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irgend etwas zu wissen, das Geburtstagsgeschenk desselben in der Hand, unbefangen dastand.

      Ich war im Begriff das Zimmer zu verlassen, als Fräulein Rachel, die immer gegen den alten Diener, der schon im Hause gewesen, als sie geboren wurde, freundlich und rücksichtsvoll war, mich zurückhielt. »Sehen Sie nur, Gabriel!« sagte sie, und ließ den Diamanten vor meinen Augen im Sonnenlicht spielen.

      Da sah ich den Diamanten leibhaftig vor mir, so groß, oder doch beinahe so groß wie ein Möwen-Ei! Der Stein strahlte wie das Licht des Vollmonds. Wenn man in den Diamanten hineinblickte, so wurden die Augen von einem tiefen Gelb so mächtig angezogen, daß sie nichts Anderes zu sehen vermochten. Dieser kleine Stein, den man zwischen Zeigefinger und Daumen halten konnte, schien unermeßlich tief wie der Aether. Wir legten ihn in die Sonne und machten dann das Zimmer dunkel; da erhellte er dasselbe mit seinem wunderbar geisterhaft mondartigen Licht. Kein Wunder, daß Fräulein Rachel wie von einem Zauber gebannt war und daß ihre Cousinen laut aufschrien. Der Diamant machte auf mich selbst einen solchen Eindruck, daß ich in ein ebenso gewaltiges »Oh!« ausbrach, wie die Dragoner. Der einzige unter uns, der seine Fassung behielt, war Herr Godfrey. Er schlang seine Arme um seine beiden Schwestern und sagte, indem er mitleidig zwischen dem Diamanten und mir hin- und herblickte: »Kohlenstoff, Betteredge! nichts als Kohlenstoff, lieber Freund.«

      Er wollte vermuthlich meine Kenntnisse vermehren. Die Wirkung seiner Anrede war jedoch nur, daß ich mich des Mittagsessens erinnerte. Ich begab mich daher zu meiner Aufwärter-Armee hinunter. Noch in der Thür hörte ich, wie Herr Godfrey sagte: »Der gute alte Betteredge! Ich habe die größte Achtung für ihn!« Während er mir dieses ehrende Zeugnis; ausstellte, umarmte er seine Schwestern und liebäugelte mit seiner Cousine. War das Herz dieses Jünglings nicht offenbar eine unerschöpfliche Quelle von Liebe? Neben ihm erschien Herr Franklin wie ein Barbar.

      Nach Verlauf einer halben Stunde stellte ich mich, wie mir befohlen, in Mylady’s Wohnzimmer ein. Die Unterhaltung meiner Herrin mit mir hatte ungefähr denselben Inhalt wie die zwischen Herrn Franklin und mir bei dem Zitterstrand geführte, mit dem Unterschied, daß ich meinen Rat in Betreff der Jongleurs dieses Mal für mich behielt, da ich fand, daß es durch Nichts gerechtfertigt sein würde, wenn ich Mylady in dieser Beziehung beunruhigen wollte. Als ich wieder entlassen wurde, war mir klar, daß sie die schlimmsten Motive bei dem Obersten voraussetzte, und daß sie entschlossen sei, den Mondstein bei der ersten Gelegenheit wieder aus dem Besitz ihrer Tochter zu bringen.

      Auf dem Rückwege nach meinem Zimmer begegnete mir Herr Franklin. Er wollte wissen, ob ich irgend etwas von seiner Cousine Rachel gesehen habe. Ich hatte aber Nichts von ihr gesehen. Ob ich ihm sagen könne, wo sein Vetter Godfrey sei? Das wußte ich nicht, aber ich fing an zu argwöhnen, daß Vetter Godfrey nicht weit von Cousine Rachel sein werde. Offenbar waren Herrn Franklin’s Gedanken auf derselben Fährte. Er zupfte an seinem Bart, ging dann in das Bibliothekzimmer, wo er die Thür hinter sich verschloß, nachdem er sie in einer höchst ausdrucksvollen Weise hinter sich zugeschlagen hatte. Ich wurde nun nicht mehr in meinen Vorbereitungen für das Geburtstag-Diner unterbrochen, bis es Zeit für mich war, mich für den Empfang der Gäste festlich zu schmücken.

      Als ich eben meine weiße Weste angezogen hatte, erschien Penelope bei meiner Toilette unter dem Vorwande, mir einige noch etwa auf meinem Rocke befindlichen Härchen abzubürsten und die letzte Hand an die Schleife meiner weißen Cravatte zu legen. Meine Tochter war sehr aufgeräumt, und ich merkte daß sie mir Etwas zusagen habe. Sie küßte mich aus meinen kahlen Schädel und flüsterte mir zu: »Ich habe Neuigkeiten für Dich, Vater! Fräulein Rachel hat seinen Antrag abgelehnt.«

      »Wessen Antrag?« fragte ich.

      »Des Damen-Comitée-Mannes, Vater!« antwortete Penelope. »Ein widerwärtiger Schleicher, ich hasse ihn, weil er es versucht hat, Herrn Franklin aus dem Sattel zu heben.«

      Hätte ich zu Worte kommen können, so würde ich gewiß gegen diese unehrerbietige Art, über einen so ausgezeichneten Philantropen zu sprechen, Protest erhoben haben. Aber meine Tochter war gerade in dem Augenblick mit der Schleife meiner Cravatte beschäftigt und die ganze Gewalt ihrer Gefühle concentrirte sich in ihren Fingern. In meinem Leben war ich nie in so großer Gefahr gewesen, strangulirt zu werden.

      »Ich habe gesehen,« sagte Penelope, »wie er mit ihr allein in dem Rosengarten ging, und ich stellte mich hinter die Hecke, um sie zurückkommen zu sehen. Auf dem Heimwege waren sie lachend Arm in Arm gegangen. Auf dem Rückwege gingen sie Beide, Jeder für sich mit höchst ernsthaftem Gesicht nach verschieden Seiten in einer Weise hinblickend, die nicht zu mißdeuten war. Vater! in meinem Leben habe ich mich nicht so gefreut! Es giebt also doch ein weibliches Wesen in der Welt, das Herrn Godfrey Ablewhite zu widerstehen vermag, und wenn ich eine Dame wäre, so würde ich die zweite sein!« Gegen diese Worte würde ich abermals protestirt haben, aber in diesem Augenblicke hatte meine Tochter die Haarbürste ergriffen und ergoß jetzt mittelst dieser die ganze Gewalt ihrer Gefühle auf mich. Wer von meinen Lesern einen Kahlkopf hat, wird verstehen was das heißen will. Wer aber keinen Kahlkopf hat mag diese Stelle überschlagen und Gott danken, daß er auf seinem Schädel Etwas hat, womit er sich gegen zu gewaltsame Berührungen seiner Haarbürste schützen kann.

      »Gerade an der anderen Seite der Hecke,« fuhr Penelope fort, »stand Herr Godfrey still.«

      »Sie wünschen,« sagte er, »daß ich hier bleibe, als ob Nichts vorgefallen wäre?«

      Wie ein Blitz wandte sich Fräulein Rachel nach ihm um.

      »Sie haben die Einladung meiner Mutter angenommen,« antwortete sie, »und Sie sind hier, um andere Gäste zu treffen, und wenn Sie nicht Aufsehen erregen wollen, so müssen Sie natürlich bleiben!«

      Sie ging wieder einige Schritte vorwärts und dann wieder etwas langsamer.

      »Lassen Sie uns das Vorgefallene vergessen«, sagte sie, »und lassen Sie uns unser verwandtschaftliches Verhältniß aufrecht erhalten.« Dabei gab sie ihm die Hand. Er küßte sie, was ich ziemlich frei von ihm fand, und dann ging sie fort. Er blieb eine Weile mit gesenktem Kopfe allein stehen, grub mit seiner Hacke langsam ein Loch in den Kiesweg – und sah so niedergeschlagen aus, wie du gewiß in deinem Leben keinen Menschen gesehen hast. »Fatal!« murmelte er zwischen den Zähnen, blickte dabei in die Höhe und ging in’s Haus, »sehr fatal!«

      Wenn er damit seine Meinung über sich selbst aussprechen wollte, so hatte er ganz recht. Er ist fatal genug; das weiß Gott. Und das Ende von Allem, was ich Dir erzählt habe, Vater,« rief Penelope, indem sie mir zum letzten Male mit der Bürste über den Scheitel fuhr, »das Interessanteste ist: Herr Franklin ist der Mann!«

      Ich ergriff die Haarbürste und öffnete meine Lippen, um einen Tadel auszusprechen, den, wie meine Leser zugestehen werden, die Sprache und das Benehmen meiner Tochter reichlich verdient hatten. Aber, ehe ich ein Wort sagen konnte, erklang draußen das Rollen von Wagenrädern und verhinderte mich am Reden. Die ersten Tischgäste waren erschienen. Penelope lief ohne Weiteres fort. Ich zog meinen Rock an und warf noch einen Blick in den Spiegel. Mein Kopf war so roth wie ein Hummer, aber im Uebrigen war ich für die festliche Gelegenheit so stattlich angethan, wie es sich schickte. Ich traf eben rechtzeitig in der Vorhalle ein, um die beiden ersten Gäste zu melden. Der Leser braucht sich für dieselben nicht besonders zu interessiren. Es waren nur der Vater und die Mutter des Philanthropen, Herr und Frau Ablewhite.

      Zehntes Capitel

      Einer nach dem Andern folgten die übrigen Gäste den Ablewhites. Als die Gesellschaft versammelt war, zählte sie, die Familie mit einbegriffen, vierundzwanzig Mitglieder. Es war ein schöner Anblick, als sie um den Tisch saßen und der Pfarrer von Frizinghall mit klangvoller Stimme das Tischgebet sprach. Ich brauche meine Leser nicht mit der Aufzählung der Gäste zu langweilen; sie werden mit Ausnahme von Zweien wenigstens in dem Theil dieser Geschichte den ich aufzuzeichnen habe, keinem derselben wieder begegnen. Jene zwei saßen zu beiden Seiten von Fräulein Rachel, welche als Königin des Festes natürlich den Hauptanziehungspunkt in der Gesellschaft bildete.

      Bei dieser Gelegenheit war sie noch ganz besonders der Mittelpunkt dem sich die Blicke Aller zuwandten; denn zu Mylady’s geheimem Verdruß trug sie ihr wundervolles Geburtstagsgeschenk, welches alles Uebrige verdunkelte, den Mondstein. Der Stein war nicht gefaßt, als er

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