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meiner Bestellung hinunter, von der ich mir die Freiheit nahm, eine neue verbesserte Auflage zu machen, die so lautete:

      »Herr Oberst, Mylady und Fräulein Rachel bedauern verhindert zu sein und bitten Sie, es zu entschuldigen, daß sie nicht die Ehre haben können, Sie zu sehen.«

      Ich war selbst bei dieser milden Form der Antwort darauf gefaßt, ihn losbrechen zu sehen. Zu meinem Erstaunen erfolgte nichts der Art. Er nahm die Sache mit einem Gleichmuthe hin, der mich beunruhigte. Er sah mich einen Augenblick mit seinen glänzenden, grauen Augen fest an und lachte dabei in einer unheimlich boshaften Weise, nicht wie andere Leute aus sich heraus, sondern in sich hinein. »Ich danke Ihnen, Betteredge,« sagte er, »ich werde den Geburtstag meiner Nichte nicht vergessen.«

      Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ das Haus.

      An dem folgenden Geburtstage hörten wir, er liege krank zu Bett. Sechs Monate später, d. h. sechs Monate vor der Zeit, von der ich jetzt berichte, empfing Mylady einen Brief von einem hochachtbaren Geistlichen. Derselbe enthielt zwei höchst merkwürdige Familien-Nachrichten. Erstens, daß der Oberst seiner Schwester auf dem Todbette vergeben habe. Zweitens, daß er auch allen anderen Menschen vergeben habe und mit seinem Gott versöhnt gestorben sei. Ich hege einerseits, trotz Bischöfen und Geistlichkeit, eine ungeheuchelte Achtung vor der Kirche; aber ich bin doch fest überzeugt, daß der Teufel in ungestörtem Besitz der Seele des ehrenwerthen John verblieb und daß die letzte abscheuliche Handlung in dem Leben dieses abscheulichen Menschen mit Respect zu melden darin bestand, den Geistlichen zum Besten zu haben!

      Das war in der Kürze, was ich Herrn Franklin zu erzählen hatte. Ich bemerkte, daß er mit immer gespannterer Aufmerksamkeit zuhörte, je länger ich sprach, und daß die Geschichte, wie dem Obersten an dem Geburtstage seiner Nichte bei seiner Schwester die Thür gewiesen worden sei, Herrn Franklin zu berühren schien wie ein Schuß, der in’s Schwarze getroffen hat. Obgleich er es nicht zugeben wollte, sah ich doch deutlich genug an seinem Gesichte, daß mein Bericht ihn beunruhigt hatte.

      »Betteredge,« sagte er, »Sie haben das Wort gehabt, jetzt kommt die Reihe an mich. Bevor ich Ihnen jedoch erzähle, was ich in London erfahren habe und wie ich in diese Diamanten-Angelegenheit verwickelt worden bin, wünsche ich noch eins zu wissen. Sie sehen aus, mein alter Freund, als ob Sie nicht recht wüßten, um was es sich eigentlich bei dieser unserer Berathung handelt. Sprechen Ihre Blicke die Wahrheit?«

      »Ja gewiß,« erwiderte ich.

      »In diesem Fall,« antwortete Hr. Franklin, »wäre es wohl gut, wenn ich Ihnen den Gesichtspunkt, von dem aus ich die Sache ansehe, klar mache, ehe wir weiter gehen. Ich finde in dem Geburtstagsgeschenk des Obersten an meine Cousine Stoff zu drei sehr ernsten Fragen. Folgen Sie meinen Worten genau, Betteredge, und zählen Sie mir an den Fingern nach, wenn Ihnen das die Sache erleichtert,« sagte Herr Franklin mit dem Ausdruck des Wohlgefallens über seinen klaren Verstand, was mich lebhaft an seine Knabenjahre erinnerte »Erste Frage! War der Diamant des Obersten der Gegenstand einer Verschwörung in Indien? Zweite Frage: Ist die Verschwörung dem Diamanten des Obersten nach England gefolgt? Dritte Frage: Wußte der Oberst, daß die Verschwörung dem Diamanten gefolgt sei und hat er somit durch das Geschenk an das unschuldige Kind seiner Schwester diesem absichtlich ein Vermächtniß der Sorge und der Gefahr hinterlassen? – Das ist es, worauf ich hinaus will, Betteredge, erschrecken Sie nicht.«

      Das war leicht gesagt, aber er hatte mich sehr erschreckt.

      Wenn er Recht hatte, so war in unser ruhiges englisches Haus plötzlich ein Verderben bringender indischer Diamant eingedrungen, der eine Verschwörung lebendiger Spitzbuben, welche die Rache eines todten Mannes auf uns losgelassen hatte, nach sich zog. Das war unsere Situation, wie Herrn Franklin’s letzte Worte sie mir offenbart hatten! Wer hat je im neunzehnten Jahrhundert, in einer Zeit des Fortschritts und in einem Lande, das sich der Segnungen der britischen Verfassung erfreut, von so etwas gehört. Gewiß kein Mensch und daher wird auch Keiner es glauben. Nichtsdestoweniger aber werde ich ruhig in meiner Geschichte fortfahren.

      Unter zehn Fällen eines plötzlichen Schreckens, wie ich ihn eben gehabt hatte, fühlen wir die Wirkung neun Mal zuerst im Magen, und wenn der Magen anfängt, seine Rechte geltend zu machen, so schwindet die Aufmerksamkeit und man wird nervös. Eine solche Nervosität ergriff mich auf meinem Platz im Sande. Herr Franklin, der mich mit den Wirkungen eines angegriffenen Magens oder Gemüths, wie man will – das kommt auf Eins heraus – kämpfen sah, hielt, eben im Begriff, seine Geschichte zu beginnen, inne und sagte: »Was fehlt Ihnen?«

      Was mir fehlte? Ihm gestand ich es nicht, aber dem Leser will ich es im Vertrauen sagen: Mir fehlten ein paar Züge aus meiner Pfeife und ein Blick in meinen Robinson Crusoe.«

      Sechstes Capitel

      Ich behielt also meine geheimen Wünsche für mich und bat Herrn Franklin fortzufahren. Er antwortete:

      »Werden Sie mir nicht nervös, Betteredge,« und erzählte weiter.

      Er fing damit an, mir mitzutheilen, daß seine Entdeckungen in Betreff des berüchtigten Obersten und des Diamanten ihren Anfang bei einem Besuch genommen hätten, den er, bevor er zu uns gereist sei, dem Advokaten seines Vaters in Hampstead gemacht habe; durch ein nach Tische, als Herr Franklin einmal mit dem Advokaten allein war, zufällig gegen denselben ausgesprochenes Wort erfuhr der Letztere, daß Herr Franklin von seinem Vater mit der Uebergabe eines Geburtstagsgeschenkes an Fräulein Rachel beauftragt sei. Ein Wort gab das Andere, bis der Advokat unsern jungen Freund endlich darüber aufklärte, worin das Geschenk eigentlich bestehe und wie das freundschaftliche Verhältnis; zwischen dem verstorbenen Obersten und dem älteren Herrn Blake entstanden sei. Die hierauf bezüglichen Thatsachen sind so außerordentlicher Natur, daß ich mich der Zweifel nicht erwehren kann, ob ich sie gehörig werde berichten können. Ich ziehe es daher vor, Herrn Franklins Entdeckungen so genau wie möglich mit seinen eigenen Worten wiederzugeben.

      »Sie erinnern sich der Zeit, Betteredge,« fing er an, »wo mein Vater es versuchte, seine Ansprüche auf jenes unglückliche Herzogthum zu beweisen. Nun, gerade um dieselbe Zeit kehrte mein Onkel Herncastle von Indien zurück. Mein Vater machte die Entdeckung, daß sein Schwager in Besitz gewisser Papiere sei, die ihm wahrscheinlich in seinem Prozeß von Nutzen würden sein können. Er besuchte den Obersten unter dem Vorwand, ihn bei seiner Rückkehr nach England willkommen zu heißen. Der Oberst ließ sich aber nicht auf diese Weise fangen.

      »Sie wollen etwas von mir,« sagte er ihm gerade ins Gesicht, »sonst hätten Sie niemals Ihren Ruf durch einen Besuch bei mir aufs Spiel gesetzt.«

      Mein Vater» begriff, daß es hier das Gerathenste sei, offenes Spiel zu spielen; er gestand also ohne Weiteres zu, daß er der fraglichen Papiere wegen gekommen sei. Der Oberst erbat sich einen Tag Bedenkzeit. Dann erfolgte seine Antwort in Gestalt eines höchst merkwürdigen Briefes, den mir mein Freund, der Advokat, zeigte. Der Oberst fing damit an zu sagen, daß er auch seinerseits etwas von meinem Vater wolle, und daß er sich daher erlaube, ihm einen Austausch von Freundschaftsdiensten zu proponiren. Das Kriegsunglück, wie er sich ausdrückte, habe einen der größten Diamanten in der Welt in seinen Besitz gebracht und er habe Ursache, zu besorgen, daß weder er noch sein kostbarer Edelstein in irgend einem Hause, in irgend einem Theile der Welt, wo sie sich mit einander aufhalten möchten, vor Verfolgung sicher sei. Unter so beunruhigenden Umständen habe er beschlossen, den Diamanten einer andern Person zur Aufbewahrung anzuvertrauen. Diese Person werde dabei keinerlei Gefahr laufen. Sie könne den Edelstein in irgend ein sicheres, wohlbewachtes Gewahrsam bringen, z. B. in das feuerfeste Gewölbe eines Banquiers oder eines Juweliers niederlegen. Die Verantwortlichkeit dieser Person würde eine wesentlich passive sein. Was sie zunächst zu thun habe, sei selbst oder durch einen vertrauenswürdigen Bevollmächtigten unter einer vorher verabredeten Adresse an gewissen vorher verabredeten Tagen des Jahres ein Billet des Obersten in Empfang zu nehmen, das einfach besage, daß der Oberst an dem betreffenden Tage noch am Leben sei.

      In dem Fall, wo ein solcher Tag ohne das Eintreffen des besagten Billets vorüber gehen werde, könne das Schweigen des Obersten als ein sicheres Zeichen der Ermordung desselben betrachtet werden. In diesem Fall und nur in diesem Fall sollten gewisse, auf die Disposition über den Diamanten bezügliche und mit demselben deponirte versiegelte Instructionen geöffnet und genau befolgt werden. Wenn mein

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