ТОП просматриваемых книг сайта:
Tagebuch eines Überflüssigen. Иван Тургенев
Читать онлайн.Название Tagebuch eines Überflüssigen
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Иван Тургенев
Жанр Русская классика
Издательство Public Domain
Oschogin selbst war ein Mann von gewöhnlichem Schlage – weder besondere schlecht, noch besonders gut. Seine Frau hatte das Aussehen eines gealterten Küchleins. Dafür aber hatte die Tochter mit den Eltern Nichts gemein. Sie war hübsch und trotz ihrer Lebhaftigkeit von sanfter Natur. Ihre hellgrauen Augen schauten gutmüthig und grade aus den kindlich aufgeschlagenen Lidern hervor. Sie pflegte fast immer zu lächeln und ließ auch oft laut lachend den angenehmen Klang ihrer Stimme hören. Dabei bewegte sie sich frei, rasch – und erröthete anmuthig.
Ihr Anzug war nicht besonders elegant; einfache Kleider standen ihr besonders gut. – Ich knüpfte niemals leicht Bekanntschaft an, und wenn ich mich Jemand gegenüber gleich vom ersten Male ab leicht und wohl fühlte – was sich übrigens fast nie ereignete – so hatte die neue Bekanntschaft einen sehr günstigen Eindruck auf mich gemacht. In Gesellschaft von Damen konnte ich mich überdies gar nicht benehmen und pflegte in ihrer Gegenwart entweder mürrisch zu werden und ein grimmiges Aussehen anzunehmen, oder aber in der allerdümmsten Weise die Zähne zu zeigen und aus Verlegenheit die Zunge im Mund hin und her zu bewegen. Bei Elisaweta Kirillowna dagegen fühlte ich mich vom ersten Augenblicke an heimisch. Unser erstes Zusammentreffen fand in folgender Weise statt. Ich komme an einem Vormittage zu Oschogin und frage: »zu Hause?« man antwortete: »zu Hause! Ist mit seiner Toilette beschäftigt. Werden gebeten in den Saal einzutreten.« Ich trete in den Saal, sehe mich um – da steht am Fenster, mir den Rücken zuwendend, ein Mädchen in einem heilen Kleide und hält in der Hand einen Käfig. Ich empfand, wie gewöhnlich, eine Bangigkeit. Indessen, ich faßte mich und kündigte mich aus Höflichkeit durch ein leises Husten an. Das Mädchen wendet sich rasch um, so rasch, daß die Locken ihr grade auf das Gesicht schlagen – erblickt mich, macht eine Verbeugung und weist lächelnd auf ein Kästchen, das bis zur Hälfte mit Körnern angefüllt war. »Sie erlauben?« – Wie üblich in solchen Fällen beugte ich den Kopf, bog gleichzeitig rasch das Knie nach vorwärts und zog es wieder zurück (als wenn mich Jemand in die Kniekehle gestoßen hätte) – was, wie bekannt als Zeichen einer guten Erziehung und angenehmen Ungezwungenheit im Benehmen gilt; – dann lächelte ich, hob die Hand und machte zweimal mit ihr eine zarte vorsichtige Bewegung in der Luft. Das Mädchen wendete sich bald von mit ab, zog aus dem Käfig ein Brettchen hervor und sagte plötzlich, ihre Stellung nicht verändernd: »Dieser Blutfink gehört Papa . . . Haben Sie diese Thierchen auch gern?« – »Ich ziehe den Zeisig vor« – antwortete ich, nicht ohne eine gewisse Ueberwindung. – »Ah! So! . . . Ich liebe auch die Zeisige. Aber sehen Sie ihn mit an – wie schön ist er doch! Sehen Sie nur – er schreckt nicht zurück.« (Es wunderte mich, daß ich selbst nicht zurückschreckte.) »Treten Sie doch näher! Er heißt Popka.« Ich trat hinzu und beugte mich gegen den Käfig hin. »Nicht wahr, ein liebliches Ding?« Mit diesen Worten wendete sie mir ihr Gesicht zu und wir standen so nahe nebeneinander, daß sie ihren Kopf ein wenig zurückwenden mußte, um mich mit ihren hellen Aeuglein anzusehen. Ich betrachtete sie: ihr junges rosiges Gesicht lächelte mit einer solchen Freundlichkeit, daß auch ich lächelte und vor Freude schier laut auslachte. Da öffnete sich die Thür: Herr Oschogin trat ein. Ich ging auf ihn zu, sprach ihn ungezwungen an, blieb – ich weiß selbst nicht wie das geschah, zu Mittag zurück, verbrachte dort endlich den ganzen Abend – und am andern Tage beim Abnehmen des Ueberrockes, begrüßte mich der Diener Oschogins, ein langer und halbblinder Kerl, wie einen Freund des Hauses.
Eine Stätte zu finden, mir wenigstens für kurze Zeit ein Nest zu bauen, die Freuden der alltäglichen Beziehungen und Gewohnheiten zu erkennen: dieses Glück war mir – einem Ueberflüssigen, aller Familienliebe baren Mann – bisher nicht zu Theil geworden. Wenn ich mich auch nur annähernd mit einer Blume vergleichen dürfte, und wenn dieser Vergleich nicht gar so trivial wäre, so hätte ich mich entschlossen zu sagen, daß ich von diesen Tage an seelisch aufblühte. Alles in mir und nun mich herum sah auf einmal so verändert aus! Mein ganzes Leben leuchtete in Liebe auf – ja, mein ganzes Leben, bis auf die kleinsten Kleinigkeiten, gleich einem einsamen, dunkeln Zimmer, in welches man ein Licht hineingetragen hat. Ich legte mich zu Bett und stand auf, kleidete mich an, frühstückte, rauchte meine Pfeife – ganz anders wie früher; ich hüpfte sogar im Gange, wahrlich ich that so, als ob meinem Rücken Flügel angewachsen wären. Soviel ich mich erinnern kann, verblieb ich inbetreff des Gefühles, welches Elisaweta Kirillowna in mir wachgerufen hatte, keinen Augenblick im Unklaren. Ich verliebte mich leidenschaftlich in sie vom ersten Tage an und wußte vom ersten Tage an, daß ich verliebt sei. In den nächsten drei Wochen sah ich sie täglich. Diese drei Wochen sind die glücklichsten in meinem Leben gewesen, jedoch ist mir die Erinnerung an sie peinlich. Ich bin nicht imstande, allein an sie zu denken: unwillkürlich tritt vor meine Augen auch das, was ihnen gefolgt, und eine gallige Bitterkeit umlagert mein Herz, das kaum einmal Zeit gehabt hatte aufzugehen und zu erweichen.
Wenn ein Mensch sich wohl fühlt, so arbeitet sein Gehirn, wie bekannt, sehr wenig. Ein ruhiges und freudiges Gefühl, das Gefühl der Befriedigung, durchdringt sein ganzen Wesen; er ist von ihm ganz eingenommen. Das Bewußtsein der Individualität schwindet bei ihm; er ergiebt sich – wie schlecht erzogene Dichter sich ausdrücken – der Glückseligkeit. Ist aber endlich dieser »Zauber« vorüber, so fühlt er sich oftmals gekränkt; er bedauert, daß er sich inmitten des Glückes so wenig beobachtet, daß er durch Nachsinnen, durch Erinnerung seine Glückseligkeit nicht verdoppelte, nicht verlängerte . . . als ob ein »in Glückseligkeit« schweigender Mensch dazu Zeit hätte, und als ob es der Mühe werth wäre, über seine Gefühle nachzusinnen! Ein glücklicher Mensch ist gleich einer Fliege in der Sonne. Deshalb ist es mir auch, wenn ich über diese drei Wochen nachdenke, fast unmöglich, einen genauen, bestimmten Eindruck in mir wach zu rufen, um so mehr, da während dieser Zeit zwischen uns nichts besonders Bemerkenswerthes vorgefallen ist . . . Diese zwanzig Tage sind für mich eine Heimath von Wärme, von Jugend und Duft, sie erscheinen wie ein heller Streifen auf meinem düstern und grauen Lebenspfade . . . Unerbitterlich klar und deutlich wird auf einmal mein Gedächtniß von dem Augenblicke ab, da über mich – um die Worte desselben schlechterzogenen Poeten zu gebrauchen – die Schläge des Schicksals hereinbrachen.
Ja, diese drei Wochen . . . Uebrigens, ich könnte nicht sagen, daß sie in mir keine Gestalt zurückgelassen haben. Manchmal, wenn es mir geschieht, daß ich lange über diese Zeit nachdenke, schwebt diese und jene Erinnerung aus dem Dunkel der Vergangenheit hervor, grade so wie die Sterne am Abendhimmel unerwartet dem aufmerksam auf denselben gerichteten Auge entgegenblitzen. Besonders blieb mir ein Spaziergang in einem Haine außerhalb der Stadt im Gedächtnis. Es waren unser vier Personen; Frau Oschogin, Lisa, ich und ein gewisser Bismenkoff, ein untergeordneter Beamter der Stadt O . . ., ein blondhaariges, gutmüthiges und bescheidenes Geschöpf. Oschogin selbst blieb zu Hause zurück. Er hatte durch anhaltenden Schlaf Kopfschmerzen bekommen. – Es war ein herrlicher Tag, warm und still. Ich muß bemerken, daß ein Besuchen von Vergnügungsgärten und öffentlichen Anlagen nicht im Charakter der Russen liegt. In den sogenannten öffentlichen Gärten der Gouvernementsstädte werden Sie zu keiner Jahreszeit eine lebendige Seele antreffen, wenn nicht etwa ein altes Mütterchen, das sich auf eine grüne, von der Sonne durchglühte Bank in der Nähe eines großen Baumes ächzend niedergelassen – und das nur in dem Falle, wenn sich ihr in der Umgebung, vor der Thür irgend eines Hauses, kein abgesessenes Bänkchen zeigen wollte. Wenn aber in naher Entfernung von der Stadt ein armseliger Birkenhain vorhanden ist, so fahren Leute vorn Kaufmannsstande, manchmal auch Beamte gewöhnlich an Sonn- und Feiertagen mit Samowar, Kuchen und Melonen hinaus, pflanzen diesen Segen von Delicatessen dicht am Spazierwege auf dem staubigen Grase aus und setzen sich herum, zu essen und im Schweiße ihren Angesichtes Thee zu trinken – bis tief in den Abend hinein. Grade solch ein Hain existirte damals zwei Weist von O