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unter Gewährung des vollen Gehalts, vor Anker zu gehen. Und ob der Ozean der Menschheit noch so bewegt auf und nieder flutet, ob die Zeiten dahinrauschen und Völker und Reiche vergehen – — an ihm geht alles spurlos vorüber, bis ein Schlaganfall oder sonst ein Altersleiden seinem Dasein ein Ziel setzt.

      Ajanow war verheiratet gewesen, hatte jedoch früh seine Frau verloren und besaß eine zwölfjährige Tochter, die auf Staatskosten im Institut erzogen wurde; er selbst hatte seine Angelegenheiten wohl geordnet und führte nun das ruhige, sorglose Leben eines Hagestolzes.

      Nur ein Umstand störte seine Ruhe: die Hämorrhoiden, die er sich durch seine sitzende Lebensweise zugezogen hatte. Ein unangenehmes Ereignis stand ihm in der Zukunft bevor: eine Badereise, die ihn aus seinem gleichförmigen Petersburger Leben herausreißen und irgendwohin entführen sollte. So wenigstens lautete die Ankündigung des Arztes.

      »Ist’s nicht Zeit, daß du dich anziehst? Es ist ein Viertel nach vier!« sagte Ajanow zu Raiski.

      »Ja, es ist Zeit,« versetzte Raiski, aus seinem Brüten erwachend.

      »Worüber hast du eben nachgedacht?« fragte Ajanow.

      »Du meinst: über wen?« verbesserte ihn Raiski. »Über wen sonst als über sie . . . über Sophie . . .«

      »Schon wieder? Hm!« bemerkte Ajanow. Raiski begann sich anzukleiden.

      »Du bist doch nicht böse, daß ich dich dahin mitschleppe?« fragte Raiski.

      »Durchaus nicht. Ist’s nicht gleich, ob ich dort mein Spielchen mache oder bei Iwlews? Es ist mir zwar ein bißchen peinlich, den alten Damen das Geld abzunehmen: Anna Wassiljewna spielt gegen ihren eigenen Partner, und Nadjeschda Wassiljewna kündigt immer laut an, was sie ausspielen wird!«

      »Mach’ dir keine Sorgen, euer Fünfkopekenspiel wird sie nicht zugrunde richten. Die beiden Alten haben jede ein Einkommen von sechzigtausend Rubeln.«

      »Ich weiß es; und das soll Sophie Nikolajewna einmal alles erben?«

      »Ja, sie ist ihre Nichte und einzige Erbin. Aber das kann noch lange dauern! Sie werden die Nichte noch überleben – und dazu sind sie so geizig!«

      »Der Vater Sophies scheint nicht mehr viel zu besitzen? . . .«

      »Nein, er hat alles durchgebracht.«

      »Wie bringt er das eigentlich fertig? Am Kartentisch sieht man ihn doch fast gar nicht!«

      »Und die Weiber – kosten die nichts? Dieses ewige Hin und Her, diese kleinen Soupers, dieser ganze Troß, den er immer mitschleppt? Im letzten Winter hat er der kleinen Armance ein Tafelservice für fünftausend Rubel geschenkt, und wie sie es zum erstenmal in Gebrauch nahm, hat sie ihm nicht einmal eine Einladung geschickt! . . .«

      »Ja, ich hörte davon. Warum sollte sie ihn auch einladen? Was hat er bei ihr zu suchen? . . .«

      Sie lachten beide.

      »Auch von ihrem Manne hat Sophie Nikolajewna anscheinend nicht viel geerbt?«

      »Nein, nur siebentausend Rubel jährlich werden es sein. Das braucht sie als Taschengeld, im übrigen ist sie ganz auf die Tanten angewiesen. Aber nun ist’s Zeit!« sagte Raiski. »Ich möchte vor Tisch noch ein wenig auf dem Newskij promenieren.«

      Ajanow und Raiski gingen auf die Straße hinaus. Auf Schritt und Tritt begegneten sie Bekannten, das Nicken und Verneigen nahm kein Ende, nach rechts und links wurden Händedrücke ausgetauscht.

      »Wie lange willst du bei der Bjelowodowa bleiben?«

      »Bis ich hinausgeworfen werde – wie gewöhnlich. Du wirst dich langweilen?«

      »Nein, ich überlegte nur, ob ich dann wohl noch zu Iwlews gehen kann. Ich kenne keine Langeweile . . .«

      »Glücklicher Mensch!« sagte Raiski mit einer Anwandlung von Neid. »O, wenn es doch keine Langeweile auf der Welt gäbe! Kann es eine schrecklichere Geißel geben?«

      »Schweig, bitte!« versetzte Ajanow mit abergläubischer Furcht. »Mal’ den Teufel nicht an die Wand! Ich habe genug mit meinen Hämorrhoiden zu tun. Die Ärzte schwatzen immer davon, daß ich fort soll: was sie eigentlich gegen diese sitzende Lebensweise haben, die an allem schuld sein soll? Und dann schimpfen sie immer auf die hiesige Luft – kann es eine bessere Luft geben?« Er schöpfte mit Behagen tief Atem. »Ich habe jetzt einen ganz besonders tüchtigen Äskulap, der will mich im nächsten Sommer mit saurer Milch kurieren. Du weißt, ich leide an Verstopfung . . . Du gehst also aus lauter Langerweile zu deiner Cousine?«

      »Welche Frage: natürlich! Spielst du denn nicht auch Karten aus Langerweile? Alles flieht eben vor der Langenweile wie vor der Pest!«

      »Ein recht fragwürdiges Mittel, das du da gegen die Langeweile anwendest: leeres Weibergeschwätz, alle Tage dasselbe!«

      »Ist’s mit dem Kartenspiel nicht ebenso? Hast du da nicht auch alle Tage dasselbe!«

      »Durchaus nicht! Ein Engländer hat berechnet, daß nur alle tausend Jahre einmal dieselbe Kartenverteilung sich wiederholt . . . Und die wechselnden Chancen! Und die Charaktere der verschiedenen Spieler, die Kniffe jedes einzelnen, die Fehler! . . . Das ist durchaus nicht dasselbe! Aber sich so den ganzen Winter, den ganzen Frühling an ein Weib hängen – heute, morgen, alle Tage . . . das kann ich nicht begreifen!«

      »Du hast eben kein Verständnis für Schönheit! Das geht dir ganz und gar ab! Einem anderen fehlt wieder das Verständnis für Musik, einem dritten für die Malerei. Das sind eben besondere Mängel in der Entwicklung!«

      »Allerdings, sehr besondere. In unserer Abteilung diente einmal ein gewisser Iwan Petrowitsch als Gehilfe – der ließ keine Beamtenfrau und kein Stubenmädchen in Ruhe, natürlich nur, wenn sie hübsch waren. Allen sagte er Liebenswürdigkeiten, brachte ihnen Konfekt und Blumen: was meinst du, war der entwickelt?«

      »Lassen wir das Thema,« versetzte Raiski, »sonst klettern wir wieder beide an den Wänden hoch und fassen uns gar an den Köpfen. Ich besitze kein Verständnis für deine Karten und habe nichts dagegen, daß du mich in dieser Beziehung einen Ignoranten nennst. Versuche dann aber auch nicht, über Schönheit zu reden. Ein jeder schwelgt auf seine Weise in Schönheit: der eine hält sich an Gemälde, der andere an Statuen, der dritte an die lebendige Schönheit des Weibes: dein Iwan Petrowitsch liebt dies, ich das, und du überhaupt nichts! Abgemacht – Schluß!«

      »Du spielst doch nur mit den Frauen, soweit ich sehe,« sagte Ajanow.

      »So laß mich doch, was tut’s? Auch du spielst ja – aber während du fast immer im Gewinn bist, bin ich stets der Verlierer . . . Was hast du daran auszusetzen?«

      »Sophie Nikolajewna ist schön, und dazu eine reiche Erbin: heirate sie, und damit basta!«

      »So, damit basta – und die Langeweile fängt an!« versetzte Raiski nachdenklich. »Ich will aber von einem solchen Abschluß der Sache nichts wissen! Übrigens, beruhige dich: man würde sie mir gar nicht geben!«

      »Dann hat es nach meiner Ansicht keinen Sinn, überhaupt hinzugehen. Du bist einfach ein Don Juan!«

      »Ja, ein Don Juan – ein fader Geselle, ein eitler Geck; oder welchen Sinn legst du sonst dem Worte bei? Auf die Art wären auch Byron und Goethe und die ganze Schar der Maler und Bildhauer nichts als eitle Gecken . . .«

      »Bist du vielleicht ein Byron oder ein Goethe – wie? . . .«

      Raiski wandte sich ärgerlich von ihm ab.

      »Der Donjuanismus,« sagte er, »liegt ebensogut im Wesen des Menschen wie die Donquixoterie; dieser Trieb wurzelt vielleicht noch tiefer in seiner Natur . . .«

      »Du nennst es einen Trieb – dann heirate doch, sag’ ich dir . . .«

      »Ach,« rief Raiski fast verzweifelt aus – »heiraten kann man einmal, zweimal, dreimal. Darf ich denn aber die Schönheit des Weibes nicht so genießen, wie etwa die Schönheit einer Statue? Don Juan suchte vor allem den ästhetischen Genuß, den dieser Trieb gewährt, wenn auch, als Sohn seiner rauher gearteten Zeit, auf eine gröbere Weise. Aber was rede ich mit dir erst darüber!«

      »Wenn

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