemzug zur Erleichterung. Es war, als ob man nach tiefem Untertauchen wieder an die Oberfläche des Wassers komme, da man sich außerhalb Mr. Fairlie’s Zimmer befand.
Sobald ich mich gemüthlich in meinem eigenen hübschen Atelier für den Morgen niedergelassen hatte, legte ich mir ein Gelübde ab, nie mehr in die von Mr. Fairlie bewohnten Gemächer zurückzukehren außer in dem höchst unwahrscheinlichen Falle, daß er mich mit einer speziellen Einladung beehrte. Nachdem ich zu diesem befriedigenden Entschlusse in Betreff meines zukünftigen Verhaltens gegen Mr. Fairlie gekommen war, erlangte