Скачать книгу

diese Summe angeboten hatte.

      »Und wenn wir dort sind, mein Bürger,« versetzte der durch das Bildniß des Königs besänftigte Automedon, »wird es nicht ein kleines Trinkgeld geben?«

      »Je nachdem wir gefahren sind. Schaffe diesen armen Teufel in Deinen Wagen, schließe sorgfältig die Schläge, sei bemüht, bis dort Deine zwei Mähren auf ihren Beinen zu halten, und sind wir beim Pont de Sèvres, so werden wir sehen  . . .Hast Du uns gut gefahren, so sollst Du bedacht werden.«

      »Schön,« sagte der Kutscher, »das heiße ich antworten. Seien Sie ruhig, Sie werden zufrieden sein. Steigen Sie auf den Bock und verhindern Sie die wälschen Hühner, Dummheiten zumachen; ah! zu dieser Stunde riechen sie den Stall und haben Eile, nach Hause zu kommen; das Uebrige ist meine Sache.«

      Der freigebige Unbekannte folgte ohne irgend eine Bemerkung der Instruction, die man ihm gab. Der Kutscher hob mit aller Zartheit, der er fähig war, den Trunkenen in seinen Armen auf, legte ihn sanft zwischen die zwei Sitze seines Fiacre, schloß den Schlag, stieg auf seinen Bock, wo er den Unbekannten fand, ließ seinen Wagen sich umwenden und peitschte seine Pferde, welche bald mit den, bei diesen Vierfüßigen gewöhnlichen melancholischen Gang durch den Flecken Point-du-Jour trabten und nach einer halben Stunde zu der Schenke des Pont de Sèvres kamen.

      Im Innern dieser Schenke finden wir nach zehn Minuten, die man der Auspackung de»Bürgers Gamain widmete, den der Leser ohne Zweifel längst erkannt hat, den würdigen Meister über Meister, Meister über Alle wieder; er sitzt an demselben Tische und demselben Waffenschmiede gegenüber, wie wir ihn im ersten Kapitel dieser Geschichte gesehen haben.

       XL

      Was der Zufall ist!

      Wie hatte sich nun diese Auspackung bewerkstelligt, und wie war Meister Gamain aus dem beinahe starrsüchtigen Zustande, in welchem wir ihn verlassen, zu dem fast natürlichen Zustande, in dem wir ihn wiedersehen, übergegangen? Der Wirth der Schenke des Pont de Sèvres lag im Bette, und nicht der geringste Lichtfaden drang durch die Spalten seiner Fensterläden, als die ersten Faustschläge des Philanthropen, der Meister Gamain ausgenommen hatte, an seiner Thüre erschollen.

      Diese Faustschläge wurden auf eine Art angebracht, daß sie nicht glauben ließen, die Besitzer des Hauses, so sehr sie dem Schlafe ergeben sein mochten, dürften eine lange Ruhe einem solchen Angriffe gegenüber genießen.

      Ganz schlaftrunken, ganz stolpernd, ganz brummend, öffnete auch der Schenkwirt selbst denjenigen, welche ihn bemerkten, wobei er sich vornahm, sie einen der Störung würdigen Ersatz entrichten zu lassen, sollte, wie er sagte, das Spiel nicht das Licht werth sein.

      Es scheint, daß das Spiel wenigstens dem Werthe des Lichtes das Gleichgewicht hielt, denn bei dem ersten Worte, das der Mann, welcher aus eine so unehrerbietige Art angeklopft hatte, dem Wirthe der Schenke des Pont de Sèvres in’s Ohr flüsterte, nahm dieser seine baumwollene Mütze ab, machte Bücklinge, welche durch sein Costume ganz sonderbar grotesk wurden, und führte den Unbekannten und Meister Gamain in das kleine Cabinet, wo wir diese schon den Burgunder, sein Lieblingsgetränke, haben verkosten sehen.

      Diesmal aber, weil er zu viel verkostet, war Meister Gamain beinahe ohne Bewußtsein.

      Vor Allem, da Kutscher und Pferde, der eine mit seiner Peitsche, die andern mit ihren Beinen gethan hatten, was sie thun konnten, fing der Fremde damit an, daß er sich seiner Zusage entledigte, indem er ein Vierundzwanzig-Sous-Stück als Trinkgeld den sechs Livres beifügte, die er schon als Bezahlung gegeben hatte.

      Dann, als er Meister Gamain, den Kopf an das Täfelwerk angelehnt, mit einem Tische vor seiner Person, viereckig auf einem Stuhle sitzen sah, ließ er schleunig durch den Wirth zwei Flaschen Wein und eine Caraffe Wasser bringen und öffnete selbst das Fenster und die Läden, um die mephitische Luft zu verändern, die man im Innern der Schenke einathmete.

      Diese Maßregel wäre unter anderen Umständen gefährdend gewesen. Jeder Beobachter weiß in der That, daß nur die Leute von einer gewissen Welt das Bedürfniß haben, die Luft in dem Verhältniß einzuathmen, in welchem die Natur sie macht, das heißt, bestehend aus siebenundsiebenzig Theilen Sauerstoff, einundzwanzig Theilen Stickstoff und zwei Theilen Wasser, während die gemeinen Leute, an ihre verpesteten Wohnungen gewöhnt, sie ohne Schwierigkeit einathmen, so sehr sie auch mit Kohlenstoff und Stickstoff geschwängert sein mag.

      Zum Glück war Niemand da, um eine solche Bemerkung zu machen. Selbst der Wirth, nachdem er mit Eile die zwei Flaschen Wein und langsam die Caraffe Wasser gebracht, hatte sich ehrerbietig zurückgezogen und den Unbekannten unter vier Augen mit Meister Gamain gelassen.

      Der Erste war, wie wir gesehen, gleich Anfangs besorgt gewesen, frische Luft einzulassen; dann, ehe er noch das Fenster wieder geschlossen, halte er ein Flacon an die weit geöffneten, pfeifenden Nasenlöcher des Schlossermeisters gehalten, welcher sich dem ekelhaften Schlafe des Rausches überließ, der gewiß die Trunkenbolde von der Weinliebe heilen würde, wäre es durch ein Wunder der Allmacht den Berauschten nur ein einziges Mal gegeben, sich schlafen zu sehen.

      Als er den durchdringenden Geruch der im Flacon enthaltenen Flüssigkeit einathmete, riß Meister Gamain; die Augen weit auf und nieste sogleich ganz wüthend; dann murmelte er ein paar Sylben, welche ohne Zweifel unverständlich für jeden Andern, als den geübten Philologen, dem es, mit tiefer Aufmerksamkeit horchend, gelang, folgende Worte zu unterscheiden: »Der Unglückliche  . . .er hat mich vergiftet ., . vergiftet! ., .«

      Der Waffenschmied schien zu seiner Zufriedenheit zu erkennen, daß Meister Gamain immer noch von derselben Idee beherrscht wurde; er hielt den Flacon abermals an seine Nase, was, einige Kraft dem würdigen Sohne Noä verleihend, diesem gestattete, den Sinn seines Satzes dadurch zu vervollständigen, daß er den schon ausgesprochenen Worten drei weitere Worte beifügte, welche eine um so schrecklichere Anschuldigung enthielten, als diese zugleich einen Vertrauensmißbrauch und ein Vergessen des Herzens bezeichnete.

      »Einen Freund vergiften!  . . .einen Freund! . . .«

      »Das ist in der That entsetzlich,« bemerkte der Waffenschmied.

      »Entsetzlich!« stammelte Gamain.

      »Schändlich!« sagte Nr. l.

      »Schändlich!« wiederholte Nr. 2.

      »Zum Glück war ich da,« sprach der Waffenschmied, »ich, um Ihnen Gegengift zu geben.«

      »Ja, zum Glück!« murmelte Gamain.

      »Doch da eine erste Dosis nicht für eine solche Vergiftung genügt, so nehmen Sie noch dieses,« fuhr der Unbekannte fort.

      Und er goß in ein halbes Glas Wasser fünf bis sechs Tropfen von der im Flacon enthaltenen Flüssigkeit, was nichts Anderes war, als aufgelöster Ammoniak.

      Dann näherte er das Glas den Lippen von Gamain.

      »Ah! ah!« stammelte dieser, »das ist zu trinken durch den Mund; ich liebe das mehr, als durch die Nase!«

      Und er verschluckte gierig den Inhalt des Glases.

      Doch kaum war der Teufelstrank durch seinen Hals gelaufen, da riß er die Augen übermäßig weit aus und rief zwischen einem zweimaligen Niesen:

      »Ha! Schurke, was Hast Du mir da gegeben? Pfui! Pfui!l«

      »Mein Lieber,« erwiederte der Unbekannte, »ich habe Ihnen einen Trank gegeben, der Ihnen ganz einfach das Leben rettet.«

      »Ah!« versetzte Gamain, »wenn er mir das Leben rettet, so thaten Sie wohl daran, mir denselben zu geben; doch wenn Sie das einen Trank nennen, so haben Sie Unrecht.«

      Und er nieste abermals, zog den Mund zusammen und sperrte die Augen auf wie die Larve der alten Tragödie.

      Der Unbekannte benützte diesen Augenblick der Pantomime, um, nicht das Fenster, sondern die Läden zu schließen.

      Gamain hatte indessen nicht ohne Vortheil die Augen ein zweites oder drittes Mal geöffnet. Während dieser Bewegung, so krampfhaft sie war, schaute der Schlossermeister umher, und mit jenem Gefühle tiefer Dankbarkeit, das die Trunkenbolde für die Wände einer Schenke haben, erkannte er diese als ihm nichts weniger als fremd.

      Bei

Скачать книгу