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in die Gegenwart zurück. Der Raum lag nun in völliger Dunkelheit und nur der Vollmond spendete von draußen ein sanftes Licht. Auf ihren Knien lag eine Decke. Sie musste wohl beim Vorlesen eingeschlafen sein und Daniel hatte sie vermutlich über ihre Beine gelegt.

      Im Bett vor ihr schnarchte Chantelle leise vor sich hin. Emily stand auf, wobei ihr Körper von dem langen Sitzen leicht schmerzte. Seit sie in dem Haus angekommen war, versuchte Emily schon, das Mysterium um das Verschwinden ihres Vaters zu lüften. Doch nun, da Chantelle hier war, beschäftigten sich ihre Gedanken mit anderen Dingen. Sie wollte nach vorne schauen und die Zukunft planen, und nicht in eine Vergangenheit blicken, die schon lange nicht mehr existierte.

      Als sie Chantelles Tür hinter sich schloss und den Flur entlangging, fragte sich Emily, was ihr neues Leben wohl bringen würde, und wie es jetzt, da sie eine Familie hatte, wohl aussehen würde. Es überraschte sie selbst, wie sehr sie den Tag genossen und wie zufrieden und vollkommen sie sich doch gefühlt hatte. Jedes Mal, wenn Chantelle bei ihr Trost gesucht hatte, war das wie ein kleiner Sieg für sie gewesen. Ihre einzige Sorge galt Daniel. Er hatte sich mit der ganzen Sache nicht so natürlich arrangiert. Er brauchte noch etwas Zeit.

      Gerade, als diese Gedanken durch ihren Kopf schwirrten, erreichte sie das große Fenster am oberen Ende der Treppe. Draußen war es stockfinster, nur der Mond leuchtete in hellem Weiß und die Sterne strahlten. Trotz des schwachen Lichts konnte Emily Daniel sehen, der neben seinem Motorrad stand. Dann wandelte sich ihre Freude schnell in Kummer, als sie zusah, wie Daniel seinen Helm aufsetzte, auf das Motorrad stieg und die Einfahrt entlang raste, bis er nicht mehr zu sehen war.

      KAPITEL DREI

      Emily stand auf der Veranda, wo sie nervös auf Daniels Rückkehr wartete. Sie wrang die Hände, während in ihrem Kopf ihre größten Ängste herumschwirrten. Daniel hatte versprochen, genau das nicht zu tun, nämlich auf seinem Motorrad davonzufahren, ohne ihr Bescheid zusagen. Wenn er dieses Versprechen brach, bestand dann die Chance, dass er sie und seine Tochter im Stich ließ? War sein Tag mit Chantelle so schwierig für ihn gewesen, dass er beschlossen hatte, sie Emilys Fürsorge zu überlassen? Über solch schreckliche Vorstellungen wollte sie gar nicht nachdenken, sie wollte ihm vertrauen, aber er hatte sie schon einmal auf diese Weise im Stich gelassen.

      Emily hielt sich am Türrahmen fest, um nicht umzufallen, ihr Atem kam stoßweise. Als Daniel zurückgekommen war, hatte es sich so angefühlt, als wäre er ein Soldat, der aus dem Krieg zurückkehrte. Nun, während Emily mit immer schwerer werdendem Herzen auf ihn wartete, fühlte es sich so an, als würde sie erneut auf den gleichen Soldaten warten.

      In diesem Moment vernahm sie das Geräusch eines Motorradmotors in der Ferne. Sie lauschte angestrengt und mit wachsender Hoffnung. Das Geräusch wurde immer lauter, bis sie schließlich davon überzeugt war, dass Daniel wirklich nach Hause zurückkam. Vor lauter Erleichterung schloss sie die Augen und stieß den Atem aus, den sie angehalten hatte.

      Das Motorrad bog ab und fuhr die Einfahrt entlang, wobei sie von seinem Scheinwerfer direkt angeleuchtet wurde, was sie zusammenzucken ließ. Dann kam es zum Stehen. Der Motor wurde abgeschalten und wieder herrschte Stille um sie herum.

      Sofort rannte Emily die Stufen hinunter, während Daniel seinen Helm abnahm. „Du bist wach“, sagte er mit einem Grinsen. „Ich war mir nicht sicher, ob die Nacht für dich heute schon gelaufen wäre.“ Doch als er Emilys Gesichtsausdruck sah, verschwand sein Lächeln.

      „Du Idiot“, schnauzte sie. „Wo warst du denn?“

      Daniel zog die Augenbrauen zusammen. „Ich habe einfach mal Gas gegeben. Ich war nur ungefähr fünfzehn Minuten weg.“

      „Das geht so nicht“, schrie Emily. „Du kannst nicht einfach so abhauen. Ich hatte keine Ahnung, wo du warst.“

      „Es tut mir leid“, stammelte Daniel. „Du warst eingeschlafen. Ich dachte, ich könnte eine schnelle Runde drehen.“

      Emily holte erneut tief Luft in dem Versuch, sich zu beruhigen. Dann spürte sie, wie Daniel seine Arme um ihre Schultern legte.

      „Du kannst nicht einfach so verschwinden“, stieß Emily hervor. „Okay?“

      „Okay“, meinte er, während er sein Gesicht in ihr Haar drückte. „Das verstehe ich. Es tut mir leid.“

      Noch lange, lange Zeit bleiben sie so stehen und umarmten sich unter dem Mond und den Sternen.

      „Ich werde dich nicht verlassen, Emily“, sagte Daniel schließlich. „Du musst mir vertrauen.“

      „Das machst du mir nicht immer einfach“, entgegnete Emily, während sie sich aus seinen Armen löste.

      „Ich weiß“, lenkte Daniel ein. „Aber ich gehe nirgendwohin. Immerhin bin ich bei dir eingezogen, nicht wahr?“

      Emily nickte. Das war ein Beweis, dass er es ernst meinte, aber es gab ihr keine vollständige Sicherheit.

      Daniel fuhr fort: „Und während meiner Fahrt dachte ich über das Kutscherhaus nach, darüber, wie wir es in ein eigenständiges Ferienhaus umgestalten könnten, wenn du das möchtest. Ich werde die Arbeiten selber ausführen, als Dankeschön für alles, was du für mich und Chantelle tust.“

      In Emily breitete sich wieder Wärme aus und der Kummer, der sich dort angesammelt hatte, schwand schließlich dahin.

      „Es wäre eine tolle Einnahmequelle für dich“, meinte Daniel. „Und später, wenn Chantelle ein Teenager ist, könnte sie darin wohnen und somit ein bisschen Abstand von ihren langweiligen Eltern bekommen.“

      Seine Worte berührten etwas tief in Emily. Daniel war nie dazu in der Lage gewesen, ihre gemeinsame Zukunft weiter als ein paar Monate am Stück zu planen. Jetzt sprach er schon in Jahrzehnten. Er bezeichnete sie als „Mom“. Zum ersten Mal sah er sie wirklich als eine Einheit, als zwei Hälften eines Teams.

      Doch als Daniel und Emily in dieser Nacht zusammen im Bett lagen und sich in den Armen hielten, flackerten Emilys Ängste wieder und wieder auf. Daniels kleine Nummer mit dem Motorrad hatten ihre lange gehegte Angst vor dem Verlassenwerden wiederaufleben lassen. Noch vor wenigen Wochen hatte sie ein Leben ohne Daniel geplant. Und nun schien er es plötzlich sehr ernst mit ihr zu meinen. Konnte er wirklich so nahtlos und schnell umschalten? Und war das so, weil er erkannte hatte, wie wichtig ihm ihre Beziehung war?

      Oder fühlte er sich nur wegen Chantelle in diese Richtung gedrängt?

      *

      Am nächsten Morgen wachte Emily früh und fast schon schreckhaft auf. Als sie bemerkte, dass Daniel neben ihr im Bett lag, entspannte sie sich wieder und ließ sich schwer atmend zurück in die Kissen fallen. Sie sollte bei Daniels Anblick neben ihr keine solche Erleichterung verspüren, sondern Zufriedenheit.

      Sie blickte auf Daniels schlafendes Gesicht und spürte, wie sich all ihr Kummer auflöste. Es fühlte sich so richtig an, ihn hier wieder bei sich zu haben, mit ihm zusammen zu sein. Sie hätte seine Worte, dass er zu ihr zurückkommen würde, nicht in Frage stellen sollen. Und sie hätte wegen seiner Fahrt gestern Nacht nicht so überreagieren sollen.

      Da Daniel immer noch fest schlief, beschloss Emily, ihn in Ruhe zu lassen. Er musste von der langen Fahrt und all den Emotionen erschöpft sein und den verpassten Schlaf nachholen. Sie war sich sicher, dass sie es schaffen würde, Chantelle anzuziehen und ihr alleine etwas zu Essen zuzubereiten. Dann könnte sie dem Mädchen die Hühner zeigen und anschließend könnten sie zusammen die Hunde am Strand Gassi führen.

      Voller Vorfreude duschte sich Emily schnell und zog sich an. Sobald sie für den Tag bereit war, verließ sie ihr Schlafzimmer und den noch immer schnarchenden Daniel und öffnete die Tür zum Zimmer nebenan, wo sie jedoch erschreckt feststellte, dass Chantelles Bett leer war.

      Emily spürte, wie sich ein mulmiges Gefühl in ihr breitmachte. Wo konnte das kleine Mädchen wohl sein?

      Voller

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