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sie sich die Frage, wozu das Leben ihnen gegeben war? Gott weiß! Und wie beantworteten sie diese? Wahrscheinlich gar nicht. Das erschien ihnen sehr einfach und klar. Sie hatten nichts von einem sogenannten mühevollen Leben gehört, von Menschen, die quälende Sorgen in der Brust trugen, die aus irgend einem Grunde von einem Ort zum andern über das Antlitz der Erde irrten, oder ihr Leben der ewigen, endlosen Arbeit weihten. Die Einwohner von Oblomowka glaubten auch nicht recht an seelische Stürme; sie hielten den Kreislauf des ewigen Strebens irgendwohin und nach irgendwas nicht für das wahre Leben; sie fürchteten sich vor dem Drang der Leidenschaften, wie vor dem Feuer, und während bei anderen Menschen der Körper durch die vulcanische Arbeit der inneren seelischen Flamme schnell aufgebraucht wurde, ruhte die Seele der Oblomower friedlich, ohne Störungen im weichen Körper. Das Leben zeichnete sie weder durch frühzeitige Furchen, noch durch zerrüttende moralische Schläge und Leiden. Diese guten Menschen faßten das Leben nicht anders, als ein Ideal der Ruhe und Unthätigkeit auf, das ab und zu durch allerlei unangenehme Zufälle, wie Krankheiten, Verluste, Streitigkeiten und unter anderem durch Arbeit, gestört wurde. Sie ertrugen die Arbeit als eine Strafe, die noch unseren Vorvätern auferlegt wurde, die sie aber nicht lieben konnten und von der sie sich bei jeder Gelegenheit befreiten, da sie das für möglich und sogar für nöthig hielten.

      Sie brachten sich niemals durch irgendwelche nebelhafte geistige oder moralische Fragen in Verwirrung; darum erfreuten sie sich auch immer des Frohsinnes und einer blühenden Gesundheit, darum lebten sie dort so lange; die Männer erinnerten mit vierzig Jahren an Jünglinge; die Greise kämpften nicht mit einem schweren, qualvollen Tod, sondern starben gleichsam verstohlen, erstarrten still und hauchten unmerklich ihren letzten Seufzer aus, nachdem sie unerhört lange gelebt hatten. Darum heißt es auch, daß die Menschen früher kräftiger waren. Ja, sie waren in der That kräftiger. Früher beeilte man sich nicht, dem Kinde den Sinn des Lebens zu erklären und es dazu wie zu etwas sehr Compliciertem und Ernstem vorzubereiten; man quälte es nicht mit Büchern, welche im Kopf eine Menge von Fragen erzeugen, die am Hirn und Herzen nagen. Die Norm des Lebens war fertig und war ihnen von den Eltern beigebracht worden, die sie ebenfalls fertig vom Großvater und dieser vom Urgroßvater mit dem Vermächtnis übernommen hatten, über deren Unberührtheit und Heiligkeit wie über das Feuer der Vesta zu wachen. Wie alles bei Lebzeiten der Großväter und Väter gethan wurde, so wurde es auch unter Ilja Iljitschs Vater und so wird es vielleicht bis nun in Oblomowka gethan.

      Worüber hatten sie denn zu sinnen und sich zu erregen, was zu ergründen und welche Ziele zu erreichen? Das alles war unnöthig. Das Leben rann wie ein ruhiger Fluß an ihnen vorbei; sie brauchten nur am Ufer dieses Flusses zu bleiben und die unvermeidlichen Erscheinungen zu beobachten, welche ungerufen der Reihe nach vor einem jeden von ihnen erstanden.

      Und auch der Phantasie des schlafenden Ilja Iljitsch zeigten sich ebenfalls der Reihe nach, gleich lebenden Bildern, die drei Hauptmomente des Lebens, die sich ebensowohl in seiner Familie, wie auch bei den Verwandten und Bekannten abspielten: Geburt, Hochzeit und Begräbnis. Dann folgte eine bunte Procession ihrer freudigen und traurigen Unterabtheilungen: Taufen, Namenstage, Familienfeste, Fastenanfang und Ende, geräuschvolle Diners, Familienbesuche, Begrüßungen, Gratulationen, officielle Thränen und Lächeln. Alles wurde so genau, so ernsthaft und feierlich erfüllt. Er sah sogar bekannte Personen vor sich und ihren Ausdruck bei verschiedenen Gelegenheiten, ihre Besorgtheit und Geschäftigkeit. Wenn man ihnen eine noch so kitzliche Heiratsvermittlung, eine noch so feierliche Hochzeit oder einen Geburtstag einzurichten übergeben hätte, würden sie alles nach allen Regeln, ohne die geringste Fahrlässigkeit besorgt haben. Wenn es sich darum handelte, welcher Platz einem jeden der Anwesenden anzuweisen war, wie und was aufgetragen werden sollte, wer mit wem während der Ceremonie zu fahren hatte oder wie man sich bei irgendeinem Vorzeichen verhalten mußte, wurde in Oblomowka niemals auch nur der geringste Verstoß begangen. Verstand man dort etwa nicht ein Kind aufzuziehen? Man braucht sich nur anzuschauen, was für rosige und gewichtige Cupidos die dortigen Mütter tragen und führen. Sie bestehen darauf, daß die Kinder dick, weiß und gesund sein müssen. Sie werden sich vom Frühling entsagen und nichts davon wissen wollen, wenn sie bei seinem Antritt nicht eine Lerche gebacken haben. Wie sollten sie das alles nicht wissen und nicht erfüllen? Das ist ihr ganzes Leben und Wissen, darin sind alle ihre Leiden und Freuden. Sie gehen darum jeder andern Sorge und Trauer aus dem Wege, weil ihr Leben immer von diesen unvermeidlichen Urereignissen gewimmelt hat, die ihrem Verstand und ihrem Herzen unendliche Nahrung boten. Sie erwarteten mit Herzklopfen irgendeinen Vorgang, ein Festessen, eine Ceremonie, um später, nachdem der Mensch getauft, verheiratet oder begraben war, ihn selbst und sein Schicksal zu vergessen und sich in ihre gewohnte Apathie zu versenken, aus der sie durch einen neuen ähnlichen Fall, einen Geburtstag, eine Hochzeit u.s.w. aufgerüttelt wurden. Sowie ein Kind geboren wurde, war die erste Sorge der Eltern, wie man am genauesten, ohne das geringste zu vergessen, alle vom Anstand geforderten Ceremonien, in diesem Falle das Taufessen bewerkstelligen sollte; dann begann die sorgfältige Pflege des Kleinen. Die Mutter stellte sich und der Kindsfrau die Aufgabe: ein gesundes Kind aufzuziehen, es vor Erkältung, vor einem bösen Blick und anderen feindlichen Umständen zu hüten. Man war voll Eifer darum besorgt, daß das Kind stets lustig sei und viel esse. Sowie der Bursche auf den Füßen stehen, d.h. sobald er der Kindsfrau entrathen kann, schleicht sich schon in das Herz der Mutter der heimliche Wunsch, für ihn eine möglichst gesunde, rothbackige Gefährtin zu finden. Es beginnt wieder eine Epoche der Ceremonien, der Festessen und endlich kommt die Hochzeit. Darauf concentriert sich des ganze Pathos des Lebens. Dann beginnen wieder die Wiederholungen. Das Gebären von Kindern, die Ceremonien und Festessen, bis das Begräbnis die Scenerie ändert; das geschieht aber nicht für lange Zeit. Die einen Personen machen den anderen Platz, die Kinder werden zu Jünglingen und zugleich zu Bräutigamen, sie heiraten, setzen ähnliche Geschöpfe in die Welt – und nach diesem Programm zieht sich das Leben als ein ununterbrochenes, eintöniges Gewebe hin und zerreißt unmerklich am Grabe angelangt.

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