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Alexandre

      Isaak Laquedem

      1-stes bis 5-tes Bändchen

       Prolog

      Die Via Appia

      Der Leser begebe sich mit uns aus drei Meilen von Rom an das Ende der Via Appia, unter den Abhang von Albano, an die Stelle, wo die antike, zweitausend Jahre alte Straße sich mit einer modernen, nur zwei Jahrhunderte alten verbindet, welche um die Gräber läuft, diese zu ihrer Linken läßt und an dem Thore vom heiligen Johannes vom Lateran1 ausmündet.

      Er wolle annehmen, wir seien am Morgen des grünen Donnerstags im Jahre 1469, Ludwig XI. regiere in Frankreich, Johann II. in Spanien, Ferdinand I. in Neapel, Friedrich III, sei Kaiser von Deutschland, Iwan, der Sohn von Wasilijewitsch, Großfürst von Rußland, Christoph Moro Doge von Venedig und Paul II. Papst.

      Er erinnere sich, daß es der feierliche Tag ist, an welchem, bekleidet mit dem goldenen Chorrocke, die Tiara auf dem Haupte, getragen unter einem von acht Cardinälen unterstützten Prachthimmel, der Priesterkönig von der alten Basilica Constantins herab, welche schon verurtheilt und bereit ist, der von Bramante und Michel Angelo Platz zu machen, im Namen der heiligen Apostel Peter und Paul seinen Segen Rom und der Welt, der Stadt und dem Weltall, Urbi et Orbi geben soll.

      Dann wird er begreifen, daß sich wegen dieser erhabenen Feierlichkeit die Einwohner der benachbarten Dörfer und Städte auf den Straßen von Bracciano, von Tivoli, von Palestrina und von Frascati drängen. Alle gegen die heilige Stadt hinstrebend, wohin sie die Glocken, die entfliehen sollen und deren Abwesenheit von der Trauer der Christenheit zeugen wird, durch einen letzten Ruf ziehen.

      Mitten unter allen diesen Straßen, welche nach Rom führen und von fern mit einem beweglichen Teppiche bedeckt zu sein scheinen, so entrollen sich in langen Reihen die Bauernfrauen mit den purpurrothen Röcken und den goldenen Schnürleibern, ein Kind an der Hand fortziehend oder eines auf ihren Schultern tragend; die Führer der Herden, welche, mit Spießen bewaffnet, unter ihren braunen Mänteln ihre blauen Sammeljacken mit silbernen Knöpfen verbergen und auf ihren kleinen Gebirgspferden mit scharlachrothen Schabracken, woran eine Menge kupferner Nägel sichtbar, vorüber galoppiren; die ernsten Matronen mit den ruhigen Gesichtern, welche auf schwerfälligen Karren, bespannt mit zwei großen weißen Ochsen mit langen schwarzen Hörnern, fahren und lebenden Statuen der thebanischen Isis oder der eleusinischen Ceres gleichen; mitten unter allen diesen Straßen, sagen wir, die, ungeheuern Pulsadern ähnlich, durch die gelbe Einöde der römischen Campagna das Blut und das Leben nach dem alten Rom tragen, ist eine einzige Straße verlassen.

      Es ist diejenige, aus welche wir den Leser geführt haben.

      Und nicht, als käme von Albano kein großer Zustrom von Volk herab, nicht als fehlten bei der Zusammenkunft die schönen Bäuerinnen von Genzano und von Vellettri, die Hirten der Pontinischen Sümpfe mit ihren Pferden mit den langen Mähnen und dem flatternden Schweife, die Matronen von Nettuno und von Montragone aus ihren von Büffeln mit dem geräuschvollen Athem und den flammenden Augen gezogenen Karren; nein, am Fuße des Gebirges, bei der von uns genannten Verbindung der Wege angelangt, scheidet der fromme Pilgerzug von der alten Straße, läßt zu seiner Linken die doppelte Reihe von Gräbern, deren Geschichte wir mit ein paar Zeilen berühren werden, und folgt, quer durch die Ebene mit dem hohen Grase, der neuen Straße,, welche sich später durch einen Umweg wieder der alten tusculanischen Straße anschließt und bei der alten Basilica des heiligen Johannes vom Lateran ausmündet.

      Es war übrigens nicht immer so mit dieser Via Appia, welche heute so verödet ist, daß das Gras in den Zwischenräumen ihrer breiten grauen Platten wachsen würde, stießen diese, ungleich aus der Lava der erloschenen Vulkane ausgehauenen, Platten nicht jede Vegetation zurück. In den schönen Tagen des Rom der Cäsaren nannte man sie die große Appia, die Königin der Straßen, den Weg zum Elysium; es war damals der Sammelplatz im Leben und im Tode von Allem, was es Reiches, Edles und Zierliches in der vorzugsweisen Stadt gab; noch andere Straßen, die Via Latina, die Via Flaminia hatten ihre Gräber; glücklich aber der, welcher sein Grab bei der Via Appia besaß!

      Bei den Römern, – einer Nation, in der der Geschmack für den Tod beinahe so verbreitet war, als er es in England ist, und wo die Wuth des Selbstmords, unter der Regierung von Tiber, Calicula und Nero besonders, zu einer wahren Epidemie wurde, war die Besorgniß um den Ort, wo der Körper seine Ewigkeit schlafen würde, groß. Anfangs hatte man in der Stadt und sogar im Innern der Häuser begraben, doch diese Art der Bestattung widersprach der öffentlichen Gesundheit; überdies konnten die Leichenbegängnisse jeden Augenblick die Opfer der Stadt beflecken. Demzufolge erschien ein Gesetz, welches im Innern von Rom zu begraben verbot. Nur ein paar privilegirte Familien behielten dieses Recht unter dem Titel einer öffentlichen Ehrenauszeichnung. Das waren die Familien von Publicula, von Tubertus und von Fabricius; man beneidete sie um dieses Recht.

      Ein Triumphator, welcher während des Triumphes starb, war auch berechtigt, in Rom beerdigt zu werden.

      Der Lebende überließ nur sehr selten seinen Erben die Sorge für sein Grab; es war eine Zerstreunng, die er sich gewährte, daß er sein Grab unter seinen Augen ausarbeiten ließ. Die meisten Monumente dieser Art, die man noch heute findet, tragen an sich die zwei Buchstaben: V. F., was bedeutet: Vivus fecit; oder die drei Buchstaben: V. S, P.., was bedeutet: Vivus sibi posuit; oder endlich die drei Buchstaben: V. F. C., was bedeutet: Vivus faciendum curavit.

      Für einen Römer war es in der That, wie man sehen wird, etwas Wichtiges, beerdigt zu werden: nach einer religiösen Ueberlieferung, welche in großem Ansehen zur Zeit von Cicero stand, wo diese Art von Glauben doch zu verschwinden anfing, sollte die Seele jeder des Begräbnisses beraubten Person hundert Jahre an den Ufern des Styx umherirren. Wer einen Leichnam aus seinem Wege traf und es versäumte, ihm ein Begräbnis, zu geben, beging eine Ruchlosigkeit, die er nur dadurch sühnen konnte, daß er der Ceres ein Mutterschwein opferte; warf man zu drei verschiedenen Malen ein wenig Erde auf den Leichnam, so befreite dies allerdings von der Beerdigung und dem Opfer.

      Doch begraben zu sein, war noch nicht Alles, man mußte angenehm begraben sein. Der heidnische Tod, der gefallsüchtiger als der unsere, erschien den Sterbenden des Jahrhunderts von Augustus nicht wie ein entfleischtes Gerippe mit kahlem Schädel, mit leeren Augenhöhlen, mit düsterem, unheimlichem Grinsen und in der Hand eine Sense mit gekrümmtem Eisen haltend; nein, es war ganz einfach eine schöne bleiche Frau, die Tochter des Schlafes und der Nacht, mit weißen kalten Händen und eisige Umarmung; – etwas wie eine unbekannte Freundin, welche, wenn man sie rief, aus der Finsterniß hervortrat, ernst langsam und stillschweigend aus das Lager des Sterbenden zuschritt und mit demselben Todeskusse zugleich seine Lippen und seine Augen schloß. Dann blieb der Leichnam taub, stumm, unempfindlich, bis zu dem Augenblicke, wo die Flamme des Scheiterhaufens sich für ihn entzündet, und, den Leib verzehrend, den Geist von der Materie trennte, von der Materie, welche sich in Asche verwandelte, während der Geist Gott wurde. Dieser neue Gott aber, – ein Mane, der den Lebendigen unsichtbar blieb, nahm seine Gewohnheiten, seine Neigungen, seine Leidenschaften wieder an, kehrte, so zu sagen, in den Besitz seiner Sinne zurück, liebte das, was er geliebt hatte, haßte das, was er gehaßt hatte.

      Und darum legte man in das Grab eines Kriegers seinen Schild, seine Wurfspieße und sein Schwert; in das Grab einer Frau ihre Diamantnadeln, ihre goldenen Ketten und ihre Perlenhalsbänder; in das Grab eines Kindes sein liebstes Spielzeug, Brod, Früchte, und in die Tiefe einer alabasternen Vase ein paar Tropfen Milch aus dem mütterlichen Busen, welchen versiegen zu machen es nicht die Zeit gehabt hatte.

      Wenn die Baustelle des Hauses, das er während seines kurzen Daseins bewohnen sollte, dem Römer einer ernsten Aufmerksamkeit würdig zu sein schien, so kann man sich denken, welche noch viel größere Aufmerksamkeit er dem Plane, der Lage, der mehr oder minder angenehmen, mehr oder minder seinem Geschmacke, seinen Neigungen, seinen Gewohnheiten, seinen Wünschen entsprechenden Baustelle des Hauses schenken mußte, das er, Gott geworden, die Ewigkeit hindurch bewohnen sollte; denn die Manen, beständig am Orte verweilende Götter, waren an ihre Gräber gefesselt und hatten höchstens die Erlaubniß, um dieselben herumzugehen. Einige, – dies waren die Liebhaber der ländlichen Freuden, die Menschen von einfachem Geschmack, die bukolischen Geister, – befahlen, daß man ihnen ihre Gräber in ihren Villas, in ihren Gärten, in ihren Wäldern baue, um ihre Ewigkeit in Gesellschaft der Nymphen,

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Gewöhnlich Porta die S. Giovanni genannt. Der Uebersetzer.